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alter (weiser) Mann, kommunikativ (wenn es sein muss).

Reise ins Geschenke-Paradies

Am 26. Dezember durfte ich tagsüber eine Reise durch ein Geschenke-Paradies antreten. Bereits früh morgens fand der erste Stopp an der Backstube statt. Dort stand der obligatorische Geburtstagskuchen der Familie (Marmor) auf dem Tisch, gebacken von der Tochter, mit viel Liebe und sehr sehr viel Rum, der sich im Schokoladenteil gut verstecken konnte. Unverfroren verbrauchte sie dafür den 54%-igen „guten Pott“ aus der Flasche fast vollständig. Ein Glück, dass uns später ein Taxi abholte.

Hier ein Bild aus frontaler Sicht von nach Anschnitt und Verzehr durch hungrige Familienangehörige.

Weiter ging die Reise zum zweiten Stopp, zur Galerie. Ein einziges Ausstellungsstück ward dort gezeigt, Motiv sezierte Darstellung von Wirkungsstätten und Vorgehen eines alten weisen Mannes.

Kaum Strecke zurückgelegt, erreichte man den dritten Stopp, einen Massagesalon. Quasi um hier später eine 60-minütige Pause einzulegen. Etwas angstvoll blickte ich auf das mir zugedachte Arrangement, nein, nicht was jetzt vielleicht einige denken, nein, furchtsam in Erinnerung an einen Besuch auf der Massagebank, der noch nicht allzu lange zurücklag. Die Asiatin sprang seinerzeit mir von hinten auf den Rücken, kniete sich zwischen die Rippen und malträtierte diese, Schulterblätter und sonstiges Knochengerüst und Muskelstränge, es drohten ernsthafte Schäden. Hoffnung bestand insofern, als dass diese, schon etwas ältere, Dame nicht mehr im aktiven Dienst der Gesundheit tätig sein würde, eine jüngere, zartbesaitetere Mitarbeiterin dann den Job dafür übernimmt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ich geriet nach kurzer Weiterreise an die Hausmeisterei, der vierte Stopp. Eher männlich geprägt fand ich vor ein schwarzes Etui, aus dem ich einen Messschieber hervorholte und hübsch verpackt dazu als Zugabe zwei Ersatzschläuche mit alternativen Ventilsystemen für mein E-Bike. Kurz leicht perplex über diese Überraschung, fragte ich mich nach der Anwendung des Messschiebers. Mit so Nützlichem sollte es zukünftig kein Problem sein, alles in der häuslichen Umgebung exakt zu vermessen (in Analogie zu Daniel Kehlmanns Vermessung der Welt), sprich, millimetergenau.

Doch bevor es hinausging, ein Stopp, der sechste, an der Vorverkaufsstelle für Events aller Art.

Es deutete sich Musikalisches an, eine Eintrittskarte lugte aus dem Umschlag, „Lady Dynamit“ lud ein zu „Simply The Best“, ein Tina Turner Update.

Geplant war, um eventuell Väterchen Frost ein Schnippchen zu schlagen, die Übernahme eines Geschenkes an der Haltestelle in die weite Welt. Es war verlustig gegangen und so erhielt ich erst sehr viel später, hier am fünften Stopp, tierisches Material in Form von Lammfellhandschuhen überreicht.

So deprimierend der Blick aus dem Fenster aufs Wetter zu dem Zeitpunkt auch war, der Bildband „die Cartoons des Jahres“ hellten das Gemüt des Jubilars ohne nennenswerte Verzögerung sogleich wieder auf. Der siebte Stopp lohnte sich auf jeden Fall.

Die unverschämten „Schmierereien“ in dem neuen Buch stammen auf dem rechten Bild von den Gästen, genannt Autogramme.

Ein verschmitztes Lächeln über die scharfsinnigen Beobachtungen breitete sich auf dem Gesicht aus, und erlosch nur deshalb, weil ihm etwas Sorge bereitete; nämlich, ob er seine Rede würde so halten können, wie er sie nächtens problemlos im Halbschlaf vor sich hergebetet hatte.

Kurz vor dem Wechsel in ein anderes Geschenke-Paradies ergoss sich eine glockenklare Stimme, H. aus HH-Blankenese, aus dem Telefonhörer und wünschte in wohlgeformten, hamburgisch akzentuierten Sätzen Typisches: Gesundheit, schöne Reisen, Glück etc., auch im Namen des noch in den Federn ruhenden Gatten.

Wechsel ins zweite Paradies

17 Gäste begleiteten mich im Laufe des Vormittags durchs neue Geschenke-Paradies (achter Stopp), alle freiwillig gekommen, geblieben, länger als gedacht, trotz unverständlicher Rede (weil andere Gäste lautstark „störten“). Die Zusicherung, es hätte allen gefallen, schlich mir und Gattin nach. War das schon eine Option, in fünf Jahren die Zusammenkunft in gleicher Besetzung zu wiederholen?

Jedenfalls staffierten die Gäste das Geschenke-Paradies reich aus. Nach der erschöpfenden Rede kam eine neue, anstrengende Aufgabe auf mich zu, all die Schleifen und Knote zu durchtrennen, Geschenkpapier zu zerstören, das noch kurz zuvor liebevoll ums Objekt geschlungen wurde sowie die Texte auf den Glückwunschkarten zu lesen (alle handschriftlich verfasst und teils echt originell getextet).

Nun zu den Details:

Beginne mit dem zweiten typisch männlichen Objekt, ein Feuchtigkeitsdetektor. Hätte mir das eine Frau geschenkt, ich hätte mir ernsthaft Sorgen gemacht…..

Erheiterung erzeugte ein dazu aus dem Internet gezeigtes Video, wie man ohne so ein Gerät ebenfalls den Feuchtigkeitsgehalt von Holz feststellen konnte (indem man Spüli auf das eine Ende des Scheites verteilte und von der anderen Seite aus dem Mund Luft hineinblies, bis es beim Spüli Blasen würde bilden, dann sei das Holz trocken).

In welchem Zusammenhang der Rückspiegel ….

…. zu dem vorgenannten Geschenk zu sehen war, erschloss sich dem Jubilar nicht sofort; er erkannte dann aber den Sinn darin, dass er auf dem Fahrrad seine Angebetete auch dann im Blick haben konnte, wenn er eigentlich nach vorne schauen müsste. Selbstverständlich ließ sich damit auch anderweitiges Ungemach erkennen. Nein, nein, mit „anderes Ungemach“ ist kein Zusammenhang mit „dem Blick auf die Angebetete“ zu verstehen! Oder sollte der Rückspiegel als Synonym für einen Rückblick auf die XX Jahre sein?

Als ehemaliger Revisor schickte mich ein anderes Präsent ins Reich der Verbrechensbekämpfung bzw. -aufklärung. Zwei Fälle wären zu lösen. Ob mir mein ausgeprägter detektivischer Instinkt aus der Prüferzeit hier ebenfalls nützlich sein würde?

Kleine Scheiben rieselte es mehrfach aus paradiesischen Verpackungen, manche Hüllen bockten und bedurften messerscharfer Hilfe, bis sie freigelegt waren.

Woher stammte nur die Kenntnis, dass diese Scheiben genau in diesem Paradies ihren Platz hatten finden sollen? Jedenfalls fand ich das toll und danke den „unbekannten“ Initiatoren (ich gender nicht!) auf diesem Wege noch einmal ganz herzlich.

Süßer die ….. nicht klingen….; nein, nicht die Glocken, sondern für mich klang der Inhalt der diversen Pralinen- oder Marzipanschachteln ebenso verlockend. Hüftgold war damit vorprogrammiert.

Bei drohender Schneekatastrophe durch die Süßteile bis zu einem gewissen Grade gegen den Hungertod gefeit, hätte Langeweile mit der reichlichen Literatur kaum eine Chance ….

Fürsorglich erschien mir auch die Beigabe zum Buchgeschenk mit dem Thriller von Fitzek, eine Dauerwurst. Was für eine Kombination! Oder bestand ein Zusammenhang zwischen beiden Dingen? Ist die Wurst Indiz, Beweisstück oder gar Tatwaffe? Darf sie erst gegessen werden, wenn das Buch durchgelesen war? Oder ist sie Nahrung, weil man sich vom Lesestoff nicht lösen kann und sonst verhungern würde?

Ein harter Winter hätte also kommen können; bis März würde ich damit durchhalten. Es folgten weitere lebenserhaltende Zugaben.

Flüssige Nahrung gehört selbstverständlich zum Überlebenskampf bei Schneekatastrophen. Um so erfreulicher die Tatsache, dass sich in diesem Paradies keine Destille befand, in der ich mein Bier wieder über einen unendlich langen Zeitraum hätte selbst brauen müssen. Fein säuberlich werde ich die Rotweinflaschen meinem Weinkeller zuführen und danke hiermit den edlen Spendern recht herzlich. PS: Keine Chance für meine Doppelkopf-Kollegen, der Wein wird gekennzeichnet und wandert nicht als Mitbringsel bei euch auf dem Tisch.

Ein Werbepartner auf einer meiner Seiten wies, quasi aus dem Off, mit seinem Produkt dezent auf eventuell bestehende Muffelgerüche unter Achseln hin. Dank für „den Wink mit dem Zaunpfahl“ vielmals; der Gebrauch von XMAS 4 Deodorant wird mir sicher den Kontakt zum anderen Geschlecht erleichtern, oder?

Verwandtschaft glänzte mit einem Schwarzweißfoto aus meiner frühesten Kindheit in der Geburtstagskarte, natürlich ich dem Fußball zugetan, hier allerdings noch am Tisch.

Zur Karte gehörte das folgende Sachbuch. Ich hoffe, dass ich mit meinen Aktivitäten nicht zu den Mitverursachern derartiger Vernichtungsaktionen gehöre.

Handverlesenes bzw. Handgefertigtes, hier schon optisch verbunden zu einem Arrangement, es wird mich immer an diesen Tag erinnern. Hübsch.

Dieses Grün, was aus einem Umschlag bzw. einer Geburtstagskarte hervorkroch, das war mir nicht unbekannt…

…. der Schein wird mir sicher für einen guten (eigenen) Zweck Unterstützung geben. Immer wieder gern entdeckt, das Grün der Hoffnung.

Leider vergaß ich den Gartenschmuck, im Paradies standen dafür zwei künstliche Verzierungen herum, die ich nicht fotografisch festhielt, es aber verspreche, dies nachzuholen. Da die beiden Objekte mit den zwei Krimifällen so eng verbunden mir in die Hände fielen, stellt sich auch hier die Frage, gibt es einen Zusammenhang? War ein Täter der – immer wieder gern zitierte – Gärtner?

Nicht vergessen zu erwähnen sollte ich den Überraschungsgast, sprich, MTV unplugged. Aus welcher verborgenen Ecke er mit seiner akustischen Gitarre auch plötzlich auf der „Bühne“ stand, egal, der Unterhaltungskünstler animierte die Gäste zum Mitsingen, Noten lagen urplötzlich vor allen bereit.

Songs von Bob Dylan schienen nicht jedermanns Geschmack zu sein, zumal wenn kein Englisch verstanden / gesprochen wird. Beifall gab es trotzdem und Dank vom Jubilar nebst Gattin. Wir taten unser Bestes, um es besser zu machen, als Dylan selbst es mit seinem nasalen Gesang hätte machen können.

Und nun – auf Wunsch einzelner Gäste – meine Rede plus Lesetext aus „Britt-Marie war da„. Ein wirklich lesenswertes Buch.

Bevor jetzt große Reden gehalten oder Belobigungen ausgesprochen werden, möchte ich ein paar Worte loswerden.

Zunächst einmal – wie sonst bei bekannten Filmpreisverleihungen eine kurze Danksagung – ich danke all denen, die es mit so einem alten Griesgram bisher aushielten, insbesondere natürlich den drei Frauen, die stoisch meine Eigenarten einen Großteil ihres Lebens ertrugen, und – nicht ganz uneigennützig – zu einem akzeptablen Mitglied dieser Gesellschaft geformt haben. Gemeint sind Jola, Miriam und … Christine. Christine, die als Schwiegermutter sicher manches mal gedacht haben mag, „was hat sich meine Tochter da nur angelacht“, uns aber stets kräftig unterstützte. Miriam fiel uns als Glücksfall in die Wiege, sie kann nichts für den Vater und zu meiner Frau gibt es nichts weiter zu sagen als „Danke für die gemeinsame Zeit“.

Kein Redner vor dem Herren bin ich jemals gewesen, nuscheln gehörte zum Uwischen Stil. Kennt ihr das?, die schönsten Reden mit ausgefeilten Formulierungen fielen mir nachts ein. Als es darauf ankam, waren alle Vokabeln verflogen und es blieb ein radebrechendes Gestotter. Ähnlich erging es mir in jungen Jahren, wollte man sich einem weibliche Wesen nähern, die schönsten Komplimente, die tollsten Gags, und stand man vor ihr, alles vergessen.

Deshalb schweige ich so oft und sage lieber nichts.

Nun habe ich aber auf kleinen Umwegen erfahren, dass sich Menschen dennoch für das interessieren, was ich, zwar nicht ausspreche, aber in Form von Reiseberichten niederschreibe. Man attestierte mir eine „gute Schreibe“, fand die Texte amüsant und stilsicher. Zuletzt regte eine junge Dame aus dem Bekanntenkreis an, ich möge mich doch bei Instagram anmelden, da könnte ich mit meinem Blog mehr Follower erreichen und noch viel Geld verdienen…. Als jetzt ein sogenannter alter weiser Mann, wobei mit der Weisheit es nicht weit her ist, freue mich natürlich über diese kleine Anerkennung einer bescheiden großen Leserschaft.

Woher nehme ich plötzlich nur diesen „Drive“? (meine Aufsätze in der Schule waren eher mäßig) Inspiration vielleicht aus Büchern wie „Der Salzpfad“, „Schiffbruch mit Tiger“, „Nachtzug nach Lissabon“ oder zuletzt BRITT-MARIE WAR DA.

Zu letzterem darf ich anmerken, dass mich die Geschichte so sehr bewegt hat, …. ich darf mich hier heute ruhig outen, Tränen der Rührung liefen mir des öfteren ganz ungewollt über die Wangen. Ich bin ja auch ein Warmduscher und, zugegeben, ein Sentimentalist.

Weil mich das Buch so gerührt hat, möchte ich gerne eine Seite daraus vorlesen. SO viel Zeit muss jetzt noch sein….

Aus Britt-Marie war da:

Ab einem gewissen Alter drehen sich beinahe alle Fragen, die einen Menschen beschäftigen, eigentlich nur um die eine: Wie lebt man ein Leben?

Wenn der Mensch die Augen fest genug und auch lange genug schließt, dann kann er sich an alles erinnern, was ihn glücklich gemacht hat. An den Duft von der Haut seiner Mutter, als er fünf war und sie sich kichernd vor einem plötzlich einsetzenden Platzregen in ein Treppenhaus geflüchtet haben. An die kalte Nasenspitze des Vaters an seiner Wange. Den streng müffelnden Trost der Tatze eines Kuscheltiers, das er vor der Waschmaschine gerettet hat. Das Geräusch der Wellen, die sich beim letzten Urlaub am Meer über die Felsen herangeschlichen haben. Den Applaus in einem Theater. Das Haar seiner Schwester hinterher, als sie hinaus auf die Straße gingen, sorglos im Wind.

Vielleicht an noch mehr? Wann ist sie glücklich gewesen?
Ein paar Augenblicke lang. Wenn der Schlüssel im Türschloss zu hören war. Von Kents Herzschlag unter ihrer Hand, wenn er schlief. Von Kinderlachen. Wind auf dem Balkon. Dem Duft von Tulpen. Der ersten großen Liebe. Dem ersten Kuss.

Ein paar Augenblicke. Ein Mensch, wer von uns auch immer, bekommt so verschwindend wenige Gelegenheiten, in nur einem einzigen von ihnen zu leben. Die Zeit loszulassen und zu fallen.
Etwas besinnungslos zu lieben. Vor Leidenschaft zu explodieren. Vielleicht ein paar wenige Male, wenn wir noch Kinder sind, falls wir das überhaupt sein durften. Aber später, wie viele Atemzüge tun wir außerhalb unseres Selbst? Wie viele echte Gefühle entlocken uns ein lautstarkes und schamloses Gejubel? Wie oft haben wir die Chance, das Gedächtnis ausschalten zu können, so dass es ein Segen ist?
Jede Leidenschaft ist kindisch. Sie ist banal und naiv. Sie ist nicht erlernt, sie kommt von den Instinkten, also überschwemmt sie uns. Wirft uns um. Spült uns fort. 
Alle anderen Gefühle gehören zur Erde, doch die Leidenschaft ist im Weltall zu Hause. Davon erhält die Passion ihren Wert, nicht für das, was sie uns gibt, sondern für das, was wir für sie riskieren müssen. 

Unsere Würde. Das Unverständnis der anderen und herablassendes Kopfschütteln.

Erklärung von mir, wer Britt-Marie ist:
B-M ist 63, eine liebenswerte, leicht autistische Frau, die 40 Jahre für ihren Mann zu Hause geblieben ist. Sie gilt nach ihrem Mann als „sozial-inkompetent“, putzt überaus leidenschaftlich alles, alles mit Natron und Faxin, suchte nach dem Auszug Arbeit, brachte die Vermittlerin auf dem Arbeitsamt fast um den Verstand, landete in einem gottverlassenen Dorf, wo fast alle Leute ihren Job verloren hatten und soll den Hausmeisterposten eines Jugendzentrums übernehmen (für drei Wochen, weil dann Abriss). Sie mischt sich grundsätzlich nicht in andere Angelegenheiten ein (was natürlich nicht stimmt, weil sie sich ständig einmischt und belehrt), bedankt sich grundsätzlich nicht für irgendetwas (Schamgefühl). Gerät durch im Dorf spielende Kinder zum Fußball und wird unabsichtlich und ohne Kenntnisse vom Fußball Coach der gemischten Jugendmannschaft, die ohne Sportplatz auf dem Dorfparkplatz kickt und an einem Wettbewerb teilnehmen will, was – eben - nur mit Coach geht. Die Mannschaft verliert 14:1. Es geht um das eine Tor der Dorfmannschaft, das erste im Spiel. 

Resttext:
Britt-Marie schreit frei heraus, als Ben das Tor schießt. Ihre Fußsohlen lösen sich vom Boden der Sporthalle. Die wenigsten Menschen werden mit so etwas ..... gesegnet. Mit dem Weltall.
Genau dafür liebt man Fußball.

Ja, das war nun meine Reise durch die Geschenke-Paradiese 1 und 2, die ihr mir ermöglicht habt. Danke, dafür, danke auch, dass ihr gekommen seit, gute Laune verbreitet habt, ggf. sogar neue Kontakte knüpfen konntet und mir auch zu anderer Gelegenheit vielleicht wieder einmal zuhört. So long…..

… und vergesst nicht, es ist unter niemanden seiner Würde, zu verlieren, Hauptsache man war und bleibt mit Leidenschaft dabei.

…und nun ein Nachtrag zu einem Geschenk, zumindest eines Teiles, das sich in unserer Bananenpflanze ganz wohl zu fühlen scheint.

Südtirol Tag 24

21.10.2022 Freitag

Froh eigentlich über das Vorhandensein der Sanitäreinrichtungen, konstatierte ich, dass diese optisch in die Jahre gekommen waren, rostige Heizkörper, abgebrochene Handtuchhaken, keine Seifenspender. Erding verließen wir gegen 09.15 Uhr. Am Horizont ein letzter Rest von Sonnenschein, der schon bald verblasste und Regen Platz machte. Regen fiel vom Himmel, alle Stauseen dürften heute wieder aufgefüllt worden und jeder Forst- oder Landwirt sollte zufrieden über die wässrigen Gaben von oben gewesen sein. Selbst mich störte das ständige Geprassel aufs Dach des Wohnmobils nicht, die rund 400 Kilometer Fahrt über war’s eigentlich egal wie’s Wetter ist. Die Scheibenwischer taten ihre Arbeit im gleichbleibenden Rhythmus, auf Bayern 2 liefen im Radio interessante Sendungen bspw. wie wichtig das Singen für das Wohlbefinden sei. Hörer meldeten sich zu Wort, meist Männer, einer merkte an, er hätte sich von einem unmusikalischen Menschen zu einem Chorsänger entwickelt. Ein anderer Mann schmetterte – für ihn eine Premiere – als Tenor auf Italienisch ein bekanntes Stück von Rigoletto, ein „Opa“ sang Kinderlieder, merkte an, durch Singen hätte er sogar eine Fremdsprache erlernt, worauf hin der Moderator erwiderte, ein britischer Parlamentarier hätte vor Jahren einmal einen Song der Beatles (Yellow Submarine) ins Lateinische übersetzt und begann eine Textzeile vorzusingen / -sprechen.

Die Sichtweite reichte bei dem Dauerregen meist gerade aus, um das Fahrzeug einigermaßen sicher steuern zu können, vom landschaftlichen Umfeld war kaum etwas zu sehen. Der immense Verkehr floss, erstaunlich, selbst an Baustellen keine Staus, dafür häufig die bekannten Geschwindigkeitsbeschränkungen. Wieso sind bloß in Deutschland die Autobahnstrecken in so einem schlechten Zustand? In der Nähe von Bamberg fuhr ich in Buttenheim zu einer nahe gelegenen Tankstelle ab, 2,119 € der Dieselpreis, tankte 20 Liter, um sicher in Eisenach ankommen zu können und hoffte auf günstigere Preise später. Prüfte den Luftdruck, ein Reifen braucht schon seit längerer Zeit immer etwas Nachschub, so auch jetzt. Jola schmierte mir unterdessen eine Stulle (Brot von der Hofpfisterei). Beine vertreten tat ganz gut.

In der gekauften Süddeutschen, bzw. im Magazin fand sich ein Nachruf auf den kürzlich verstorbenen Autor der wöchentlich im Magazin erschienenen Rätsel „Um die Ecke gedacht“. Jede Woche brachte er „seine Fans“ mit seinen verzwickten Fragen an den Rand der Verzweiflung, nun blieb die Rubrik im Magazin leer. Er stürzte auf tragische Weise in den Bayrischen Alpen beim Bergsteigen ab. Für viele Fans wird diese Lücke kaum zu schließen sein. Wer kann sich für ein einfaches Kreuzworträtsel schon solche verrückten Fragen ausdenken?

In Thüringen empfand ich die Fahrerei erneut als anspruchsvoll, 8%-ige und 10%-ige Gefälle oder Steigungen mussten bewältigt werden, Serpentinen ließen nur langsames Fahren zu. Gegen 14.45 Uhr bog ich von der Landstraße ab, Jola irritiert, denn es waren noch gut 10 Km bis Eisenach. Mein ihr gegenüber angegebenes Ziel, der Campingplatz, lag einsam etwa 1.500m in den Wald hinein am Altenberger See im Ortsteil Wilhelmsthal. Hier auf dem Platz bis 15 Uhr Mittagspause. Ich spazierte zum See, mehrere Wanderwege ausgeschildert, bis Eisenach 14 Kilometer, bei Regen kein tröstliches Unterfangen mit dem Rad dorthin zu fahren. Jola suchte nach einer Alternative, in Eisenach ein Stellplatz mit Stromversorgung in der Karl-Marx-Straße. Obwohl schon etwas erlahmt, nahm ich die Fahrt ins Ungewisse auf mich. Eisenach mit seiner Wartburg lag unweit vom bekannten Wanderweg „Rennsteig“ entfernt quasi in einem Tal, denn es ging die rund 10 Km meist bergab. Unterwegs ein Parkplatz und Wartende an der Bushaltestelle, offensichtlich Ausgangspunkt für Wanderer, die den Rennsteig erkunden wollten / erkundet hatten.

Gegenüber von Netto, nahe der Bahnstrecke der Stellplatz für ca. 8 Fahrzeuge, noch drei davon frei. Rangiert und eingeparkt. Erfreulich, zu diesem Zeitpunkt machte der Regen, hier zumindest, ein Pause. Drei Lokalitäten in unmittelbarer Nähe hatte ich im Internet gefunden, brauchbar, um dort eventuell feste Nahrung zu sich zu nehmen. Eisenach bot gleich ein ansehnliches Panorama von gut erhaltener Häusersubstanz, am Theaterplatz das Landestheater dominant,

am Platz davor eine Skulptur von Ernst Abbe, einem Physiker, der mit Zeiss die moderne Optik entwickelte. Das Lokal die Alte Schule daneben öffnete erst ab 17 Uhr, versprach auf der Speisekarte ein vielfältiges Angebot, kam auf meine Merkliste, ebenso das gegenüber in einer Seitenstraße befindliche Kartoffelhaus, das urig daherkam und draußen mit lustigen Sprüchen warb. Ebenfalls ab 17 Uhr geöffnet, ebenso der Grieche. So blieb Zeit, die Fußgängerzone abzuschreiten, ein Stück Kuchen (Zimtschnecke, nicht zu vergleichen mit denen in Schweden oder Norwegen) zu kaufen und sich nach Veranstaltungen zu erkunden.

Jola verschwand in einem Stoffladen, ich fotografierte das Haus, entdeckte eine Tafel mit Inschrift, danach hätte hier am 09.08.1869 August Bebel zusammen mit Wilhelm Liebknecht in dem damaligen Gasthof „Zum Mohren“ die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet.

In der gleichen Straßen ein Stückchen weiter las ich diesen Text einer Wandmalerei:

Über den Satz kann man nachdenken und vielleicht etwas daraus machen!?

In der Fußgängerzone erklang Gitarrenmusik, ein „Barde“ sang ein mir bekanntes Lied, dessen Name mir nicht einfiel, gute Cover-Version. Ein kleines Kind kam freudig angelaufen, warf eine Münze in den Kasten und schrammte mit den Fingern über die Saiten auf die bereitwillig ihm hingehaltene Gitarre. Nachwuchs in spe?

Ansonsten eher ein Warensortiment, was man aus anderen mittelmäßigen Einkaufsstraßen so kannte. Thalia, die Buchhandlung lockte mich, das Buch über Blanche Monet hatte ich gestern zu Ende gelesen. Und tatsächlich wurde ich fündig, ließ den schon ausgewählten und in die Hand genommenen Krimi zurück, kaufte das Buch mit dem Titel „Der Geschichten Bäcker“. Ob es an dem Aufkleber „Spiegel Bestseller“ lag oder an dem Wort „Bäcker“ in Zusammenhang mit „Geschichten“, der Klappentext versprach eine interessante Story. Ich werde jetzt hier nicht zu einem der Einflüsterer neuer Bücher, wie sie auf TikTok (Booktoker wie bspw. ‚Pastellpages‘ alias Saskia Papen) aktuell für Furore sorgen, quasi als männlicher Influencer. Einige dieser jungen Dinger hätten schon 200.000 Follower, so heute ein Bericht im Radio. Mehr Buchverlage folgen dem Trend und suchen eine Verbindung zur jungen Zielgruppe und den Influencer/innen.

Aufgeschnappter Gedanke, schon aus den ersten Seiten des Buches.

Man stelle sich vor, man sei ein Pflasterstein. Ein Pflasterstein bspw. inmitten vieler anderer Pflastersteine auf einem großen Marktplatz. Jeder Stein ist anders und doch fügen sie sich zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. Kein Stein fragte je, ob er sich an der richtigen Stelle befinden würde. Wäre das eigene Leben dieser eine Pflasterstein, befände man sich damit an der richtigen Stelle / dem richtigen Platz im Leben? Hat man also Einfluss auf d i e Stelle auf dem Marktplatz (in dem Leben)? Wer ist bei dieser Metapher der „Bauarbeiter“, der die Steine nebeneinander legt? Wonach wählte er aus?

Oder ist das eigene Leben eher wie ein Buch? Das weitergeschrieben werden muss, jede Stunde und jeden Tag. Und auf der nächsten leeren Seite erkennt man (vielleicht), dass man selbst der Autor ist, mit dem Schreiber in der Hand. Niemand sonst schreibt die Geschichte!

Am Markt das rote Rathaus, die Georgenkirche (in der Bach als Jugendlicher im Chor sang), das Stadtschloss mit der Tourist-Information. Im Hintergrund lugte Grünes hervor, das Roesesches Hölzchen, höchster Punkt dort gut 320m.

17 Uhr, jetzt hing der Magen doch schon in den Kniekehlen, also auf die Fortsetzung des Stadtrundganges zugunsten einer Mahlzeit verzichtet. Wir wählten den Kartoffelhaus in der Sophienstraße. Wieder alles reserviert, wieder ein Tisch bis 19 Uhr frei (wie in Lana). Einer Höhle gleich, vollgestellt mit altem Spielzeug, alten Gerätschaften, einem Moped „Schwalbe“, Baujahr 1973 sowie etlichen Figuren von Donald Duck und seinen Verwandten.

Jola bestellte eine „Karre Mist“, ich ein „Teufelswerk“, lustige Namen gaben sie ihren Gerichten hier seit gut 20 Jahren. Jolas Mistkarre (tatsächlich wurde das Gericht in einer kleinen Holzkarre gebracht) wurde mit einer brennenden Wunderkerze serviert, warum nur „der Mist“ beleuchtet wurde, erschloss sich mir nicht. Mir stellte man zu der Pfanne mit den Kartoffeln, Gemüse und Fleisch eine schwarze „Arbeitsfläche“ zusätzlich auf den Tisch. Auf dieser befanden sich ein paar Salatblätter, zwei Scheiben Radieschen. Auf der großen braune Flasche ein Etikett, mit „Durstlöscher“ waren die alkoholischen und alkoholfreien Getränke gemeint. Stupps nannte sich die Bier-Hausmarke, wir orderten die Version Kellerbier.

Rechtzeitig räumten wir unseren Platz gegen 18.15 Uhr, aber erst nachdem Jola ihre Nachspeise namens „Ostalgiebecher“ (Apfelmus, Schlagsahne und Eis), serviert in einem Einweckglas, verspeist hatte.

Das war’s. Morgen geht’s nach Kassel. Das ist dann „PRIVAT“.

Nun, die Fahrt nach Kassel darf ich als noch „öffentlich“ bezeichnen und möchte von einem Interview mit Ulrich Wickert im Hessischen Rundfunk berichten.

Der ex Mr. Tagesthemen Ulrich Wickert bewarb sein neustes Buch „Die Schatten von Paris“ auf der Frankfurter Buchmesse, Krimi Nr. 7 mit der zentralen Hauptfigur Untersuchungsrichter Jacques Ricou. Gewählt hatte er diese Figur, weil U-Richter eine ganz andere, mächtigere, Position im Rechtssystem in Frankreich einnehmen. Angeblich sollen sie so gut wie unbestechlich sein, eine bemerkenswerte Eigenschaft.

Wieso einen Untersuchungsrichter? Wickerts großes Vorbild sei der Privatdetektiv Philip Marlowe und in Frankreich sei die Position des Kommissars mit Maigret fest besetzt. Der Stoff für seine Krimis basiert meist auf realen Fällen, diese Grundlagen bieten dem Autor die Möglichkeit, die Wahrheit fiktional zu dehnen und anzupassen (vielleicht auch an die Wunschvorstellungen des Autors). Verstrickungen politischer Amtsträger seien hervorragende fiktive Figuren, man denke nur an Sarkozy, der derzeit mit elektronischen Fußfesseln herumlaufen muss oder Chirac, der zu 2,5 Jahren Haft auf Bewährung verurteilt war (und dessen Partei die Kaution bezahlte).

Er selbst brachte in einem anderen Zusammenhang in dem Interview seinen legendären Satz „Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht“ ins Spiel. Von 1991 bis 2006 moderierte er die Tagesthemen und benutzte diesen Satz für die Verabschiedung am Ende seiner Sendung. Wie kam es dazu? Nach den oft „schlechten“ Nachrichten, die er zu verkünden hatte, glaubte er, mit „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht“ nicht den richtigen Abschluss gefunden zu haben. PS: Damals war nach den Tagesthemen Sendeschluss! Er bemühte eins seiner vielen Wörterbüchern und Nachschlagewerke aus seinem Regal, in diesem Fall ein Wörterbuch der Synonyme und fand für „gute Nacht“ den Begriff „geruhsame Nacht“, der ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein schien („Postkutschenzeit“). Trotzdem sympathisierte er mit diesem Wort, meinte, es sei wichtig, dass alte Sprache fortleben sollte. Als er den Satz erstmals am Ende der Nachrichten sprach, verdrehten die Kollegen in der Redaktion die Augen. Doch er blieb standhaft und so etablierte sich dieser Satz zu einer Einheit mit der Person Ulrich Wickert. Einmal vergaß er wohl fast dieses Ende, da flüsterte die Stimme aus der Regie ihm, „Herr Wickert, Sie haben etwas vergessen?“.

In Kassel schon oft gewesen, diesmal machten wir einen Spaziergang durch das Uni-Gelände. Moderne Architektur wechselte sich hier – auch nach so vielen Jahren (1971 begann der Bau der Universität) immer noch – mit verrotteten Industriebauten ab. Die Industriebauten gehören zu Überbleibseln einer ehemaligen Maschinenbau-Dynastie namens Henschel. Lokomotiven, Kanonen und Nutzfahrzeuge produzierte das Unternehmen. Interessant dabei, dass während der nationalsozialistischen Herrschaft Juden in Waggons deportiert wurden. Ein Mahnmal „Die Rampe“ erinnert auf dem Uni-Gelände an diese Ereignisse.

Frieden stiften sollte diese Dame, die hier auf einer Bank im etwas vernachlässigten Campus-Biogarten saß und auf ….. wartete.

Bei unserem Spaziergang traf ich an der Ysenburgstraße auf eine Gedenk- bzw. Informationstafel zu Henschels Arbeiterhäusern. Den nachfolgenden Text entnahm ich aus dieser Info-Tafel.

Henschel in Kassel, Dynastie mit dem Bau von Lokomotiven und Kanonen, kaufte diverse Häuserblocks in der Ysenburgstraße. Universität baute ab 1971 auf dem Gelände ihre Institute, Reste noch heute aktuell, teils genutzt (K19), Deportation von Juden → Denkmal BILD.

Bereits unter dem Vater Georg Alexander „Carl“ Henschel (1810-1860) wurde der Schwerpunkt der Produktion ab 1845 auf die Herstellung von Dampflokomotiven gelegt. Das 1837 am Möncheberg gebaute Werk expandierte schnell und hatte bei Übernahme durch Oskar Henschel bereits 2.500 Mitarbeiter. Da für die vielen Mitarbeiter nicht genügend Wohnraum in der Altstadt von Kassel zur Verfügung stand, wurde am Schützenplatz zwischen Franzgraben und Bleichen ein Grundstück erworben und mit dem Bau einer Arbeitersiedlung begonnen. Diese älteren Henschelhäuser wurden 1867 fertiggestellt. Zwischen ihnen wurde um 1901 der erste Teil der heutigen Ysenburgstraße angelegt, die an den Prinzen Johann Casimir von Isenburg-Birstein (1715-1759) erinnert. 1904 führte die Straße bereits bis zur Weserstraße und 1910 zur Moritzstraße auf dem Möncheberg. 1908 wurde die Hafenbrücke gebaut, was die Ysenburgstraße zu einer wichtigen Verbindung über die Fulda machte. Etwa zu dieser Zeit entstanden unter Sohn Karl auch die neueren Henschelhäuser am Franzgraben (unten).

Inmitten der älteren Henschelhäuser wurde 1902 das „Wohlfahrtshaus“ errichtet. Im Erdgeschoss befand sich links eine Kleinkinderschule und darüber eine Haushaltungsschule. Der Besuch dieser Einrichtungen war kostenfrei und sollte die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Im Erdgeschoss rechts war auch eine Badeanstalt mit separatem Zugang untergebracht. Dort gab es Waschräume sowie Brause- und Wannenbäder. An der Rückseite des Gebäudes befand sich zudem ein Vereinssaal für 350 Personen, in dem die 160 Mitglieder der Sängervereinigung regelmäßig übten.

Oscar Henschel hatte 1859 einen Arbeiterfortbildungsverein gegründet, dem 1905 eine Fortbildungsschule unter Sophie Henschel folgte. 1866 wurde eine Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse eingerichtet; 1887 der Henschelfonds für in Not geratene Arbeiter; und 1898 der Rekonvaleszentenfonds. 1870 wurde auch eine eigene Werksfeuerwehr mit 120 Mitgliedern aufgestellt. Sophie Henschel, die das Unternehmen von 1894 bis 1912 leitete, bleibt der Stadt besonders wegen ihrer Stiftungen in Erinnerung. Ungefähr 30 Mio. Euro gab sie für gemeinnützige Zwecke. Dank ihr konnten 1900 die Lungenheilstätte Oberkaufungen und 1908 das Rote-Kreuz- Krankenhaus in Wehlheiden eröffnet werden.

Was denkt man nun über so einen Wohltäter, der so viel für seine Belegschaft tat? Auf der anderen Seite produzierte diese Belegschaft (für ihn) Kriegsmaterialien und Fahrzeuge zur Deportation von Menschen in Konzentrationslager.

Südtirol Tag 23

20.10.2022 Donnerstag

09.15 Uhr verließen wir bei strahlendem Sonnenschein den Campingplatz Arquin in Lana. Rund 300 € kosteten uns die 6 Tage. Ob die Schwärmerei für Südtirol bis ins nächste Jahr anhält? Bis Bozen keine Probleme auf der Schnellstraße, das Gekreise in Bozen, bis man an der Mautstelle ankam und danach, bis man auf der Autobahn fuhr, verursachte beinahe Schwindel. Auf der Autobahn die bekannte LKW-Schlange, kaum einmal auf der rechte Seite gefahren, weil immer die Brummis zu überholen waren. Dafür behinderten Baustellen kaum das Fortkommen. Bei Sterzing und auf der österreichischen Seite fragte ich mich bzw. Jola, warum wir noch nie in dieser Gegend einen Aufenthalt geplant hatten. 6 € Maut in Italien, 10.50 € in Österreich. In Kufstein den Kiosk mit den Hähnchen gesucht und nicht gefunden, genervt weitergefahren, weil bis Erding es nur wenig länger als eine Stunde zu fahren war und wir dort ein Mittagessen einnehmen könnten. Dieselpreise in Österreich hatten in den drei Wochen stark angezogen, den Tank füllen lohnte sich nicht.

In Erding an der gewaltig wirkenden Therme ein gut gefüllter Parkplatz, auf dem Stellplatz für Wohnmobile freie Plätze sichtbar, zum Glück. Machten uns gleich mit den Rädern ins Zentrum auf, an der Therme vorbei führte ein Schotterweg, an den erinnerte ich mich vom letzten Aufenthalt hier. Im Zentrum das Gasthof zur Post gewählt. Durchgehend warme Küche, Motto aktuell „Kulinarische Reise von Bayern nach Südtirol“. Nur zwei Tische innen besetzt. Altehrwürdiges Gebäude, historisch im 16. Jahrhundert erstmals erwähnt. Die roten Stuhlpolster mit einem eingearbeiteten Posthorn versehen. Aßen Schnitzel „Post“ und „Südtirol“, beide gefüllt. Interessant war die Schnitzelauswahl auf der Speisekarte, vier Sorten Fleisch, nein drei, eine nannte sich „vegetarisch“, dazu die Wahl von drei Sorten Panade.

Danach Spaziergang, suchten die Lange Zeile, eine Straße, in der sich eine Sparda-Bank befinden sollte. Geld abgehoben. In einem Schuhgeschäft namens Schuhmode Gerlspeck ließ ich mich von einer modisch gekleideten Frau mit sehr bayrischem Dialekt bei der Wahl eines neuen Wanderschuhs beraten. Als es um die Frage der Schuhgröße ging, ich „48“ angab, runzelte sie die Stirn, verschwand ins Lager, brachte zwei Paar mit. Als „lustig“ empfand ich all die Ratschläge zur Zehenfreiheit, Art und Anzahl der Wandersocken, klimaaktives Material (Wasserdicht), weil am Tag zuvor gerade im Fernsehen ein Test darüber gezeigt wurde und genau diese Dinge angesprochen worden waren. Obwohl nur Größe 47, nahm ich das zweite Paar der Firma Meindl, erhielt, weil ich ein bisschen bohrte, das Paar Wandersocken für 20 € gratis dazu. Erding wird umflossen von den Flüssen Sempt (hier fließt sie) und Fahlbach, der Flughafen ist ca. 13 Kilometer entfernt.

Hübsche Innenstadt, markanter Punkt die Schrannenhalle von 1866, heute eine Filiale der örtlichen Sparkasse, bunte Häuschen (schon seit dem 19. Jahrhundert lockten sie Gäste an, u.a. Professoren mit ihren Studenten, die hier unter freiem Himmel malten), geschmackvolle Angebote, passte alles zu unserer Suche; wir fanden bei Gruber Bettwäsche für das WoMo. Gruber stand mehrfach an Gebäuden, eins ein gläsernes, das „Gruber Gewandhaus“ im Cityguide tituliert wurde, in dem Männer an Seilen innen (Bild) an metallenen Stützpfeilern emporkletterten, es handelte sich um Fensterputzer.

Um die Ecke ein weiteres Haus mit dem Namenszug „Gruber“, wobei mich die Auslagen in den beiden Schaufenstern diesmal mehr interessierten, Dessous. Mehr aber noch der Schriftzug „Büstenhalterei“ am Eingang.

Im Stadttor, eigentlich „Schöner Turm“ genannt, eine Manufaktur für Süßes, handgefertigte Pralinen etc. „Schoko oh“ (www.schokoh.de) der Name des Geschäftes. Kleines Gartencafé, wir blieben innen auf einer Eckbank sitzen. Ein Rumkugel teilten wir uns, Yoga-Tee und Kakao mit Chili als Getränke dazu. Zwei Zeitschriften zum Durchblättern, ein Titelbild die Seiser Alm, wie kommen noch nicht von Südtirol los.

In einer der Zeitschriften folgender Cartoon:

Muss nicht jeder lustig finden!

Aus einem Flyer zu dem Geschäft: 40 Jahre ein Café gewesen, danach Besitzerwechsel. Archäologische Ausgrabung, bei der Reste einer Stadtmauer freigelegt wurden, im Laden zu sehen. Außerdem ein Wandgemälde von Franz Xaver Stahl. Renovierung im Jahre 2011, seitdem kann man hier Fairtrade-Schokolade und selbstgemachte Pralinen kaufen.

Später einen Blick auf die Stadthalle geworfen, die Kastelruther Spatzen treten hier am 26.10. auf. Dann ökologisches Brot bei der Hofpfisterei gekauft, Rückfahrt auf Umweg zum Stellplatz. Es begann zu Tröpfeln.

Südtirol Tag 22

19.10.2022 Mittwoch

Das Ende dieser Reise in Südtirol rückte näher. Freuen konnten wir uns über das fast durchgängig schöne Wetter, das uns heute ebenfalls den ganzen Tag über beglückte. Jola saß früh am Tisch, hatte sich neu alte Zeitschriften besorgt und las „Klatsch und Tratsch“. Unser Tagesplan gefüllt, randvoll. Kurz an der Rezeption informiert (Busplan, Wandergelegenheit, Dauer), dann entschieden, zum Golfplatz mit den Rädern zu fahren, von dort auf dem Waalweg zu marschieren, hin und zurück, im Restaurant zu essen.

Gegen 09.30 Uhr radelten wir zu Kofler, quasi fast „um die Ecke“. Frau Kofler (ich gehe davon aus, dass sie es war) begrüßte mich mit den Worten „Du siehst so glücklich aus, geht’s nach Hause?“. Ich schien einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen zu haben, denn sie meinte „beim letzten Besuch hast Du noch gemeint, Du würdest in der Küche helfen“ (vermutlich bespaßte ich sie damals mit dem Satz „ich hätte nicht genug Geld dabei…“

Ob sie enttäuscht über meine Äußerung zu der Modernisierung ihres Verkaufsraumes war? Meine Späße treffen ja nicht immer ins Schwarze, ich lobte ihren alten „kuscheligen“ Laden, in dem es eng zuging, wo man bei viel Kundschaft noch auf der Treppe draußen warten musste, innen eine kleine Theke deren Wurst und Käse barg, an Stangen die Kaminwurzen hingen, von denen wir manchmal welche „gratis“ bekamen, sprich, geschenkt als Reiseverpflegung. Natürlich war der neue Verkaufsraum großzügiger, mehr Produkte konnten ausgestellt werden (bspw. Wein, Kaffee), eine große im Hintergrund beleuchtete Landschaft zierte eine ganze Wand. 130 € ließen wir für Lebensmittel da (ich vermute, wir sind nicht die schlechtesten Kunden), Kaminwurzen gab’s wieder gratis (2 Stück).

Paket im WoMo abgeliefert.

Auf zum Brandis Waalweg. Zu „Brandis“ sei anzumerken, dass es sich bei Brandis um ein sehr altes Tiroler Grafengeschlecht aus dem 13. Jahrhundert handelt. Nachfahren bemühen sich dato um den Erhalt ihrer alten Anlagen, u.a. Leonburg, die seit 2018 wieder als Wohnsitz genutzt wird.

Am Hotel Ballguthof vorbei, Jola versuchte vergeblich einen Blick auf die Neubauten zu erhaschen, später hatte sie mehr Glück. An einem Verkehrsschild im Brandisweg Räder angeschnallt. Den Waalweg kurz zwischen Anbauflächen hindurch beschritten, dann gleich auf Beton mühsam hoch zum Restaurant Waalrast, unser Endpunkt dieser Wanderung, wenn wir zurück wären. 30 Minuten, so hatte mir die Frau an der Rezeption auf dem Campingplatz erzählt, würde die Wanderung auf dem Waalweg dauern.

Für „Lahme“ wie uns (mich) wurden daraus 50 Minuten, allerdings auch, weil ich diverse Clips aufnahm und wir die phänomenale Aussicht genossen. Alles Weitere dürfen Leser aus den Videos entnehmen.

Kirche Maria Himmelfahrt (Schnatterpeckaltar)

An der Gampenstraße der Wendepunkt. Von hier oben erklärte es sich von selbst, warum die unten parallel verlaufende Straße Kirchweg hieß. Maria Himmelfahrt (Schnatterpeckaltar), St. Margarethen, Kloster Lanegg, Heilige Kreuz Kirche.

Maria Himmelfahrt, eine der schönsten spätgotischen Kirchen Südtirols mit dem größten gotischen Altar im Alpenraum, erstellt von Hans Schnatterpeck.

Wanderung jetzt entgegengesetzt, wie so oft, brachte andere Panoramen und Eindrücke. Ohnehin kann man solche Wege öfters gehen, den hier hatten wir vor einigen Jahren beschritten, und vieles bleibt beim nächsten Besuch doch wieder „neu“, weil Hirn hat vergessen. Beispielsweise begleitete ein Skulpturenpfad diesen und andere Waalwege.

Ein bisschen Teilhabe an unserer Sichtweise:

Vom Brandis Waalweg Blick auf Lana

Ein Werk aus dem Jahre 2003 bestand aus zwei Baumstämmen, geformt zu Sitzbänken, die unter der Sitzfläche ausgehöhlt waren. Dort lagen Zeitschriften und Bücher, vom Wetter stark in Mitleidenschaft gezogen, sprich „verwelkt“. Das Werk nannte sich „Your Books“.

Bis zur Waalrast benötigten wir etwas weniger Zeit. Dort saßen bereits etliche Wanderer / Spaziergänger bei Getränken und Essen. Uns bereits bekannt, gab es eine ansprechende Speisekarte, Jola blieb bei ihrer Speckknödelsuppe (1 Knödel), ich wählte „vegetarisch“, sprich, überbackene Zucchini, dazu Portion Pommes. Einen kleinen Teller Kaiserschmarrn wünschte Jola zum Nachtisch, den bekam sie. Heimfahrt, Jola wollte ins Schwimmbad, ich verzichtete aufs Plantschen.

Gegen 14.45 Uhr die Golfbags umgeschnallt, und ab ging die Post zum Golfplatz. Durften 15 Minuten früher starten. Hektisch ging es anfangs zu, zwei Bags auf einem Trolley, der ständig umzukippen drohte. Dieser Golfplatz mag mich nicht, spielte hier immer „schlecht“. Meine Trainerin (Jola) monierte meine Haltung, ich schaffte bis Loch 9 kaum eine Änderung, sprich Besserung. Die wenigen guten Schläge dürften an einer Hand abgezählt sein.

Die Dressing Area, wie es auf einem Schild zu lesen war, befand sich nunmehr in einem anderen Gebäude, quasi im Keller, allerdings die Räumlichkeiten recht großzügig bemessen. Warmes Wasser spendete die Dusche erst „nach Stunden“, da wähnte ich mich bereits erfroren.

Auf der Terrasse einen Kaffee, Jola einen Campari. 18 Uhr, Frische kam auf, Zeit für die Heimfahrt. Letzter Blick auf das gerade noch sonnenbeschienene Knottnkino.

Südtirol Tag 21

18.10.2022 Dienstag

Nicht für jeden von Interesse, aber nachts war unser Klo im WoMo voll, rotes Licht! Merklich abgekühlt hatte es sich, morgens musste ich mir Warmes auf dem Weg zu den Sanitäreinrichtungen überziehen. Die Erschöpfung des kräftezehrenden Vortages verblasste langsam, trotzdem beschlossen wir, es heute ruhig angehen zu lassen. Jola besuchte einen Supermarkt, erkundete die Warenwelt Südtirols. Um mich herum tauschte sich die Nachbarschaft aus, fast wie in einem Bienenstock wechselten die Wohnmobilisten. Glück mit dem Wetter, wieder ein Tag fast ungetrübten Sonnenscheins. Später einen Trip in den Ort, ich startete einen neuerlichen Versuch, Wanderschuhe zu erwerben. Bei Spitaler im Untergeschoss bediente der Chef eine Familie, deren jüngste Tochter Wanderschuhe anprobierte, das dauerte, führte am Ende zum Kauf. Zwischendurch bemühte er sich um mich, wenig Auswahl in meiner Größe, bzw. passten oder gefielen mir die vorgelegten Modelle nicht. Währenddessen kaufte Jola oben ein paar lammfellgefütterte halbhohe Stiefel. Ein zweiter Versuch in einem anderen Geschäft, andere Modelle, beinahe hätte ich mich entschieden, aber „vorne“ war mir doch zu wenig Platz für den großen Zeh. Zur Meraner Mühle trollte sich Jola allein, ich suchte nach weiteren Geschäften, fand am Kreisel eins, das aber erst im November wieder eröffnete. Heimfahrt, dabei Suche nach dem „Pfefferlechner“, einer Buschenschänke. Auf Umwegen gefunden, dumm, dienstags und mittwochs geschlossen. Für den Abend musste eine andere Alternative gefunden werden. Die Sonne mittlerweile so stark, da reichte ein kurzärmliges Poloshirt. 12.30 Uhr auf dem Campingplatz, Blick in den Pool, gefühlt, Wasser für gut befunden, Warmduscher wie ich würden den Einstieg wagen. Schnell die Badehose an, ab ins leere 10m-Becken. Diagonal schaffte ich zwischen 12 und 14 Züge. 40 Bahnen gezogen, dann duschen. Genaues Timing, die Reinigung im Sanitärtrakt gerade beendet.

Anschließend auf Pirsch mit Handy und Fotoapparat, um kurze Videos von der umliegenden Bergwelt zu drehen. Ganz glücklich war ich am Ende mit den Aufnahmen nicht. Wer will, mag die Sequenz sich ansehen.

Jola von der Meraner Mühle zurück, ohne da gewesen zu sein.

Nachmittags Lesezeit, Sonne so stark, Sonnenbrandgefahr! Suche nach einem Abendessen, Brandis am Golfplatz hatte ebenfalls dienstags geschlossen. Fanden mit der Buschenschänke Rebmannhof eine hoffentlich gute Alternative, ein Lokal, das wir bisher nicht kannten. Ohne Anruf oder Reservierung in den Kirchweg gefahren. Mit Glück ergatterten wir gegen 17.30 Uhr einen bereits reservierten Tisch, den wir bis 19 Uhr räumen mussten. Uriges Ambiente, außen konnten Gäste in einem riesigen Weinfass speisen, innen Kellerräume, eng ging es neben dem Tresen zu. Wir saßen an einer Art Hochtisch. Gleich neben uns führte eine Steintreppe in die Katakomben, anfangs nicht beleuchtet, erst als Gäste mit Reservierung kamen. Über dem Abgang ein Spruch „Zieh die (Bild einer Birne) ein“. Spareribs für uns beide bestellt, jeder ¼ Wein (rot und weiß). Aus meiner Erinnerung bezüglich Spareribs fand ich die heutige Portion in Ordnung, aber es war zu wenig Fleisch an den Knochen, das hätte ich schon anders erlebt. Jola gönnte sich zum Nachtisch zwei Kugeln Eis.

Südtirol Tag 20

17.10.2022 Montag

Was für ein Tagesbeginn, Sonne erstrahlte, der Goldene Oktober beglückte uns Südtirolreisende wieder einmal mit schönstem Wetter. Erkundigung gleich in der Früh an der Rezeption, ob es mit der Verlängerung klappen würde. Ein bisschen Getippe am Computer, die junge Frau schaute, sprach, ja, ein größerer Platz wäre frei geworden, die Umbuchung für den anderen Gast daher kein Problem und wir könnten auf unserem Stellplatz stehen bleiben. Prima!

Schnell noch ein Bild unseres Areals gemacht.

Blieben bei unserer gestrigen Überlegung, nachdem ich im Internet nachgeschlagen hatte, wann und ob die Gondel von Burgstall nach Vöran (Tschögglberg) hinauf fahren würde. Sie fuhr, wenn auch die Angaben etwas irritierten. An der Seilbahn werkelte ein Techniker an einer Gondel. Erinnerte mich an die „Bewertung“ im Internet zur Seilbahn: „1 1/2 Stunden umsonst hergefahren, ‚die Seilbahn führe‘, was wohl seit längerer Zeit nicht der Realität entsprach, so sein bissiger Kommentar“.

Es warteten schon drei Mountainbiker auf Einlass in die Gondel, an der elektronischen Anzeigetafel informierte diese die wartenden Fahrgäste, in 12 Minuten würde sie abfahren. Bezahlen musste man oben auf 1.204m Höhe an der Bergstation. Ungefähr 5 Minuten benötigte die Gondel für den Aufzug.

Fahren auf den Wanderwegen war für uns keine Option, blieben artig auf der Fahrstraße. Hier ein Teil der Tour von der Bergstation mit Höhenangaben, nur so, um sich einmal die 10 Kilometer lange Abfahrt später von Jenesien nach Bozen vorstellen zu können.

Die Fernsicht war, trotz leicht diesiger Sicht, phänomenal. Dieses Video soll mit den zusammengeschnittenen Bildern der ersten 9 zurückgelegten Kilometer einen Eindruck über unsere „Sicht“ vermitteln.

Etwas überrascht waren wir von den Zwischenphasen mit Steigung und Gefälle, aber die Straßenroute kannten wir ja auch nicht so gut, wie die Wanderwege, die wir in der Vergangenheit schon so oft beschritten hatten. Oberhalb von Mölten trafen wir einen einheimischen Mann, der uns ein paar Fragen stellte, ebenso wie wir ihm; woher, wohin, Corona, ist das Mölten dort unten, ist es nicht zu frisch, die Fahrräder…..

Eine Pause käme uns gerade recht, ich erinnerte mich an einen Gasthof mit Kirchlein, und Speckknödelsuppe. Wie hieß die Hütte nur? Am Parkplatz Schermoos fiel es mir wieder ein: „Langfenn“. Offensichtlich ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderer jeglicher Leistungsstärke, sprich, ein 20-minütiger Spaziergang zum Gasthof oder eine mehrstündige Wanderung auf dem E5 „Meraner Höhenweg“ bis nach Jenesien. Mit dem Rad erreichten wir etwas schneller als die Spaziergänger den Gasthof auf 1.257m, da war es ungefähr 12.40 Uhr. Wenige Gäste, insofern Platzauswahl frei. Die Sitzbank im Schatten noch ein wenig feucht. Die Servicekraft brachte auf Nachfrage Sitzkissen. Wie schon geschrieben, Speckknödelsuppe mit einem bzw. zwei Knödeln bestellten wir. Kaum stand Wein und Bier auf dem Tisch, füllte sich die Terrasse, alle Plätze besetzt. Während der Wartezeit aufs Essen schaute ich, wann die Seilbahn in Jenesien uns ins Tal befördern könnte. Böse Überraschung, die Seilbahn existierte seit einem Jahr nicht mehr und ein Neubau stockte wegen der Finanzierung, so Meldungen im Internet. Was nun? Die Servicekraft zuckte zu der Frage die Schultern, meinte „Bus“, die nähmen Radler meist mit. Jola neigte dazu, abzufahren, schön langsam…. Wie das wohl funktionieren sollte?

Aber gut, nach ¾ Stunde ging es weiter, jetzt auf dem schotterbewährten breiten E5. Märchenhaft die Aussichten, vielleicht der Namensgeber für ein Teilstück, das „Sagenweg“ hieß.

Kühe und Naturmotive boten neben den Märchenfiguren hübsche, teils skurrile Fotomotive.

Die 10 Kilometer in Serpentinen nach Bozen dürfen als fast anstrengender bezeichnet werden, als Steigungen zu überwinden. Ständiges Bremsen, dann waghalsige Überholmanöver von Autos auf enger Fahrbahn, nicht immer schlaglochfreier Asphalt nötigte uns vorsichtiges Steuern ab. Die Bremsen rauchten zwar nicht, aber ich wollte meine nicht überstrapazieren, ein Versagen auf so abschüssiger Fahrt könnte tödlich enden.

Wohlbehalten erreichten wir nach etlichen Tunneldurchfahrten (der längste 450m), hier nach einer davon,….

…. die Sarntaler Straße in Bozen, fast zu ebener Erde. An der Talfer in die Innenstadt, unsere Osteria geschlossen, öffnete erst wieder um 16.30 Uhr. Machte nix, Speckknödel sättigten ohnehin noch. Geschaut, was es Neues in Bozen gab, nix entdeckt. Doch, „Mona Lisa“, die Boutique existierte nicht mehr in den Lauben. Ich probierte bei Sportler Alpin ein Paar Wanderschuhe an, günstigstes Fabrikat im Laden für 99 €. Größe 47, doch mit meinen Einlegesohlen kamen sie mir zu eng vor.

Jola meinte, in Bozen fehlte die Grandezza, die schick angezogenen Männer und Frauen, das „Schwarz“ dominierte nicht mehr. Bei Monika an der Ecke Mustergasse fanden wir eine Pausenstation. Apfelstrudel und Streuselapfelkuchen darf man uneingeschränkt empfehlen. Leider vergällte uns eine Baustelle, an der ein Mann Erde lärmend maschinell verdichtete, den Aufenthalt. Jola wies vorsichtig auf ihren Akkuzustand hin, nur noch zwei Balken, ob wir nicht besser mit dem Zug fahren sollten. Zwei Balken reichen eigentlich für gut 40 Kilometer, mein Argument, was mit ebener Strecke zusätzlich begründet wurde.

Umfuhren die verkehrsreiche Stadt auf Radwegen, die an der Eisack entlang führten, rechts Spazierwege und laufend Spielplätze, alle stark frequentiert. Irgendwo verhaspelten wir uns, muss hier nicht unbedingt detailliert beschrieben werden. Gelangten auf den Radweg an der Etsch nach Meran (23 km). Jola legte ordentlich Tempo vor, vermutlich in dem Glauben, schneller voran, weiter kommen, falls Akku leer. Leer war er dann ungefähr bei Gargazon, ich gab Schiebehilfe, was etwas Entlastung für sie brachte. Erschöpft gegen 17.45 Uhr nach 61 Km am WoMo eingetroffen.

Südtirol Tag 19

16.10.2022 Sonntag

Schlief bis 09.20 Uhr, wie kam das? Die Antwort kennt nur der ….

Weil Sonntag, gab es ein Ei zum Frühstück. Nachdem ich mich über die Strecke per Rad nach Völlan informiert hatte, verzichteten wir auf das Pedaltreten, das sich unausweichlich auf eine Länge von 4 Kilometern bei 400 Höhenmetern ergeben hätte. Sonne pur und es war viel wärmer als gestern. Nahmen die Räder trotzdem, um bis zum Busbahnhof nach Lana zu kommen. Am Busbahnhof nirgends ein Hinweis auf den Shuttle-Bus. An der Straße an einer Haltestelle wartende Menschen, vielleicht ein Hinweis, dass dort der Bus abfährt. Richtigen Riecher gehabt, sprich, hier würden wir mitgenommen. Erst kam der grüne City-Bus, der Busfahrer wollte eine gekaufte Fahrkarte sehen; nein danke, dahinter ein Reisebus mit Zusatzschild im Fenster „Lana – Völlan“. Das passte ja gut, und Sitzplätze waren ebenfalls vorhanden. Strecke hoch Richtung Gampenpass, bei St. Georgen abgebogen nach Völlan. Nur gut, dass wir nicht mit dem Rad hier hinauf gegurkt waren. An der Endstation Ruine Mayenburg Rangiermanöver auf enger Straße. Der Busfahrer schob sein Fahrzeug hin und zurück, der Bus wippte auf und nieder, dann konnte er endlich drehen, halten und die Fahrgäste aussteigen lassen. Ein Schwall Menschen marschierte die gesperrte Ortsdurchgangsstraße hinauf zu den Festivitäten.

Bei bester Laune saßen die Besucher auf den klassischen Holzbänken an den Bierzelttischen im Freien bei heißen Kastanien, Traubensaft, Wasser oder Wein. Die Straßen säumten wieder die aus Lana bekannten Kunsthandwerkerstände, zumindest ein Teil stellte hier wieder seine Waren zum Verkauf. Vor dem Kindergarten spielte eine Kapelle, ordentlich in heimischer Tracht verpackt.

Gleich gegenüber das Bauern-Museum, in dessen Vorgarten Fahrzeuge und Gerätschaften zur Schau gestellt waren. Besucher durften Holzstämme mit alten Sägen gemeinsam mit einem versierten Einheimischen zerkleinern, wenn denn die Gäste die Technik beherrschen würden. Bei dem Jungen klappte es nicht so gut, ständig verhakten sich auf seiner Seite die Zähne im Stamm. Da half auch kein guten Zureden des Mannes, der den Hut auf hatte (im wahrsten Sinne des Wortes).

Jola büxte aus, wollte an einem Stand unbedingt Kastanienhonig kaufen, schien den richtigen Moment getroffen zu haben, ergatterte die letzten Gläser.

Ich bummelte indessen auf dem Gelände weiter ins Bauern-Museum.

In engen, dunklen Räumen war Gerätschaft aus dem vorvorigen Jahrhundert gesammelt, räumlich getrennt. In einem ehemaligen Schweinestall war die Backstube eingerichtet. Früher buk man lediglich sechsmal im Jahr Brot, erfuhr ich von dem „Bäcker“, der gerade Teig aus einem Plastikeimer kratzte und zu Fladen knetete.

Bügeleisen, Brotbackutensilien Getreidemühle etc.

Jola war verschwunden.

An der Straße versammelten sich Lederhosen, in der Regel erwartet man darin männliche Beine; hier einmal nicht zutreffend, die Mädels hatten die Lederhosen an. Wenig später demonstrierten sie vor Publikum einheimische Tänze, Schuhplattlern.

Natürlich brachen zu der Darbietung Begeisterungsstürme aus. Jola fand ich wenig später wieder, suchten zusammen unser Mittagessen aus, heiße Kastanien (5,50 €), ein Teller mit Kassler, Sauerkraut und Knödel (13 €) und zwei Gläsern Weißburgunder (6 €), für alles zusammen wollte der Mann an der Kasse 26,50 € haben, das gefiel mir überhaupt nicht; diesmal hatte ich nachgerechnet und zahlte selbstverständlich weniger. Plätze fanden wir in dem Gewusel irgendwann, neben vier über unseren schmackhaften Teller sich wundernden Gästen. Saßen in praller Sonne, pulten die Kastanien, die sich bei dieser Portion wesentlich leichter von der Schale befreien ließen. Die Jüngsten aus dem Dorf durften helfen, trugen verwaiste Pappteller, leere Gläser und sonstiges Benutztes, mal zielsicher, mal wankend, zu den Mülleimern oder zum Spülen.

Wir spazierten zur Kirche Sankt Severin, von wo aus man einen schönen Blick ins Tal und auf die Mayenburg hatte. Auf die im Prospekt angekündigte Exkursion mit dem Förster um 14 Uhr verzichtete ich.

Kurz vom Friedhof und Kirchengelände zur Ortsmitte gewandert, dort an zentraler Stelle in Völlan das Symbol fürs Keschtnriggln:

In Körben dieser Art werden die heißen Kastanien geschüttelt. Durch die raue Oberfläche des Korbgeflechtes löst sich die Schale.

Mehr zum Keschtnriggl: Keschtnriggl – Wissenswertes

Zurück auf einem der Festplätze verschwand Jola kurz in einem Gebäude. Während der Wartezeit erspähte ich zwei Jungs in Trachtenmontur, in den Händen merkwürdige Seile haltend, es waren Peitschen.

Jola zurück, wir uns einig, eine süße Nachspeise sollte bestellt werden. Jola orderte einen in heißem Öl gebackenen Kringel, solche wurden von diversen Frauenhänden in Massen geschaffen.

Fettige Angelegenheit, aber schmackhaft war’s gewesen.

Es knallte und mehrmals schallte ein Echo von den Bergwänden, die Bauernjungs mit den Peitschen zeigte ihre Kunst auf offener Straße.

Nach der Süßspeise marschierten wir, sonnenverwöhnt, zur Bushaltestelle zurück, dort nicht allein, was ein Wunder, auch andere waren satt, hatten genug Blasmusik gehört oder kamen vom Erlebnisweg „Kastanien“ zurück. Unruhig waren die Menschen, weil scheinbar niemand wusste, w a n n der Bus eintreffen würde und ob alle Fahrgäste mitgenommen werden würden. Ein Ordner mit Leuchtschrift „Völlan“ auf Brust und Rücken sorgte auf der Straße dafür, dass keine Fahrzeuge ohne Berechtigung am Verbotsschild vorbei in den Ort fuhren, was bei einigen Besuchern für Unmut zu sorgen schien. Dann kam der Bus, nein, nicht einer, gleich zwei hintereinander fuhren die Straße hoch. Wobei sich das komplizierte Wendemanöver von der Ankunft am Vormittag wiederholte. Nach weniger als ¼ Stunde waren wir wieder in Lana. Jola suchte und fand auf dem Campingplatz Schlosshof Bekannte aus Segeberg, die vor weniger als einer Stunde angekommen waren.

Seit rund 25 Jahren werden die Kastanienfeste in dieser Gegend traditionell meist ab der zweiten Oktoberwoche gefeiert.

Das Programm dazu für dieses Jahr unter: Meran – Südtirol Programm

Südtirol Tag 18

15.10.2022 Samstag

Arquin erwies sich als ausgesprochen ruhige Campingplatz-Anlage, trotz seiner Größe. Baumbestand, trotzdem keine Behinderung, Wasser direkt am Stellplatz, Sanitäreinrichtungen in der Nähe, alles gut durchdacht und sauber. Tagsüber starker Wechsel der Gäste, wahrscheinlich Abreise zum Wochenende. Für heute keinen größeren Plan, bei Kofler ein paar Würste gekauft, dann auf ausgeschilderten Radwegen ins Zentrum von Lana gefahren. Kleiner Umweg so, dafür fast ohne Autoverkehr. Streiften das Hotel Gschwangut, wo wir einmal Urlaub machten, blickten im Vorbeifahren in die Anlage der Gärtnerei Galanthus. Am Gries bei der Kapuzinerkirche angekommen, durften wir kurz teilhaben am Durchgangsverkehr auf Bozener Straße sowie Andreas-Hofer-Straße, wo Autos als endlose Karawane vorbei zogen. Im Zentrum mächtig Betrieb, sprich Besucher, ob Tourist oder Ansässiger, nicht immer unterscheidbar. In der Fußgängerzone links und rechts Stände einheimischer Kunsthandwerker und Gewerbetreibenden, „Event Markt Selbstgmocht“ hieß das Motto. Holzschnitzerei, Bretter aus Apfelbaumholz (schick!), Filzartikel, Düfte und Öle, Mützen, Stirnbänder, Schmuck aus gebrauchten Nespressokapseln usw. Hier versuchte sich ein Künstler an gefärbter Holzspäne in Wechselrahmen.

Der Laden mit der Bettwäsche war verschwunden, tauchte ein Stück oberhalb in einem neuen Gebäude jedoch wieder auf, altes Personal, weniger Artikel, unter neuer Leitung, wurde mir von einer Mitarbeiterin lächelnd erklärt. Bettwäsche unseres Geschmacks fanden wir nicht. In der Forst Brauerei bestellte ich für 13 Uhr einen Tisch, was sich später als überflüssig herausstellte. Auffällige Neuerungen waren in Lana nicht zu entdecken.

An der Ecke Am Gries / Griesplatz Musik, eine Jazz-Kobo spielte Live für ein 1/4 Weißwein, fünf Gläser, die ein Mann (der Sponsor?) auf einem Tablett heraus trug und auf ein Fenstersims abstellte.

In der Johan-Kravogl-Straße ebenfalls noch Stände, Verköstigung nennt man so etwas. Suser für 2,50 €, Maiskolben für 4 €, Spareribs oder Forelle mit Beilagen für 15 €. Kurz überlegt, ob lieber hier gegessen werden sollte, aber nein, wir blieben beim Forst Bräu.

Draußen vor der Tür schnitt ein Friseur willigen Kunden die Haare, hier telefonierte der Barbier noch dabei. Ein bisschen von der Bäckerei Schmiedl, die in Lana ein Ladengeschäft besaß, hier mit einem Stand vertreten war, Brötchen gekauft. Dann wurde die Nahrung im Forst Bräu im Biergarten eingenommen. Geschützt dieser durch große Schirme, dafür laut, weil an der Durchgangsstraße gelegen. Umfangreiches Pizzaangebot, Pizzateig aus Kamut oder Kastanienmehl als Neuheiten angepriesen, für ein Brauhaus eher ungewöhnlich. Ich bediente mich an der üblichen Speisekarte, wählte Fleisch in Form einer Haxe. Essbar, aber nach Verzehr bereute ich das üppige Mahl, der gebratene Ziegenkäse mit Datteln etc. wäre sicher eine gute Alternative gewesen. Schnell füllte sich der Biergarten, unterstützt von der örtlichen Jugendfußballmannschaft, die mehrere Tische belegte und den Lärmpegel bis zur Abspeisung merklich erhöhte. Als deren Pizzen auf den Tischen standen, sank die Phonzahl um ein Vielfaches. Zahlte mit Karte, musste dafür in das Brauhaus. Ich sortierte Diverses in meinen Hosentaschen, holte Geld hervor, ein 10 Cent-Stück fiel dabei auf den Boden. Ich alter Mann mit Kreuzschmerzen schaffte nicht die spontane Krümmung, schwupps, bückte sich ein kleines Mädchen, schnappte sich geschwind den 10er, schloss die kleine Hand und verschwand an der Hand ihrer Mutter im Biergarten. Sprachlos blieb der alte Mann zurück, „Raub auf offener Straße“, sollte ich um Hilfe rufen…. Irgendwie lustig, wie das Leben so spielt.

Danach brachten wir die Lebensmittel zurück zum WoMo. „Lazy afternoon“, nichts passierte mehr. Der Hochnebel behielt den Tag über die Oberhand, ließ der Sonne keinen Raum. Wie ein Glocke hing der Dunst in der Talebene.

Südtirol Tag 17

14.10.2022 Freitag

Nachts Regen, mal mehr, mal weniger. Ich ging gegen 00.00 Uhr in die Koje, hörte ständig ein Geräusch aus nicht all zu weiter Entfernung, wie wenn ein Metallhammer in unregelmäßigem Takt auf einen eisernen Hering schlug, um ihn in steinigen Boden zu schlagen. Nur wer würde so etwas um Mitternacht machen? Es ließ mir keine Ruhe, im wahrsten Sinne des Wortes, verhinderte das Klackern den Einschlaf. Was blieb mir übrig, aufstehen und nachsehen. Aus der Garage kam es nicht, aber unmittelbar daneben tropfte Wasser vom Dach des Wohnmobils, tropfenweise auf die Kunststoffstoßstange, damit war die Ursache erkannt. Das Geräusch ebbte bald ab, weil kein Regen mehr fiel. So viel zum frühesten Tagesbeginn. Morgens ein Blick aus dem WoMo, bewegtes Wasser im Pool, ein Frühschwimmer im kühlen Nass, nichts für mich. Mehr oder weniger gemütlich zusammengepackt, kurz vor 10 Uhr aus Tisens Richtung Lana abgefahren. Eigentlich mussten wir nur die Passstraße wieder hinunter. In Lana dann lotste mich das Navi außen um den Ort zum Feldgatterweg, war auch egal. Unser Platz noch nicht frei. Die Vormieter saßen noch gemütlich bei Kaffee vor ihrem Domizil. Bis 11 Uhr wäre ja auch Zeit. Zwischenparken auf dem Campingplatz, warten wollte Jola nicht so lange, der Meraner Freitagsmarkt lockte, vor allem sollte dort eine bestimmte Art Tücher erworben werden, die seien bisher so preiswert gewesen. Also schwangen wir uns auf unsere Räder, der Radweg nach Meran über viele Aufenthalte hier so verinnerlicht wie zu Hause der regelmäßige Weg zur Arbeit, gut, für mich seit über 6 Jahren gibt es ja keinen Arbeitsweg mehr.

Neu erschien uns die durchgängig gute Beschilderung mit den kleine roten Rechtecken, wo lang es zu fahren galt. Das Gelände mit der industriellen Apfelverarbeitung, immer sofort am Geruch wahrnehmbar, die Kaserne „Ugo-Plonia“, die jedes Mal verfallener daherkommt, die Pferderennbahn, der Campingplatz, der jetzt ja Living Meran heißt, alles voll, soweit ich das über den Zaun erkennen konnte. Die Leopardistraße, beim letzten Besuch und Durchfahrt hier, bestand sie aus einer einzigen unübersichtlichen Baustelle, heute fein asphaltiert und ein separater Radweg in beiden Richtungen. In der Freiheitsstraße schlichen uns die ersten Menschen mit vollbepackten Taschen entgegen, ein sicheres Zeichen, dass wir uns dem Marktgelände näherten. Nach Umfahrung des Kreisel Mozzini Platz regelte alsbald ein Polizist den Verkehr an einem Zebrastreifen. Artig wartete der Haufen Touristen auf die Freigabe des Übergangs. Ich löste meinen Akku, nahm das schwere Teil im Rucksack mit aufs Marktgelände. Ins Getümmel, nur nicht uns verlieren, ich hatte kein Handy dabei. Speck, Käse und Salami, Stände damit wohin das Auge reichte, und überall durfte man reichlich probieren. Die Standbetreiber drängten einen quasi zum Essen, hielten die Bretter weit über den Tresen hinaus. Ein älteres Frauchen (ja, älter als ich selbst!) schlug bei den frisch aufs Brett geschütteten Parmesanquadern gleich mehrmals zu. Jola wirkte leicht frustriert, nirgends die Tücher.

Ach ja, auf Bilder muss man auf dieser Seite für diesen Tag vergeblich warten, nix für Foto dabei gehabt.

Zurück zum Marktgeschehen: Ja, einen Stand entdeckte ich mit Tücher, an dieser Stelle verloren wir uns aus den Augen, obwohl ich gleich am nächsten Stand stand und wartete, ich wurde übersehen. Kann das überhaupt sein, mich übersehen? Ich schlenderte allein weiter, probierte hier, scharfe Salami, uff, bitte einen Schluck Wasser…, gab es nicht. Speck und Käse unbekannter Herkunft gekostet, und Jola tauchte wieder auf, immer noch ohne Tücher. Getrocknete Tomaten (6,50 €), geriebene getrocknete Tomaten, buntes Potpourri von Oliven (4,90 €) und Brötchen nebst Vinschgauern, alles wanderte, zusätzlich Gewicht mitbringend, in meinen Rücksack, der jetzt wie ein großes Stück Blei auf meinem Rücken hing. Wo waren noch mal die Tücher?, fragte Jola. Lotse musste ich spielen, diesmal ließ ich Jola nicht aus den Augen, schauten wie sie Tücher prüfte und dann eins nahm und bezahlte, ein Geschenk für …. (wer weiß, wer den Blog liest, vielleicht ein / eine Beschenkte(r)). Ach, ich vergaß, ein neuer Stretchgürtel schlang sich um meine schmale Taille, passend zur grünen kurzen Hosen. Einen Zehner löhnte ich dafür. Jetzt aber abtreten, weg vom Markt, in die Stadt zum Kurhaus, wo wir bei „Pur“ einen Imbiss zu uns nehmen wollten.

In der Meinhardstraße, neuerdings eine Fußgängerzone, wieder Stände, alles Kleidung, und…..Tücher. Ein Eldorado für Jola, die mich mit ihrer Suche auf eine harte Probe stellte, sprich, die Wartezeit machte mich ungeduldig, weil der Körper „Hunger“ signalisierte. Immerhin fand und kaufte sie ein weiteres Tuch.

Bei „Pur“ Hochbetrieb, draußen alle Tische besetzt, innen Gewusel von Touristen auf der Suche nach authentischen regionalen Produkten. Bestellung an der Bar, Jola besetzte den letzten freien Tisch, leider direkt neben den Eingängen zu den Toiletten. Ich orderte zwei „Dinkelfladen“, einen vegetarisch, den anderen mit Speck. Einen Weißburger und einen Pinot Noir, je 0,2 Liter. 0,2 Liter zur Mittagszeit, die Hälfte hätte es auch getan, das Quantum zu viel Alkohol stellte sich aber erst später heraus. Ich zahlte, erhielt einen kleinen Holzständer auf dem einen Nummer (35) geschrieben stand; „man würde uns finden, wir könnten uns irgendwo hinsitzen“, der lapidare Kommentar des jungen Mannes an der Kasse. Wir saßen, links und rechts strömten „bedürftige“ Menschen an uns vorbei und verschwanden hinter den WC-Türen, und lugten nach einem anderen freien Tisch. Umgesetzt, erst der Wein, dann die Fladen, schön in Portionshappen geschnitten, bestens geeignet zum Austausch untereinander.

Rückfahrt nach Lana, gleicher Weg, Räder gleich am Stellplatz geparkt und das WoMo umgesetzt. Alles passte, Empfang, gerade Stellfläche, genügend Platz, nicht weit zu den Sanitäreinrichtungen. Pausentee bzw. Kaffee, Lesezeit. Nix anderes mehr heute, …. außer dies hier schreiben!

Eine Anmerkung allgemeiner Art: Wer möglicherweise diesen Reisebericht mit allen Tagen gelesen hat, wird sich vielleicht wundern, dass des öfteren etwas von Leiden, Gebrechen, Schmerzen und körperlichen Einschränkungen geschrieben stand. Ein Klagen auf hohem Niveau, wie das? Als ehemaliger Marathonläufer, Badmintonspieler und fast lebenslanger Radfahrer, waren sportliche Aktivitäten „Normalität“. Jeden Tag eine Dosis „Auspowern“, im Urlaub wandern auf schmalen Steigen, klettern im Gebirge auf die Gipfel, mit dem Rad sonstwohin gestrampelt, bis der Hintern brannte. Da fällt es schwer, sich auf einen 30-minütigen Wanderweg zu begeben, der mit dem Zusatz „kinderwagengerecht“ tituliert wird und sich zu freuen, dass man das noch machen kann. Und am Ende scheint man sogar von so was noch erschöpft.

Südtirol Tag 16

13.10.2022 Donnerstag

Verzichteten auf eine Fahrt nach Bozen. Den Besuch könnten wir genau so gut von Lana aus machen. Stattdessen bewegten wir uns nach dem Frühstück mit den Rädern nach Prissian. Entschieden uns dort für einen leichten Marsch, den Schlosswanderweg.

Zur anderen Seite der Bergwelt Aussicht auf den Laugen (2.434m), der das Panorama dominierte und hier aussieht, als ob er Rauch ausbläst. Die Räder ließen wir an der Kirche St. Martin mit dem grünen Kirchturm stehen.

Gleich um die Ecke Katzenzungen, wo die älteste Weinrebe der Welt, genannt „Vesoaln“, – ja, das ist so richtig geschrieben – seit ca. 360 Jahre aus einem einzigen Wurzelstock gedeiht. 120 Fläschchen erbringt die Rebe an Wein im Jahr, so stand es in der Beschreibung. Die Schlossanlage war für Besucher allerdings geschlossen.

Der Schlösserweg bog rechts vor dem Gebäude auf einen Trampelpfad ab, an wohl relativ frisch gepfropften Apfelbäumen und Wein an steilen Hängen vorbei hinab, mit Blick auf das fruchtbare Etschtal und in der Ferne Teile Bozens, dessen Silhouette im diesigen Licht schimmerte. Schneckentempo würde junge Wanderer unser Fortkommen beschreiben, aber wir beide plagten uns mit Schmerzen in Fuß, Knie oder Hüfte. Nicht nur der steinige Untergrund erschwerte das Schritt halten, ebenso unangenehm waren die Schalen der Maronen / Kastanien oder die Walnüsse, auf denen man schnell ausrutschen konnte.

Der Abwärtstrend endete bald und wir gingen zur Straße hinauf, die wir überqueren mussten, um den Wanderweg zwischen den gelb belaubten Weinbergen fortzusetzen.

Oben bereits Teile der nächste Schlossanlage in Sicht, „Wehrburg“ genannt. Nur bis dort hinauf lagen noch einige mühsame Meter vor uns. Nach ein paar Windungen begleitete uns Hundegebell. Der Berner Sennenhund (Rüde, was deutlich sichtbar war!) stand zwischen Weinreben und bewachte aufmerksam das Grundstück, bellte, schien aber nicht besonders angriffslustig. Ich verständigte mich mit Hundesprache (hier keine Übersetzung), ob er mich richtig verstand, blieb unbeantwortet, denn seine Herrin rief ihn zu sich. Wir gerieten auf eine Zufahrtsstraße, die vor der Anlage endete. Einige Getränkekisten standen verwaist vor dem Eingang, warteten auf Abholung oder Tausch. Ein Schaukasten verriet, dass hier Familie Holzner Wein kelterte und von einer bestimmten Rebsorte lediglich 1.200 Flaschen abgefüllt würden, die nur im Restaurant ausgeschenkt würden. Das Restaurant befand sich im Schloss Wehrburg.

Jola wünschte, es war nicht einmal Mittagszeit, eine Kostprobe, was uns zum Zutritt ins Innere des Schlosses quasi legitimierte, obwohl an der Tür stand „keine Restauration, kein Zutritt“. Sie suchte einen Ansprechpartner, niemand zugegen, die Reinigungskraft wirkte so, als wenn sie uns nicht verstehen würde. Wenigsten ein Foto machte ich von den beiden beschriebenen Vierecktürmen.

Geschichtliches zur Wehrburg: Aus dem 13. Jahrhundert stammend, ging nach dem Aussterben der gleichnamigen Familie in den Besitz von Herren aus Adrian über, die hier fast 500 Jahre herrschten, bevor auch dieses Geschlecht keine erbberechtigten Nachkommen mehr besaß. Ein Gesandter der österreichischen k.u.k. Monarchie in Teheran erwarb das Anwesen und ließ es restaurieren. 1957 übernahm es die Familie Holzner und baute das Schloss zu einem Hotel um.

Wir trafen den Hausherren (hier noch ohne zu wissen, dass es sich um den „Hausherren“ handelte) zweimal, zuerst fragte ich ihn, ob die Spitze des Berges (ganz, ganz hinten) der „Hirzer“ sei und zeigte Richtung Norden. Erst kam ein „Ja“, dann korrigiert ein Nein, das sei der Iffinger, der Hirzer verstecke sich dahinter. Der Mann verschwand hinter dem Metalltor, wo ihn der Berner Sennenhund freudig empfing. Später kam der Mann mit der blauen Schürze wieder zurück, da sprachen wir ihn auf den Wein an, ob man von der raren Sorte Flaschen erwerben könnte. Ja, sicher könnte man das. Jola verschwand mit ihm in der Kellerei, der Hund schnüffelte gleich an ihr herum, „Toni“ wurde vom Hausherren „weggeschickt“, er befolgte die Anordnung unverzüglich. Mit einem schwarzen 2er-Karton kam Jola zurück, für mich eine Flasche Blauburgunder dabei. Jola mit dem Karton in der Hand wanderten wir weiter, trafen auf keine weiteren Schlösser, überlegten in Prissian, ob wir noch zur Zwingenburg hochfahren sollten, auf der Karte war ein „schöner Aussichtspunkt“ eingezeichnet. Der Weg schien nicht all zu weit. Ups, von Null auf Hundert, mussten in den Turbo-Modus schalten, und selbst damit ächzte das Rad unter der schwierigen Lage, sprich, zu weit nach hinten legen durfte man sich bei dieser Auffahrt nicht, wahrscheinlich würde es dann „hinten über“ gehen. Tapfer drehten wir die Pedalen, dann war plötzlich Ende Asphalt. Schöner Blick, aber mit dem Rad ging es hier nicht weiter hoch. Beine vertreten, versucht, die Burg irgendwo zu entdecken, was scheiterte. Umkehr und zurück ins Dorf. Dort wählten wir den „Oberen Wiesenweg“ für die Fahrt zurück nach Tisens. Der Weg verzweigte sich, Jola wähnte den Tirolerhof als einen Gasthof mit Bewirtung, leider ein Irrtum. Wieder ein Wanderschild mit der Aufschrift „Zwingenburg“, wieder ging der Weg aufwärts, noch asphaltiert, aber wer weiß, was hinter der nächsten Kurve wäre. Jola riskierte es, ich zog es vor, Richtung Tisens zu trudeln, denn es ging hier, wenn auch nur seicht, abwärts.

Blick über Wiesen auf die Bergseite mit dem Meraner Höhenweg etc. In Tisens an der Straße verdeckt durch parkende Lieferwagen eine Pizzeria namens Tisene. Zwei Mountainbiker kamen gerade heraus. „Schmeckte die Pizza?“, fragte ich ins Blaue hinein. Pizza hätten sie nicht gegessen, aber die Einheimischen kehren hier ein, das sei ein gutes Zeichen. Ich wartete, ich wartete, Jola tauchte nicht auf, war sie tatsächlich hoch zur Zwingenburg gefahren? Ja, war sie, so berichtete sie. Die Burg sei in Privatbesitz und geschlossen. 12 Uhr, wir bestellten Pizza, tranken ¼ Vernatsch und Espressi hinterher, lasen Zeitung und Zeitschriften und waren zufrieden. Und es war gut, das Essen hier gemeint. An den anderen Tischen ausschließlich Menschen in abgenutzte Montur, Arbeitsstiefel. Aber Dreigangmenü, Salat, Knödel und ?Kotelett? mit Pommes. Espresso an der Theke und dort wurde auch bezahlt.

Der Bäcker in Prissian hatte Mittagspause, kein Kuchen also; wir kehrten zum Campingplatz zurück. Jola verschwand auf eine Liege an den Pool und schlief eine Runde, später las sie im „Schokoladen-Buch“.

Ich knipste Bilder vom Stellplatz.

Zog meine Badehose an, sprang dann doch nicht ins Wasser, Sonne versteckte sich, ich mich auch, vor kaltem Wasser.

Unsere kombinierte Rad-/Wandertour heute ab Kirche St. Martin: