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Südtirol Tag 03

30.09.2022 Freitag

Die Nacht war ruhig, zumindest im persönlichen Empfinden. Real hörte ich schon 6 Uhr morgens laufend Motorengeräusche, so nah, als wenn ich mit dem Ohr auf der Bordsteinkante liegen würde und die Fahrzeuge neben mir vorbei sausten. Blick aus dem WoMo, nichts gesehen, morgendlicher Frühnebel verschleierte die Sicht. Als es etwas zu sehen gab, entdeckte ich ein Kabäuschen am Rande des Parkplatzes, zwei Toiletten, sachlich getrennt für Männlein und Weiblein. Gern und gleich genutzt.

Frühes Aufstehen bescherte uns eine Abreise kurz nach 8 Uhr. Im Ort knapp 20 Liter für teure 2,139 € in den Tank gefüllt, in der Hoffnung, der Sprit würde bis nach Österreich reichen, wo bisher allgemein die Dieselpreise niedriger lagen. Keine zwei Meter vom Gelände herunter gefahren, las ich einen veränderten Dieselpreis an der Preistafel, jetzt volle 10 Cent niedriger. Und ärgern! Nachdem die Feuchtigkeit im Fahrzeug sich verflüchtigt hatte, klebte Jola das Stickerl an die Windschutzscheibe, unsere 10 Tage geltende Eintrittskarte für die Nutzung der Autobahnen in Österreich. Bis zur Grenze bei Kufstein herrschte reger Autoverkehr, wo wollten die Menschen nur alle hin? In Kufstein gleich zur Tankstelle, die Tankanzeige glühte bereits in „gelb“. 1,909 €, wie preiswert mir das Tanken hier erschien. In Kufstein hektischer Verkehr, an Kreiseln kurzzeitige Staus. Bei einem Supermarkt geparkt und bei einem Hendl-Eck eingekehrt. Jola Currywurst, ich ½ Hahn, jeweils mit Pommes, ungesund, aber lecker!

Wozu nun der Stickerl gut gewesen sein sollte, mir nicht erklärlich. Die Autobahn bis zum Brenner gliederte sich eigentlich in eine Aneinanderreihung von Baustellenabschnitten mit ständiger Geschwindigkeitseinschränkung und Fahrbahnverengungen, in der Folge zäh fließender Verkehr. Ohnehin lahmes Bein, musste ich nun noch länger in Fahrerposition ausharren. Maut für Brenner jetzt schon bei 10,50 € auf österreichischer Seite.

Brixen erreichten wir gegen 14.50 Uhr, bzw. den Campingplatz des Hotels Löwenhof. Einige Wohnmobile standen an der Zufahrt, warteten wohl auf die Einlassung. Einsehbar schien der Platz bereits voll belegt. Jola marschierte zur Rezeption, uneingeschränkt der Meinung, wir bekämen einen Stellplatz. Daumen hoch, kam sie zurück, Glück gehabt, durch eine Absage den letzten freien Platz für eine Nacht zugesprochen bekommen. Platz 90, am hinteren Ende am Zaun, Bäume, kein Sat-Empfang. Nicht so wichtig. Dafür die Brixen-Card mit diversen kostenlosen Nutzungsmöglichkeiten (Plose, Schwimmbad, Museen). Nach einer Kaffeepause und der Inspektion der so sehr als attraktiv gepriesenen Sanitäreinrichtungen machten wir einen Spaziergang auf dem Rad-Wanderweg zum Zentrum Brixen. Ein kleiner Bautrupp werkelte mit schweren Maschinen bzw. händisch an der Reparatur einer Trockensteinmauer. Professionell wirkte die Abschlussarbeit des Mannes nicht, schob an verschiedenen Stellen kleine Kiesel in größere Zwischenräume von Felsen. Kehrten um, ich legte mich 20 Minuten aufs Ohr, die Glieder lang machend. Danach Vorbereitung für den Besuch der Schwimmarena. Besitzer eines gleichen WoMos wie unser sprach uns an, wollte Details wissen, gab Details preis.

Begleitet von leichtem Nieselregen fuhren wir die 2 Kilometer auf dem Radweg entlang der Eisack. Jola deutete hierhin und dorthin, überall sei Neues entstanden, so ihre Erkenntnis. Kein Wunder, zuletzt hielten wir uns 2017 hier in Brixen auf. Die Arena mit dem metallisch glänzendem Boulder-Quader dominierten die Sichtachse zur Stadt. Optisch ansprechend gestaltet die Eingangshalle, der Umkleidebereich, an jedem Gang mehrere Föhne verfügbar. Whirlpool, Wasserrutsche, 25- Meter-Bahnen. Heute war just Trainingsstunde des lokalen Schwimmvereins, sprich, auf 6 der 8 Bahnen schäumte das Wasser durch meist kraulende und mit Schwimmflossen unterstütze Jugendliche. Auf einer Bahn bis zu fünf Schwimmer gleichzeitig, fast Hand an der Flosse der Vormannes. Wir hatten die letzte Bahn für uns, fast, eine Frau übte unter Anleitung einer Trainerin verschiedene Schwimmstile, störte damit meine „Aura“, sprich, ich konnte meine 40 Bahnen nicht ungestört ziehen.

Im Anschluss Stadtbummel, wollten sehen, was sich hier in den 5 Jahren noch so verändert hatte und was wir wiedererkannten.

Feierabendstimmung, Backstube wurde ausgefegt, die meisten Geschäften hatten bereits geschlossen, vor oder einigen Bars saßen unverdrossene Gäste, dem Nieselregen trotzend. Wir fuhren zurück zum Campingplatz, da war es 19.30 Uhr. Machte ein Foto von der Kletterhalle für Miriam.

Boulder-Halle bei Nacht

Ein Bierchen und die letzten Scheiben unseres heimischen 1000-Körner-Brotes, getoastet, verzehrt.

Südtirol Tag 02

29.09.2022 Donnerstag

Ich gestehe, ich denke nicht mehr so oft an meine verstorbene Mutter, die heute ihre 94. Geburtstag hätte feiern können. Vergessen ist sie deshalb nicht.

Rückblick auf gestern:

Abends übten wir die Bewältigung der Energiekrise „im Kleinen“, statt Heizung mit teurem Strom (50 Cent/Kwh hier auf dem Stellplatz) zu betreiben, stellte ich unsere Heizung auf „Gas“ um und auf 19° ein, später reduzierte ich sie auf 17° für die Nacht. Wir hatten ja unsere wärmenden Lammfellschuhe aus Norwegen dabei!

Ich weiß nicht, wie es den Lesern geht, aber wenn man länger auf etwas wartet, beginnen die Gedanken plötzlich sich zu verselbständigen, zu kreisen, bspw. um ein Thema. Ich durfte gestern so eine Situation „auskosten“. Das Hochladen von drei Bildern dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Ursache war vermutlich ein „Funkloch“. Und da war das Thema, das Schlagwort „Funkloch“ trieb mich zu der Frage, was „ein Loch“ eigentlich sei. Schwarze Löcher fressen / schlucken alle Materie, Löcher in der Pipeline lassen Gas ausströmen, Löcher im Asphalt lassen Radfahrer fluchen, Schlupflöcher in der Gesetzgebung erfreuen Steuervermeider.

Das Loch ist etwas nicht Greifbares, ein Nichts, und doch, im Beispiel der Schwarzen Löcher etwas unvorstellbar Mächtiges.

Aber was ist in dem Loch in der Hose, im Brett? In diesem Nichts? Ist diese Frage so schwierig zu beantworten, wie die Frage, wie das Leben auf der Erde entstanden ist?

……. ups, da war der Upload gerade beendet und der Gedankengang abrupt unterbrochen. Und ich schrieb wieder Banales zu den hochgeladenen Bildern in meinen Reiseblog.

Heute geht es weiter Richtung Süden, in die Nähe von Nürnberg nach Hersbruck. Dort befindet sich die Fackelmann-Therme, an der es Stellplätze geben soll. Möglich, dass wir dort den Aufenthalt mit einem Besuch der Therme verbinden würden.

Um 05.30 Uhr aufgewacht, bald darauf aufgestanden, weil der Schlaf nicht zurückkehren wollte. Deshalb schon ein frühes Frühstück. Danach besorgte Jola mit einem kleinen Fußmarsch vom Bäcker eine Tüte voller „Ostbrötchen“ als Proviant. Die gestern gekauften und heute auf dem Toaster aufgewärmten vier Stück waren kross und schmeckten ausgezeichnet. Abfahrt war um 8 Uhr. Rund 390 Kilometer Strecke lagen vor uns. Wieder bestätigte sich, dass es sich im Osten besser fahren ließ und man zügiger voran kam. Zwar gab es auch hier einige Baustellen, aber keine Staus. Nervig allerdings auf den dreispurigen Abschnitten die Elefantenrennen der LKW. Das Wetter wechselte, so um Leipzig herum strahlte die Sonne längere Zeit, ließ sich später jedoch durch dunkle Wolken und Dauerregen vertreiben. Gegen 12.40 Uhr erreichten wir, unterbrochen von einer „Vertretungspause“, Hersbruck, rund 12.000 Einwohner lebten hier. Die „Fackelmann-Therme“ befand sich 3 Km außerhalb, die Parkplätze für Wohnmobile etwas abseits. Von den sechs verfügbaren Plätzen waren drei frei, wunderbar dachten wir, richteten uns „häuslich“ ein. Jola marschierte zur Therme, um uns dort anzumelden. Strom hatte ich schon angeschlossen, funktionierte nicht. Jola kehrte mit der Information zurück, in der Therme sei just jetzt der Strom ausgefallen, davon vermutlich betroffen die Anschlüsse für Wohnmobile. Anmelden müssten wir uns Online. Die Eingabe zeigte den Ankunftstag mit „frei“ an, jedoch gesellte sich zwischen An- und Abreisetag die Meldung „keine Buchung möglich“. Notgedrungen marschierte ich zur Rezeption und Kasse der Therme, um nachzufragen, ob die Fehlermeldung eventuell am Stromausfall liegen könnte. Wohl eher nicht, der Kommentar. Mittlerweile sei der Strom wieder „in der Leitung“. Aber freie Plätze gebe es nicht. Ärgerlich! Unsere Idee, erst einmal auf nebenan freie Parkplätze auszuweichen, missglückte, weil die Parkplätze zum nahe gelegenen Finanzamt gehörten. Ich war echt bedient, wollte schon bis Regensburg weiterfahren. Ein Anruf auf dem uns dort bekannten Azur-Campingplatz schockte uns mit dem Preis von über 40 € für eine Übernachtung. Geiz fühlt sich zwar anders an, aber wir hatten noch eine Alternative, die hieß „Lauf“. Strecke von 9 Kilometern von Hersbruck wieder rückwärts gefahren. In Lauf ein kostenloser Stellplatz mit Stromversorgung (1 € für 8 Stunden) und Entsorgung, und freien Plätzen. Sogar etwas „Reststrom“ vom Vorgänger durften wir mit verbrauchen. Regen hielt uns die Treue. Der Weg in die mittelalterlich wirkende, aber gut restaurierte Innenstadt, sollte uns zu „Hugo“ führen. „Hugo“ reklamierte auf dem Parkplatz etliche Stellflächen für seine Kunden, bot Mittagstisch in der Altdorfer Straße 14. Nur, wo befand diese sich? Wir marschierten dem Schild „Marktplatz“ nach. Fachwerkhäuser, die Laufer Kaiserburg, die Karl IV. bauen ließ, eine der letzten Schleifmühlen, etliche historische Brücken, ein altes Rathaus, ein Industriemuseum, ein Judenturm, viel zu begucken.

Blick über die Pegnitz Richtung Zentrum

Aber erst zu Hugo! Schnell war das Restaurant gefunden. Ein Zwitter aus Restaurant, Bar und Spielstätte (für Kartenfreunde). Ein Zweiertisch, ich durfte mich auf den Stuhl setzen, der mir einen Blick auf Bilder ehemals berühmter Weiblichkeiten gönnte (Twiggy, Blow up, Audrey Hepburn). An zwei Nebentischen saßen sieben Frauen und spielten Karten (4 davon auf ernsthafte Weise Canasta). Meine drei überbackenen Stücke Hirtenkäse auf einem Salat-Bouquet und die Ofenkartoffel mit Pilzen für Jola, ausgezeichnet. Dazu 0,5 Liter dunkles Bier, Bier hier so günstig wie vor zwanzig Jahren.

Gesättigt begaben wir uns auf den Stadtrundgang, der Regenschirm dabei im ständigen Wechsel von Aufspannen und Einklappen. Die Markenzeichen der bekannten Filialbetriebe, Banken oder Versicherungen hier im Zentrum nicht in den sonst üblichen Logo-Farben, alles hübsch neutral in „weiß“ gehalten. Jola schaffte es im dritten Anlauf, sprich in der dritten Buchhandlung, einen Roman von Lena Johannson zu erwerben. Das Industriemuseum hatte gerade seine Pforten geschlossen, als wir am Eingang vorbei schlenderten. Kehrten über eine erst 2017 eingeweihte Fußgängerbrücke namens Justin Wunder um. Justin Wunder war Direktor eines Farblabors und entwickelte ab 1865 ein Verfahren zur industriellen Herstellung von roter Ultramarinfarbe, wofür er 1877 ein Patent erhielt. Gegen 17.30 Uhr saßen wir wieder im WoMo, um uns herum alle Stellplätze besetzt. Resümee: hübsche Altstadt.

Plan für morgen ist, ankommen in Südtirol.

Südtirol Tag 01

28.09.2022 Mittwoch

Wem der folgende Absatz zu lang(weilig) ist, der möge hier zum nächsten springen.

Geplant war ursprünglich, am 27.09.2022 morgens die Reise zu beginnen. Ein kleiner Schwächeanfall bremste uns jedoch kurzfristig aus. Verschoben deshalb ohne große Traurigkeit die Abfahrt auf den Folgetag, uns jagte ja niemand und regnen tat es außerdem noch. Schlimmer jedoch traf uns die Erkenntnis, ein Bund mit Haustür- und Garagenschlüssel fand sich, auch nach noch so intensiver Suche, nicht wieder an. Vom begehbaren Schlafzimmerschrank bis in den Keller stellte ich alles „auf den Kopf“, der Weg zur Garage wurde inspiziert und fremde Menschen dort befragt. Das Fundbüro riet uns zur Geduld, Schlüssel würden manchmal erst nach Tagen abgegeben. Unruhe blieb, weil, wenn ein Mensch mit böser Absicht die Schlüssel gefunden und dabei mich beim Suchen beobachtet hätte, unbeschwert würden wir mit dieser Vermutung nicht ruhig verreisen wollen. Also was tun? Die Schlösser auswechseln…. Machte mich zu Schlüssel-Reese auf. Der gute Mann vom Fach mit einer Portion eigenem Humor meinte, „verlorene Schlüssel“ und deren Folgen, davon lebe er fast ausschließlich, das sei sein Tagesgeschäft. Ob ich wüsste, wie man die Zylinder ausmessen würde? Nein, davon hatte ich keine Ahnung. Aber ich schien mit dem Unwissen nicht allein vor dem Verkaufstresen gestanden zu haben. Just holte er aus den Tiefen seines Lagers einen Torso einer Tür mit Schloss und Griffen. Zückte den Zollstock und ließ mich sein Wissen aufsaugen. Zweimal müsste man messen, um die Art und Länge des Schließzylinders richtig zu bestimmen. Mit diesen Informationen fuhr ich schnell nach Hause. Entschloss mich aber, die Zylinder auszubauen, um sie dann als Vorlage mitzunehmen. Bin zwar kein Sicherheitsingenieur, handwerklich aber nicht unbegabt. Drehte die Sicherungsschraube aus dem Zylinder, doch der ließ sich nicht herausziehen. Was hatte ich falsch gemacht? Baute die Griffe ab, der Zylinder ward freigelegt, doch rührte er sich nicht aus dem Holzrahmen heraus, selbst Hammerschläge halfen da nichts. Steckte den Schlüssel ein, drehte links und rechts herum, mehrfach, nichts tat sich. Verzweiflung trieb mir Schweißperlen auf die Stirn. Nächster Versuch, dann ein kleiner Widerstand beim Schlüssel drehen und der Zylinder rutschte aus dem Rahmen. Nun das Ganze noch zweimal bei den anderen Türen, gleiches Ergebnis, der Zylinder ließ sich nicht so einfach von seinem „angestammten“ Platz entfernen. Ich wusste ja, es funktioniert, also nur Geduld…. Dann tatsächlich alle drei Zylinder ausgelöst und ab zu Schlüssel-Reese. Der Fachmann nahm Maß, suchte in seinem außerordentlich umfangreichen Sortiment nach den passenden Zylindern, fragte dabei, ob es mit „Sicherheitskarte“ sein solle. „Ja bitte, sonst könnte man ja leicht Schlüssel nachmachen….“ Er bot mir erst ein System an, dort waren aber die entsprechenden Längen nicht vorrätig. Er zückte eine Box von Abus, noch hochwertigere Materialien, hätte er extra für solche wie meinen Fall eingekauft. Was auch immer „in meinem Fall“ bedeuten sollte. Ich ließ mich über Legierungen belehren, sah zu wie er für eine Demonstration einen alten Zylinder in einen Schraubstock klemmte und den mit einer Zange mit einem Ruck zerriss, billiges Metall…. Er bastelte mir aus den Einzelteilen meines Sets die entsprechenden Zylinder zusammen, variable Teilstücke ermöglichten es, das System an jegliche Längen anzupassen. Ein Pflegespray bekam ich gratis zu dem System mit fünft Schlüsseln dazu. 240 € kostete mich der „Spaß“. Wobei der Fachmann mir mit dem Hinweis, die alten Zylinder hätten eventuell ohnehin bald „ihre Macken“ gehabt und eine Reparatur wäre wahrscheinlich geworden, die Sorge um meine Geldausgaben nahm. Zu Hause dem Einbau entgegen gefiebert, ob die Dinge auch passen würden? Passten! Geschafft von meinem handwerklichen Geschick bekam ich Nackenschmerzen vom Schrauben drehen. Jola war’s zufrieden, die Sicherheit des Hause nun gewährleistet.

Nun aber zum Reisebeginn:

Abfahrt nach Beladung, Kühlschrank meckerte mit blinkender Anzeige. Der Gashahn war nicht aufgedreht. Dann in die Geniner Straße, 1,929 € für Diesel, da noch vollgetankt. Reifendruck prüfen: Gut, dass wir das gemacht haben. Alle vier Reifen bedurften des Nachschubs. Über die Fahrt gab es nicht viel zu berichten. Wenig Verkehr, entspanntes Fahren. Wetter wechselhaft, öfters Nieselregen, manchmal „kurze sonnige Abschnitte“, wie es die Meteorologen immer gerne titulieren. In Werder begaben wir uns nicht unmittelbar auf den WoMo-Stellplatz, fuhren auf die Insel und fanden einen kostenlosen Parkplatz Am Mühlenberg.

Mittagszeit, Jola besorgte für 4 € eine Makrele, gleich um die Ecke befand sich eine Fischgeschäft. Kartoffelsalat hatten wir von zu Hause mitgenommen.

Dann Spaziergang auf der Insel, Erinnerungen aufgefrischt, wo gefrühstückt, wo Rad gefahren, von Kuchen und Brötchen gekauft. Gleich ein Stopp bei der Kaffee-Rösterei im Lendel-Haus, eine ehemalige Saftfabrik (ein bisschen Geschichte: 1822 Verpachtung einiger Gebäude an eine Brauerei; 1896 Friedrich Wilhelm Lendel erwirbt das Gelände und gründet eine moderne Obstverwertungsfabrik. Hier werden nun Konserven, Säfte, Weine und Marmeladen für den Berliner Markt hergestellt. 1916 Friedrich Wilhelm Lendel bezieht mit seiner Familie das Gelände und gibt damit dem Haus seinen bis heute eingebürgerten Namen „Lendelhaus“). Diesmal saßen wir im Innenbereich und schauten den Angestellten beim „Rösten“ zu.

Die Kaffeeauswahl…

Leckerer mampfiger Streuselkuchen mit Rhabarber und kräftiger Kaffee. Ich nahm gleich noch eine Packung Guatemala gemahlen für den Handfilter mit.

Wir folgten dem Schild „Insel-Rundgang“. Nachsaison, es tröpfelte, den Schirm als Drohung nach oben mitgeführt, kaum als Gäste erkennbare Menschen unterwegs. Wanderten von der Insel herunter, suchten den Buchladen, Jola wünschte ein Buch zu kaufen. Begutachteten den Stellplatz, 19 € das Tagesticket, Strom extra nach Verbrauch. Unter den Linden bis zur Kreuzung, der Buchladen Hellmich auf der anderen Straßenseite. Das gewünschte Buch nicht vorrätig, dafür eins über Monet.

Rückmarsch zum Parkplatz, an der Brücke Aufnahmen von Kirche und Mühle …..

…. sowie dem einmaligen Boot, ein Kunstwerk des Malers Arno Christian Schmetjen, gemacht. Es handelt sich um eine seetüchtige Yacht der Holländischen Werft Victoire aus dem Jahre 1969. Der Künstler hat aus 8 Grundfarben ca. 350 Farbnuancen gemacht und damit über 1.500 Farbfelder auf das Boot aufgebracht.

Dann Anruf beim Campingplatz Riegelspitze, 35 € sollte eine Übernachtung kosten. Wir entschieden, doch auf dem Stellplatz für 19 € zu nächtigen.

Erste Reihe mit Blick aufs Wasser und Kirche. Lesestunde, bzw. Blog schreiben. Entspannen….

Interesse am 2. Tag? Hier geht’s weiter.

Alkmaar 3. Tag

07.15 Uhr den Korb mit dem Abwasch zum Sanitärgebäude mitgenommen. Es herrschte dort zu früher Stunde merklich mehr Andrang als in südlichen Ländern, woran liegt das nur? Nach Rückkehr fand ich Jola wach vor, Frühstück ohne Sonne draußen. Erste Sonnenstrahlen ließen sich erst gegen 8 Uhr auf dem Erdwahl erblicken. Neugierige Gäste waren eine Möwe und diverse Nebelkrähen (oder andere Art dieser Gattung). Keck schauten sie und hüpften schreckhaft um die hingeworfenen Krumen, wenn diese zu dicht an unserem Tisch lagen. Frechheit siegte, mutige schnappten sich gleich drei Happen auf einmal und flogen damit in sichere Entfernung.
Heute sollte es nach Hoorn ans Ijsselmeer gehen. Leider besaßen wir keine Karten mit Knotenpunkten, wie gestern auf der Tour nach Bergen.
Die allgemeine Ausschilderung der Radwege führte uns zunächst durch Alkmaar an Stellen, die wir noch nicht gesehen hatten. Rechts die Overstad, ein Stadtteil mit 80.000 m2 Einzelhandelsfläche.

Danach tauchten bereits erste Windmühlen auf, von denen wir später noch mehrere bewohnt und / oder in Betrieb sahen. Die Wege führten oft abseits vielbefahrener Straßen entlang, später an Grachten zwischen den Poldern.

Zur Geschichte einer dieser Mühlen deren Chronik im Bild.

Wege wie mit dem Lineal gezogen. Das „Lineal“ war dann reichlich länger als ich angenommen hatte, statt geschätzter 12 Kilometer verdoppelte sich die Strecke nach Hoorn um mehr als die Hälfte. Ein Teil davon auch deshalb, weil wir ohne Radkarte und mangels Knotenpunkt eine längere Strecke gefahren waren.

Die Grachten meist mit grüner Grütze bedeckt, am Ufer lauerten in Abständen geduldig Reiher auf Beute; was auch immer in diesem Wasser Essbares schwimmen mochte.

Meine Anwesenheit mit der Kamera machte einen nervös, er flog ein paar Meter weiter.
Radweg einmal anders genutzt, ein geführtes Pferd.

Statt der sonst meist obligatorischen Maisfelder mehrfach Rotkohl auf breiter Fläche.

Wogmeer, Spierdijk, Berkhout, Hoorn, geschafft. Nicht zu übersehen das Theater Schouwburg Het Park, im Jahr 2004 von Königin Beatrix in Hoorn eingeweiht.

In Hoorn trafen wir im gesamten Altstadtbereich auf ein buntes Straßenbild, das von den Ständen herrührte, ein Markt freischaffender Künstler. Im Nachgang recherchiert, dieser Part gehörte zum 17. Hoorner Kulturwochenende. Teilnehmer kamen nicht nur aus dem nahen Umfeld, sondern auch aus Utrecht, Rotterdam, Amsterdam etc..
Vielfältiges Schaffen, teils originelle Werke dabei, und alles natürlich Geschmackssache. Wir suchten statt nach Kunst nach den rund 30 Kilometern eher eine Gelegenheit für eine Stärkung.
Neben bildlicher Kunst versuchten ein Leierkastenmann sowie eine Spielerin auf einem….., ja wie nennt man so ein Tasteninstrument? Ist es eventuell eine Celesta?, die umher schlendernden Besucher zu unterhalten?

Einige Geschäfte hatten heute am Sonntag geöffnet, mir ein Foto wert, die auffällige Figurine im Gold-Outfit.

Während des gesamten Aufenthalts kreiste in unseren Köpfen die Frage, waren wir zusammen schon einmal in Hoorn und suchten dafür nach Anhaltspunkten. Ich fand keine!
Verließen den Bereich der Stände, dabei etliche Speisekarten von Restaurants geprüft, suchten im Hafenbereich weiter und fanden am Museum Cinema eine Brasserie namens Oostereiland. Auf dem Weg dorthin die Hoofdtoren aus dem 16. Jahrhundert abgelichtet. Hafenblick vom gastronomischen Außenbereich aus umsonst, Segelschiffe schipperten hinaus aufs Ijsselmeer oder liefen von dort ein.

Auf einem Deich den Hafenbereich umgangen, altes Gemäuer, ähnlich schiefe Häuser wie in Lübeck. Restaurierter Schriftzug aus der Kolonialzeit.

An der entweihten Kirche „Grote Kerk“ einen Platz für einen Kaffee und eine Zironentarte im The Saint gefunden. Die Kirche war sowohl Restaurant als auch Hotel.

Gegenüber vor einem Lokal saß ein Mann auf einem Mauervorsprung und spielte auf seiner Gitarre für ein nicht besonders zahlreiches Publikum softige Musik.
Der Roode Steen, so nennt sich der Platz vor diesem Gebäude.

Rückfahrt auf ähnlichem Wege, Umwege ausgelassen.

Der Gänsemarsch in Reinkultur.

Das war also Alkmaar, nach 46 Jahren ein dreitägiges Wiedersehen. Hier einige Bilder aus der alten Zeit:

Käsemarkt

Victoria, man achte auf den Schriftzug
Und an gleicher Stelle jetzt:

Das Haus rechts daneben sieht fast noch genau so aus wie vor 46 Jahren.
Morgen geht es weiter Richtung Heimat.

Alkmaar 2. Tag

Heute durfte ich wieder einmal von der schönen Bäckerin Brötchen besorgen. Der Weg dahin war noch viel weiter als in Pont-d’Ouilly. 2,5 Kilometer radelte ich durch das verschlafen wirkende Alkmaar Richtung City. Am Wasserturm, ob es einer war, egal, ein Bäcker „Beerse – Brood & Banker“. Die Fahrt bei morgendlich kühler Frische hatte sich gelohnt, endlich einmal wieder „richtige“ Brötchen. Und die schöne Bäckerin war eine nette junge Holländerin.
Zurück auf dem Campingplatz hatte Jola draußen eingedeckt und einen neuen Verehrer, eine Nebelkrähe wartete auf die Abgabe von Nahrungsstücken. Sehr vorsichtig pickte zu Krumen eines alten Baguette auf, immer auf dem Sprung zum Abflug.
Ich machte ein Foto vom Strand, verfütterte den Rest des Baguette, da die Nebelkrähe sich anderen Versorgern zuwandte.

Alkmaar-Beach

Vorgenommen hatten wir uns für heute die im Stadtplan empfohlene Fietsroute von Alkmaar nach Bergen und Bergen aan Zee. Nach Plan wären 32 Km zurückzulegen gewesen. Ausgeschildert schon vom Campingplatz aus entwickelte sich schnell ein entspanntes Fahren, das nach ca. 4 Kilometern, etwas abweichend von der beschriebenen Route in Bergen an der Ruinekerk mündete,

mitten im Wochenmarkt, dessen Stände sich um den Kirchplatz verteilten. Räder ließen wir besser gleich hier abgestellt stehen. Wieder muss ich das Wort „pittoresk“ in den Mund nehmen, um annähernd zu beschreiben, wie man sich hier bei dem Anblick fühlte. Alle total entspannt, niemand von den Radfahrern klingelte jemand beiseite, wenn gerade kein Durchkommen war, Einkaufstüten mit stylistischen Aufschriften wurden artig getragen; schon am Vormittag die Außenbereiche von Bars, Cafés oder Restaurants fast vollständig belegt, neben Kaffee auch schon mal ein Gläschen Wein auf dem Tisch beim Schwätzchen.
Käse- und Brotstand boten optische Reize.

Jola freute sich über einen Stand, der Blumenzwiebeln veräußerte und kam mit einem kleinen Sack Tulpenzwiebeln zurück, der ich derweil die Bilder vom Brotstand und der Kirche knipste.
Wer schon alles hatte oder keinem Kaufrausch verfallen war, saß einfach im Schatten (heiß war es mittlerweile geworden) und checkte seine Nachrichten auf dem Handy.

Endlich gefunden, ein Geschäft, das kurze Hosen in einigermaßen ansprechenden Farben und guter Form anbot, wenn auch von der Stange. Eine Frau im bunten, recht offen dekolletierten, Blumenkleid wies mir nach Auswahl mehrerer Modelle einen mit Vorhängen abgetrennten Bereich zum Umziehen. Das Prozedere sei abgekürzt geschildert, ich kaufte drei Hosen, verhandelte und sparte (neben dem ausgeschilderten Rabatt von 50%) dadurch noch einen kleinen Betrag, der für ein Mittagessen reichen könnten. Jola frohlockte, nun könnten bald ein paar alte Hosen ausgemustert werden.
Blick durch ein Modegeschäft:

Nicht weit davon entfernt, hier mein neues Betätigungsfeld. Alkmaar gefiel so gut, gleich ein Geschäft eröffnet und umgesattelt.

Mit Brot, Käse, Blumenzwiebeln und Hosen bepackt setzten wir unsere Fahrt zum nächsten „Knotenpunkt“, sprich, Nummer 8, fort. Nummer 8 lag in Bergen aan Zee, gut 5 Kilometer bis dahin. Im Rest von Bergen, also bevor wir den Ort verließen, idyllischer Wohlfühlstadtteil, sprich, ansehnliche Grundstücke mit oft typisch holländischer Architektur, sprich, offen, einsehbar, dekorative Fensterbankverschönerung (geschmacklich nicht immer meinen treffend).
Keine Ampeln, stattdessen Kreisverkehre, wenn auch nur „angedeutet“.

Selbst hier traf man an exponierter Stelle auf Erinnerungen an den 2. Weltkrieg: „19. Mai 1940“ steht auf der weißen metallenen Inschrift zwischen der Bank. Was das zu bedeuten hatte, war von mir nicht zu ermitteln.

Eins der ausgefallenen Häuser, Frage: kann man sich gestalterisch und architektonisch davon eine Scheibe abschneiden?, offensichtlich wünschte sich der Bauherr im wahrsten Sinne des Wortes eine Trennung.

Durch Wald ca. 4 Km gefahren, hier nahm gegen Ende der Kiefernbestand zu, Jola freute sich über den zunehmenden Harzgeruch.

Gingen in Bergen aan Zee an den Strand, Meer nur leicht in Bewegung; keine Badehose dabei, macht nix, ging auch ohne (also mit das, was man drunter trägt).
Links und rechts Windschutz und Liegen zum Mieten. Hier die linke Seite von Coca Cola gesponsert.

Lange, seichte Zugänge, also bis ich endlich ein paar Züge im frischen Meerwasser absolvieren konnte, war Land außer Sichtweite.
Bekam zu oft Land unter die Schwimmhäute und begab mich zurück ans Ufer. Eine Dusche neben einem Restaurant erblickend, eilte ich zum „Entsalzen“. Leider wieder einmal „out of order“. Also blieb das Salz auf der Haut. Jola versuchte etwas später ihr Glück und wagte sich ein Stück weiter hinaus.
Strandidylle, Mutter und Kind beim Verzehr der mitgebrachten Vesper.

Fehlen sollte natürlich nicht das obligatorische farbige Segelboot vor blauem Himmel.

Über den anschließenden Versuch, ein Mittagessen in Strandnähe einzunehmen, hülle ich den Mantel des Schweigens.
Wir folgten danach wieder den Knotenpunkten und gelangten kilometerlang zwischen die Dünen, super Radwege auch hier, zweispurig, sodass sich Gegenverkehr nicht behinderte.

Am Rande schien sich ein zotteliges Rind auf Abwege begeben zu haben, zumindest sah man keinen Zaun, der es hätte bremsen können. Es graste friedlich unmittelbar am Radweg und ließ sich von schaulustigen Radlern beim Fressen nicht abhalten.

Nach dem Verlassen der Dünenlandschaft fanden wir uns in dem Ort Egmond aan den Hoef wieder. Bei der Fortsetzung sahen wir auf einem Hof einen privaten Stellplatz für Wohnmobile. Daneben am Wegesrand diese Panzersperren (von Deutschen errichtet) aus dem 2. Weltkrieg, die in einem Gehege Ziegen als Klettermöglichkeiten dienten.

Über Heiloo fanden wir zurück nach Alkmaar, wo wir vor dem Erreichen von Knotenpunkt 73 einen Stopp bei einer Villa, wohl Restaurant mit angeschlossener Eisdiele, einlegten. Genau der richtige Zeitpunkt bei der Hitze und dem Gestrampel. Eiskugeln wieder einmal „riesig“, und das für nur 1,60 € / Kugel. Kinder (ob in Belgien oder Holland) liebten scheinbar besonders das blaugefärbte Eis. Neben uns ein „Kleiner“, die Tüte schon halten können, dafür haperte es beim Schlecken. Mutter musste nachhelfen und weiches Eis abschöpfen.
Bis ins Zentrum schöne Strecke durch Wald, hervorragend ausgelegt, kein austreibenden Baumwurzeln durchbohrten hier den Belag, unsere Stadtgestalter sollten einmal hierher kommen und sich Nachhilfeunterricht in Radwegeplanung geben lassen (bspw. für Waldwege). Ich musste Jola dann noch einmal zu einem bestimmten Geschäft lotsen, Socken kaufen. Machte vom Eingangstor zur „Oude Stad“ eine Aufnahme, beinahe wäre sie ohne Touristen gelungen.

Im Museumscafé des Stedelijk Museum eine Tarte gegessen und Kaffee getrunken.

Für Museumsbesuch zu schönes Wetter.
Zurück zum WoMo. 35 Km.

Alkmaar (Holland)

Verließen den Campingplatz in Bredene Punkt 9 Uhr. Entgegen der Vorhersage blieb Regen zugunsten ganztägiger Sonne aus. Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, die Autobahnen voll, LKW-Kolonnen wie sonst nur in Deutschland, Elefantenrennen deshalb an der Tagesordnung. Selbst dort, wo vierspurige Streckenabschnitte vorhanden waren, war es eng. Dann zweimal Unfall oder liegen gebliebene Fahrzeuge, ein LKW hatte seine Ladung Sand verloren und auf einer Fahrspur der Autobahn verteilt. Dadurch mindestens 30 Minuten Verzögerung. Zähfließend um Antwerpen und Rotterdam der Verkehr, trotz automatischer Temporegulierung. Dieser Melting-pot zwischen Brügge, Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Rotterdam ist mir vergleichbar mit dem Ruhrgebiet um Leverkusen etc.. oder um München herum. Nach drei Stunden in Bergen op Zoom getankt (1,979 €), im Ort nichts zum Mittagessen gefunden, dann an der nächsten Raststätte eine Pause eingelegt.

In Alkmaar um 15 Uhr am Campingplatz angekommen. Die Anlage etwas verwinkelt angelegt, dadurch wirkten einige Stellen wie geräumige Kuschelecken. Wir ganz am Ende auf einer Wiese, ein Erdwall grenzte den Platz ab, darüber ragten drei runde Strohdächer hinaus. Ein Beach mit Sand und Sonnenliegen an einer Gracht befand sich hinter dem Erdwall.

Nach einer Erholungspause typischerweise den Weg ins Zentrum eingeschlagen. 10 Minuten mit dem Rad, so stand es auf einem Info-Zettel. Unabhängig von dieser Beschreibung brauchte man nur den, hier roten, Radwegschildern zu folgen. Alkmaar entpuppte sich als genau das, was über sie geschrieben stand, schnuckelig, quirlig, weltoffen.
Straßennamen und Plätze werden den meisten sicher nichts sagen, deshalb nur das Wichtigste genannt. Der Käsemarkt sollte mit seinem Museum nicht unerwähnt bleiben, ebenso der Waagplein mit dem Waagtoren oder der Vismarkt.

Das nächste Bild zeigt einen Teil der beiden arkadenförmigen Gebäudeteile (Ursprung 1755) mit den innen aufgestellten Fischbänken, jetzt sitzen daran Gäste eines Restaurants.

Dann noch zwei Teilansichten vom Stadhuis (Errichtung angefangenen im 17. Jahrhundert).

Ansonsten reihe ich einfach meine Schnappschüsse aneinander.

Beemster küssen…

Eins der zahlreichen Restaurants fand dann unsere Zustimmung, das „Ons Café ‚t Kantoor“. Es befand sich auf der Platten Stenenbrug, eigentlich gepflasterte Überdachung einer Gracht.

Das fremdsprachige Geplapper und Gemurmel der um uns herum sitzenden Gäste sedierte zusätzlich zum Afflinger Blond, das wir schon vor dem Essen ausgetrunken hatten. Spareribs vom Iberico, serviert ohne Rippchen, mal eine andere Variante, aber geschmacklich sehr lecker. Dazu die krossen Pommes von echten Kartoffeln.
Die Ladenbesitzer ließen in Alkmaar bereits um 17 Uhr die Rollläden herunter. Einen Einkaufsbummel mussten wir auf morgen verschieben.

Bredene – 2. Tag –

Nachtrag zu gestern: Eisessen, eine Kugel 2,50 €, zwei Kugeln 4 €, drei Kugeln 5,50 €.
Tüten ziemlich schmal, Portionen Eis dagegen riesig und dessen Konsistenz eher „sahnig“ weich, was zu Konflikten zwischen Halten und Essen führte, vor allem in der Sonne.

Zweiter Tag in Belgien, Bredene bei Ostende. Wechsel des Campingplatzes, von „Astrid“ 100m weiter zu „Warande“, weil der Platz vorbestellt war. Die überraschenden Eindrücke unserer gestrigen Tour zum Strand, den Dünen und nach Ostende hatten uns dazu bewegt, einen Tag länger am Ort zu bleiben. Hatte noch kurz Kontakt zu zwei anderen deutschen Paaren, von einer Frau aus NRW erfuhr ich, dass die Strände und ausgedehnten Promenaden in die andere Richtung nach De Haan ebenso beeindruckend wären.
Insofern war mit dieser Information unsere Marschroute für heute bereits definiert. Der Sturm hatte sich gelegt, war in einen leichten Wind abgemildert, ideal jetzt für das Radeln auf den breiten, meist rot gefärbten Radwegen. Ungestört von Fußgängern und Autos vor den zweiten Dünenbergen entspanntes Fahren, allerdings mit zweirädrigem Gegenverkehr. In den Dünen diverse Wanderwegen. Nach 5 Kilometern bogen wir nach De Haan ab. Schon eingangs mondäne Bauten, ob alt oder neu ließ sich im Vorbeifahren nicht einwandfrei identifizieren.

Ein bisschen Feeling wie in Ahlbeck oder Heringsdorf auf Usedom kam auf.
Originell auch die Straßenbeschriftung.

An der Promenade ein Restaurant, in das es Jola wegen der hübschen Aussicht auf Promenade und die See zog. Danach ein paar Minuten am Strand verweilt, weiße Hautstellen anbräunen. Die Flut nahte wieder, und wieder rückten die Leute von der Lifeguard die Fahnenstangen und das Rettungsboot zurück in Richtung Promenade.
Danach De Haan im Kern erkundet, viele alt wirkende Häuser attraktiv hergerichtet, alle individuell mit Namen an der Hauswand. Fast alle in weiß gehalten,

zwischendurch Neubauten im aktuellen architektonischen Stil (quadratisch, praktisch…). Oft war ich mir gar nicht sicher, ob so ein Haus nun vermietet oder „bewohnt“ wird. Später sah ich in einem Fenster eines Neubaus ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich wohne hier, ich bin kein Tourist“ hängen.
Mit dem Hahn hatten es hier einige als Maskottchen, hier ein ganzer Zaun, woanders wachte einer im Vorgarten…und Jola lichtete einen vor einem Hotel ab.

De Haan beschränkte sich nicht nur auf diesen optisch attraktiven Kern, sondern auch auf die umliegenden Gemeinden, wie ich bei einem Stopp an einer Abzweigung von einem auf einer schattigen Bank sitzenden älteren Herren erfuhr, nachdem er mir den Einzugsbereich auf der Karte gezeigt hatte, außerdem wie ich wohin noch hätte fahren können. Und wieder ein Belgier mit Kontakten nach Deutschland, Steinbek in der Nähe von Hamburg verriet er mir. 1954 hätte er bei Kassel die Grenze bewacht…
Wir blieben allerdings auf dem roten Belag und folgten dem Dünenweg bis Wenduine. Das krasse Gegenteil zu De Haan, wieder eine Betonzeile Hotels und Appartements neben einer breiten Promenade und dem weitläufigen Strand.
Den Menschen schien es zu gefallen, saßen auf schattigen Bänken und ließen den Blick in die Ferne schweifen, wo etliche Frachtschiffe vermutlich nach oder von Zebrugge ein- oder ausliefen oder saßen am Strand in einem Liegestuhl, viel Platz war garantiert.

Nett die Figur (Titel: Inner Circle“) zu Beginn der Promenade:


Am Ende dieser Hotelflucht eine Surfschule mit Restaurant. Wir ließen uns dort nieder, tranken etwas und saßen auf harten Holzbänken mit Blick auf die See, die Wellen und die Surfer auf ihnen oder gerade vom Brett kommend und sich aus dem Neopren pellend.
Danach Heimfahrt auf gleichem Wege, knappe 24 Km zurückgelegt. Jola verlängerte, weil Einkauf anstand.

Bredene (nahe bei Oostende – Belgien)

Heute hieß es Abschied nehmen von der Normandie, zumindest vorerst. Ein wenig lieb gewonnen hatten wir diese Region, die Küste, die Strände bei Ebbe oder Flut, die normannische Schweiz, die kleinen Städte oder Dörfer, Giverny mit den Gärten von Monet besonders, die Schlösser, aber auch die vielen Relikte (Hinterlassenschaften der Deutschen) aus dem 2. Weltkrieg als Mahnmale, natürlich das Baguette in seiner Vielfalt, selbst die oft weite und eintönige Agrarfläche, jetzt besonders nach der Ernte ein einziges gelbliches Terrain, dazu noch staubig, beeindruckte, die schlechten Straßen und ungezählten Kreisverkehre sowie die Sanitäranlagen der Campingplätze, wo oft Klopapier selbst mitgebracht werden musste, werde ich vermissen. Originell fand ich die florale Ergänzung des Sanitärbereiches auf unserem letzten Campingplatz.

Nun sind wir rund 265 km gefahren, in Bredene nahe Oostende (belgische Schreibweise) bei „Astrid“ gelandet, so nennt sich dieser Campingplatz. Unterwegs, noch in Frankreich, versuchten wir einen Schlachter in einem der durchfahrenen Dörfer zu finden, Jola wollte unbedingt Rillettes kaufen, vergebens. Lediglich Baguette ergatterten wir in einem Ort, dessen Name mir bereits wieder entfallen ist.
Bredene tut sich insbesondere durch seine riesigen Dünen und weitläufigen Strände hervor. Die Architektur des strandnahen Umfeldes würden einige als „grauenhaft“ bezeichnen. Im touristischen Abseits allerdings in den Nebenstraßen ein paar sehenswerte Häuser, alt wie neu. Oostende begrüßte uns auf der Herfahrt mit dem WoMo mit viel Skyline von Hochhäusern. Ich hatte mich wohl vertan, als ich den Ort für den Zwischenaufenthalt auswählte. Keine bescheidene, beschauliche Kleinstadt. Das Umfeld machte eher den Eindruck einer Metropolregion, das Gewerbegebiet wollte gar nicht enden. Rund 71.000 Einwohnern sollen hier leben.
Erwähnenswert war, unterwegs sich schon ankündigend, der extrem heftige Wind. Der Gang zum Strand über eine Fußgängerbrücke direkt in die Dünen. Am Strand kaum Personen zu sehen, die jungen Leute vom Rettungsdienst konnten sich auf wenige badende Menschen im aufgewühlten Wasser konzentrieren.

Wir staksten zu den stets näher kommenden Ausläufern der Wellen, es schien gerade Flut zu sein. Die „Aufpasser“ rückten Fahnenstangen mit den rot-gelben Flaggen und anderes Warngerät zurück in Dünennähe.
Der Sturm zerrte an meiner Haut und meinem Haar, was mich leicht zermürbte. Am WoMo Teepause eingelegt. Dann Aufbruch nach Oostende.
Wieder einmal positiv beeindruckte das Radwegenetz. Ohne Unterbrechung näherten wir uns den Hochhäusern, teils noch im Bau befindliche Wohnanlagen. Der Hafenbereich, wie in so vielen Städten, im Umbruch begriffen. Als Mahnmale belassene Wehranlagen auf den Dünen zeugten wieder einmal von geplatzten deutschen Großmachtphantasien.
Zu unserer Überraschung fanden wir nach gut 3,5 km eine Fährverbindung zum Zentrum von Oostende vor, kostenloser Transport.

Starker Wellengang, das schaukelte auf der kurzen Überfahrt ordentlich. Dann die nächste Überraschung, nach der bisher wenig erbaulichen Architektur (kein Wunder, bei der Bombardierung durch die Alliierten 1944 wurde der Großteil der Stadt zerstört), die überbreite Promenade und der ca. 5 km lange Strand, der in diesigen Sandwehen in der Ferne fast verschwand. Erfreulich, dass sich bummelnde Passanten und Radfahrer auf der Promenade nicht in die Quere kamen.
Her ein paar Impressionen von unserer Fahrt auf der Promenade:

Leopold II. (Reiterstandbild) aus dem Jahre 1931
Zwei Künstler namens Courtens

Die Promenade war immer noch nicht zu Ende, es würde kühler, Hunger stellte sich ein, deshalb Umkehr. Aber nichts gefunden, vor allem keinen gemütlichen Altstadtkern. Dafür Häuserschluchten wie man sie sonst in New York vermuten würde. Preise auf den Karten einiger Restaurants eher im oberen Segment angesiedelt, bspw. marinierte Muscheln für 24 €. Für Muscheln zahlten wir in Frankreich zwischen 12 € und 18 €. Leicht frustriert wieder zur Fähre und Heimfahrt nach Bredene. Lustig fand ich die Ampel an einem Metallsteg über eine Schleuse.

Gegen den Sturm die Rückfahrt angetreten, dann Ruhephase. Danach quasi Essen vor Ort. Direkt vor dem Eingang zum Campingplatz eine Brasserie. Und wieder grüßte das Murmeltier: meine ausgewählte Speise, nicht vorrätig.
Jola riet mir, zukünftig gleich immer eine „2.Wahl“ zu tätigen.

Dieppe 2. Tag

Spätstart heute, erst um 9 Uhr aus dem Bett gestiegen. Besprachen, wohin die Reise auf dem Rückweg gehen sollte. Calais war im Gespräch, entschieden uns jedoch für Ostende, uns noch ein unbekannter Fleck auf der Landkarte.
Dieppe besser kennenlernen stand auf dem Programm. Unabhängig davon wollte ich gern einmal am Golfplatz vorbeischauen, er lag ohnehin auf der Radroute Seine – Maritime. 75 € für 18 Löcher, mal sehen, ob wir nach der Tagestour noch Lust haben oder überhaupt noch können. Dieppe bot hier ein anderes Bild, Wohlstand (Villen) und Bildung (Schulen). Eins der üblichen Erlebnisse, sprich, ein Auf und Ab bis wir am Dieppe Vista wunderbare Ausblicke auf das Bauwerk, den Strand, das Meer und einen Teil der Stadt genießen durften. Beide Museen gerade am heutigen Dienstag geschlossen (sonst doch immer montags?).

Man beachte am vorderen Rand des Rasens den „Bilderrahmen“ mit Sitz, für Maler vielleicht gedacht oder einfach als „Sitting Panorama“, wie es bei openstreetmap.org beschriftet ist.
Ob Jola auf dem Bild an die verpassten Chancen zur Überfahrt auf englischen Boden gedacht hat und jetzt die letzte Hoffnung auf die aus England kommende Fähre setzte, um eben doch noch den Fuß auf britisches Territorium setzen zu können? Die Fähre sieht man auf dem Foto kaum / nicht (lief aber gerade ein).
Am Chateau vorbei einen Fußweg, der in eine Straße mündete, die uns stark an den Aufstieg zur Aussichtsplattform in Arendal in Norwegen erinnerte, steil, sehr steil ging es ins Zentrum von Dieppe hinab, besser das Stück die E-Bikes geschoben.
In der Grande Rue auf dem Place Nationale ein Wochenmarkt, 12 Uhr, die Beschicker im Begriff einzupacken, ein Obst-/Gemüsestand noch bestückt. Jola in der Ferne beim Beschaffen von Notizblöcken oder ähnlichem. Ich hatte Appetit auf Nektarinen (gleich dem französischen) sprach auf französisch „Je parle français un peu“ und ergänzte „Je voudrais trois“ und bekam sie. Ausgeguckt für das Essen am Mittag hatten wir uns an der Ecke Grande Rue am Kreisverkehr das Le Café Suisse. An einem Zweiertisch mitten im Lokal durften wir Platz nehmen. Schnell war von uns beiden die Wahl auf „Galette“ gefallen, eine Flasche Cidre dazu bestellt. Die Flasche Wasser (carafe l’eau) erhielten wir, wie konnte es anders sein, erst nach der zweiten Aufforderung. Scheinbar ignorieren die Servicekräfte unseren Wunsch nach dem kostenlosen Wasser grundsätzlich, aus welchem Grund auch immer. Andere Gäste, ob hier oder anderswo, erhielten mit den bestellten Getränken die Flasche stets sofort dazu, äußerst ärgerlich! Na gut, es gibt Schlimmeres!
Zu dem Chef / der Chefin bliebe anzumerken, interessantes Paar. Er wesentlich jünger als sie, Flaumbart, groß und kompakt, Typ Teddybär, aufmerksam alles im Blick habend. Sie, eine Melange aus Kate Bush und Tina Turner, nicht mehr ganz jung, gertenschlank, graue Locken bis fast zum …, ganz in Schwarz gekleidet, ein Piercing im Bereich unter der Lippe, das nicht so auffiel, weil der Mund so rot geschminkt war. Neben uns ein Tisch, der frei bleiben musste, für eine Person gedeckt. Jola meinte: Stammgast. Und ergänzte: bei der Bedienung, kein Wunder, dass hier einsame Männer Stammgäste werden.
Zum Essen zurück, die Galettes sehr, sehr lecker. Jola ließ den Blick kreisen, was alles so zum Nachtisch herausgetragen wurden und bestellte sich „café gourment“ (quasi ein Überraschungspaket).

Auf ging es zu anderen Ufern. Bereits kurz nach Antritt wurden wir ausgebremst, die Pont Jeha Ango, eine Klappbrücke, war gerade wegen bevorstehendem Durchgangsverkehr hochgezogen worden.

Danach in Windungen bergan, zum Glück eine Busspur, auch durch Radler nutzbar. In der Neuville les Dieppe, jedenfalls oben auf dem Weg zur Chapelle Notre-Dame de Bonsecours teils gediegenes Wohnambiente, manchmal die Neubauten sehr modern dazwischengebaut.

Die Kapelle stammt aus dem Jahre 1876 und diente zuerst als Platz für Pilger.
Nicht nur ich bastele mit Scherben von Glas und Spiegeln, hier ein gelungenes Beispiel von unbekannt Schaffendem:

Ein Blick auf das Umfeld von hier oben durfte natürlich nicht fehlen.

Kurze Abstimmung, wohin es nun zunächst hingehen sollte. Puys, ein Ort mit Strand. Schön zu fahrene Strecke, die auf der Rue Alexandre Dumas eine pittoreske Herberge „Auberge du Vieux Puits“ ins Bild rückte.

Just an dem Domizil vorbei, stoppte mich ein Blick auf den Parkplatz, so viele Renault Alpine (9 an der Zahl) auf einem Haufen hatte ich noch nicht gesehen.

War es ein eingeschworener Club, der sich hier zu konspirativen Sitzungen traf? Ließen uns die Straße heruntertrudeln, ein Haus schöner als das vorhergehende.

Die Einbahnstraße gegen die Fahrrichtung bis zum Strand gefahren. Dort saßen neben der Kehre auf einer Bank fünf Franzosen und fachsimpelten über …..
Strand kieselig, wie überall an diesem Küstenstreifen. Hier fand am 19.08.1942 die Landung der kanadischen Einheiten statt. Mehrere Tafeln und Bilder erinnern an das vor 50 Jahren passierte Ereignis, bei denen ca. 1.500 junge Kanadier ihr Leben verloren.

Nun doch eine englische Fähre im Bild beim Einlauf in den Hafen von Dieppe.

Wieder ein Mosaik, „realisée per l’École des Arts de Neuville-lés-Dieppe“ stand daneben. U.a. erkannten wir George Sand oben abgebildet.

George Sand entdeckte Puys 1868 durch Zufall bei einem Besuch mit Flaubert in Dieppe…..
Nach Fototermin und Rundblick fuhren wir die Einbahnstraße wieder hinauf, ein Stück begleitet von einem Polizeiauto, gut, dassdie Polizei erst jetzt diesen Weg abfuhr und nicht 15 Minuten früher.
Unsere Rundtour durch die normannische Landschaft setzten wir fort, Bracquemont, Gréges, Martin-Église, bis hierher eine frisch geteerte Straße „kilometerlang“ heruntergetrudelt, herrlich.
Beigefarbene Kühe standen auf Weiden, fraßen von bereitgestelltem Stroh, an einem Platz standen sie quasi „im Futter“. Schade, ich verpasste ein Foto für den Text „die standen aber gut im Futter“.
Arques-la-Bateille, dahin musste wir, wenn wir zum WoMo zurück wollten. Ein Areal von Gewässern, ein Fluss la Béthune Namensgeber. Hier gelangten wir auf den breit angelegten Radweg „Paris-London“, auf dem viele andere gleichgesinnte Radfahrer unterwegs waren. Auf dem komfortablen Weg gelangten wir bis zu einem Kilometer vor Rousmesnil-Bouteille. Dann führte uns Madame Route auf einen unbefestigten Weg, steil und unwegsam, wenn auch nur gut 200m. Jola bös verärgert, gerade am Ende der Kräfte und der Tour, nun am Hang zu kraxeln und ein schweres E-Bike zu schieben.
Ausgleich für die Anstrengungen im Schwimmbad auf dem Campingplatz.
Resümee: Wieder viel erlebt an diesem Tage.

Dieppe

Der Herr über Gummi und Vulkanisator war mir nicht wohlgesonnen. Kaum stand mein Rad nach der Tour am WoMo, da verlor der Schlauch wieder rapide an Festigkeit, sprich, neuerlicher Plattfuß. Reparatur verschob ich auf den heutigen Tag, wo immer wir auch landen würden.
Kurz zum „Frühstücksfernsehen“: Der neue Nachbar mit einem alten, selbst umgebauten VW-Bus und Oldtimer-Knutschkugel, beides in weiß-blau lackiert, kam nach dem Kennzeichen aus Stade. Alleinreisender, Frühaufsteher, Vielleser und starker Raucher. Noch vor dem ersten Bissen drei Zigaretten geraucht und angestrengt gelesen. Erst bei der Abfahrt kurz einen Satz gewechselt, er am Beginn eines dreiwöchigen Urlaubs.
Ziel für uns war Dieppe, 63 km entfernt. Küstenstraße genommen, meist lange Strecken geradeaus, an einigen Ortsschildern vorbei, die mir etwas aus dem Reiseführer sagten. In einem Ort Wochenmarkt, dadurch scheinbar verstopfte Durchgangsstraße, weil Franzosen gerne „vor der Tür“ parken wollen.
Kurz vor Dieppe gestoppt, Madame Route suchte für uns einen Campingplatz, sie bot uns Camping Vitamin in knapp 2 Km Entfernung an. Jola frohlockte, warum?, weil Aldi und andere Einkaufsmöglichkeiten sich quasi vor der Haustür befanden.
Platz mit Schwimmgelegenheiten, Apfelbäumen, geschnittenen Hecken und neuen Tiny-Häusern, die noch nicht in der endgültigen Position aufgestellt waren.
Meine erste Aufgabe erlegte ich mir nach der Installation von Strom etc. mit der Reparatur meines Schlauches auf. Wieder Kopfstand vom ISY, wieder Mantel von der Felge pulen, wieder einen Eimer Wasser füllen, wieder den Schlauch aufpumpen und im Wasserbad prüfen, und, erstaunlich, nirgends blubberte es. Pumpte mehr Luft ein, der Schlauch hielt immer noch dicht. Nahm dann trotzdem den alten Flicken ab und tauschte ihn gegen einen neuen aus. Das Loch unter dem Flicken hatte sich zu einem Riss vergrößert. Routiniert aufgeraut, vulkanisiert, geklebt, gepumpt, geprüft, alles dicht! Zwischendurch baten mich zwei Französinnen ihnen zu helfen, ich kein Wort der Hilfsanfrage verstanden, sie konnten kein Englisch. Aber Zeichensprache ist oft eindeutiger. Es lag ein Zelt auf dem Boden, Sie wiesen auf die Gebrauchsanweisung hin. Ich schaute, nahm das Zelt und begann es aufzurichten, die Heringe aus dem Zubehörfach zu holen. Dann ein „non, non!“. Alles Retour, das Zelt sollte eingepackt werden. Die Anleitung war für mich wie das Französisch, ich verstand sie nicht. Sie bedankten sich artig und versuchten allein ihr Glück. Später ging die Farbige vorbei, ich hob den Daumen, sie erwiderte mit gleicher Geste, na also.
Jola kam vollbepackt vom Aldi zurück. Aßen einen Tomatensalat. Wollten eigentlich den Ort erobern, aber der Herr über Gummi und Vulkanisator hatte etwas gegen mich, der Reifen wieder platt. Verflixt….
Nun doch die komplizierte Variante, das Hinterrad ausbauen. Diesmal mit mehr Mut die Muttern gelöst und das Rad aus der Verankerung gezerrt. Neuen Schlauch eingezogen, alten nochmals aufgepumpt, Test.
Natürlich fummelte ich minutenlang mit den Drähten der Schaltung herum, die einfach nicht in ihre angestammte Position flutschen wollten. Meine Finger schon ganz aufgeraut. Jola hatte es sich zwischenzeitlich im Liegestuhl bequem gemacht und ließ ihren Bauch bräunen. Tatsächlich verlor der alte Schlauch wieder Luft, sein Pech, er wanderte in den Müllcontainer.
Hoffentlich würdigt, falls es ihn gibt, der Herr über Schlauch, Gummi und Vulkanisator, jetzt meine Reparaturkünste und -leistung.
Ich nutzte das leere Schwimmbecken für ein paar Züge. 10 Minuten mehr oder weniger im Kreis geschwommen, aber ungestört. Danach mit Jola Aufbruch nach Dieppe. Unerfreulicher Weg, Hauptstraße Avenue Gambetta mit viel Verkehr, am Ende längere Zeit abwärts. Im Zentrum, das bis dato wenig ansprechend daherkam, an der Rue de la Barre abgestiegen und zur Shoppingmeile Grand Rue geschoben.
Am Place du Puits-Salé dominant das Café des Tribuneaux. Warenangebot ähnlich wie andere Fußgängerzonen, Filialbetriebe herrschten vor. Bogen zum Strand durch eine düstere Gasse ab. Strand und Promenade trennten zwei größere Wiesenflächen, gelblich vertrocknet der Rasen, rundherum Wohnwagen, Wohnmobile und Schaustellerfahrzeuge, herrührend von einem gerade geendeten „Volksfest“. Promenade eher eintönig, keine Restaurants, unterhalb die obligatorischen Kabinen, davor meist ältliche Herrschaften beim Lesen, Sonnen, oder Austausch von Neuigkeiten.

Einmal kurz über die Kieselsteine auf dem „blauen Teppich“, ausgelegt, damit auch Behinderte ein Stück näher ans Wasser gelangen konnten, zum Meer. Das gerierte sich ungestüm, manche Badende hatten ihre Not, wieder aus den Fängen der Wellen zu entkommen.

Setzten uns wieder auf die Räder und fuhren die Promenade auf einem aufgemalten Radweg, den man eigentlich nicht so nennen dürfte, bis ans Ende, wo ein Fährschiff (nach England) am Kai lag. Hier auch der Wohnmobilstellplatz, eng, nur ein paar Stromanschlüsse, davor „mittendrin“.
Um die Ecke ein Stück „renovierte“ Altstadt, hübscher Straßenbelag, Radweg neu, gepflasterte Verkehrsinseln. Danach wieder altes Bild, unebene aufgerissene Straßen, immerhin Blick auf Hafenbecken mit Schiffen, mehr Restaurants, Kalksteinfelsen sichtbar.

Im Café Paris ließen wir uns nieder, Bedienung bekam die Note „ungenügend“, sah uns, ignorierte uns, räumte an Tischen herum, bediente eine auf Grand Dame verkleidete alte Frau mit Sonnenbrille und rosafarbenen Outfit vor uns. Meine Bierbestellung mit dem Zusatz „demi litre“ wollte er partout nicht begreifen. Immerhin brachte dann eine weibliche Servicekraft das große Leffe. Gegenüber das Tourist-Office, in dem Jola kurz verschwand.

An der Église Saint-Jacques das Geschäft Les Pepites des Pains noch offen, zwei Baguettes gekauft. 18 Uhr vorbei, zurück auf der Grand Rue, bummelten, schauten, nichts mehr gekauft.
Die Ethusiasten, die diese Bank gefertigt hatten, reichen offensichtlich nicht aus, um in Dieppe das Radwegenetz zu verbessern.

Rückfahrt auf „Schleichweg“, ohne Stadtplan, orientierten uns der Nase nach.
War so schlecht nicht. Landeten in Rouxmesnil-Bouteilles, langgezogen Auffahrt. Fragten einen braungebrannten gärtnernden Mann, der kein Englisch sprach, aber uns trotzdem mit Fingerzeig auf die Frage nach „Camping Vitamin“, den Weg wies. Der stellte sich als gar nicht so großer Umweg heraus.
Erfreuliches Resümee, mein Hinterrad hat – noch – keinen Platten.
Wollen uns einen erweiterten Eindruck von dem Ort verschaffen, verlängerten um eine Übernachtung.