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Südtirol Tag 24

21.10.2022 Freitag

Froh eigentlich über das Vorhandensein der Sanitäreinrichtungen, konstatierte ich, dass diese optisch in die Jahre gekommen waren, rostige Heizkörper, abgebrochene Handtuchhaken, keine Seifenspender. Erding verließen wir gegen 09.15 Uhr. Am Horizont ein letzter Rest von Sonnenschein, der schon bald verblasste und Regen Platz machte. Regen fiel vom Himmel, alle Stauseen dürften heute wieder aufgefüllt worden und jeder Forst- oder Landwirt sollte zufrieden über die wässrigen Gaben von oben gewesen sein. Selbst mich störte das ständige Geprassel aufs Dach des Wohnmobils nicht, die rund 400 Kilometer Fahrt über war’s eigentlich egal wie’s Wetter ist. Die Scheibenwischer taten ihre Arbeit im gleichbleibenden Rhythmus, auf Bayern 2 liefen im Radio interessante Sendungen bspw. wie wichtig das Singen für das Wohlbefinden sei. Hörer meldeten sich zu Wort, meist Männer, einer merkte an, er hätte sich von einem unmusikalischen Menschen zu einem Chorsänger entwickelt. Ein anderer Mann schmetterte – für ihn eine Premiere – als Tenor auf Italienisch ein bekanntes Stück von Rigoletto, ein „Opa“ sang Kinderlieder, merkte an, durch Singen hätte er sogar eine Fremdsprache erlernt, worauf hin der Moderator erwiderte, ein britischer Parlamentarier hätte vor Jahren einmal einen Song der Beatles (Yellow Submarine) ins Lateinische übersetzt und begann eine Textzeile vorzusingen / -sprechen.

Die Sichtweite reichte bei dem Dauerregen meist gerade aus, um das Fahrzeug einigermaßen sicher steuern zu können, vom landschaftlichen Umfeld war kaum etwas zu sehen. Der immense Verkehr floss, erstaunlich, selbst an Baustellen keine Staus, dafür häufig die bekannten Geschwindigkeitsbeschränkungen. Wieso sind bloß in Deutschland die Autobahnstrecken in so einem schlechten Zustand? In der Nähe von Bamberg fuhr ich in Buttenheim zu einer nahe gelegenen Tankstelle ab, 2,119 € der Dieselpreis, tankte 20 Liter, um sicher in Eisenach ankommen zu können und hoffte auf günstigere Preise später. Prüfte den Luftdruck, ein Reifen braucht schon seit längerer Zeit immer etwas Nachschub, so auch jetzt. Jola schmierte mir unterdessen eine Stulle (Brot von der Hofpfisterei). Beine vertreten tat ganz gut.

In der gekauften Süddeutschen, bzw. im Magazin fand sich ein Nachruf auf den kürzlich verstorbenen Autor der wöchentlich im Magazin erschienenen Rätsel „Um die Ecke gedacht“. Jede Woche brachte er „seine Fans“ mit seinen verzwickten Fragen an den Rand der Verzweiflung, nun blieb die Rubrik im Magazin leer. Er stürzte auf tragische Weise in den Bayrischen Alpen beim Bergsteigen ab. Für viele Fans wird diese Lücke kaum zu schließen sein. Wer kann sich für ein einfaches Kreuzworträtsel schon solche verrückten Fragen ausdenken?

In Thüringen empfand ich die Fahrerei erneut als anspruchsvoll, 8%-ige und 10%-ige Gefälle oder Steigungen mussten bewältigt werden, Serpentinen ließen nur langsames Fahren zu. Gegen 14.45 Uhr bog ich von der Landstraße ab, Jola irritiert, denn es waren noch gut 10 Km bis Eisenach. Mein ihr gegenüber angegebenes Ziel, der Campingplatz, lag einsam etwa 1.500m in den Wald hinein am Altenberger See im Ortsteil Wilhelmsthal. Hier auf dem Platz bis 15 Uhr Mittagspause. Ich spazierte zum See, mehrere Wanderwege ausgeschildert, bis Eisenach 14 Kilometer, bei Regen kein tröstliches Unterfangen mit dem Rad dorthin zu fahren. Jola suchte nach einer Alternative, in Eisenach ein Stellplatz mit Stromversorgung in der Karl-Marx-Straße. Obwohl schon etwas erlahmt, nahm ich die Fahrt ins Ungewisse auf mich. Eisenach mit seiner Wartburg lag unweit vom bekannten Wanderweg „Rennsteig“ entfernt quasi in einem Tal, denn es ging die rund 10 Km meist bergab. Unterwegs ein Parkplatz und Wartende an der Bushaltestelle, offensichtlich Ausgangspunkt für Wanderer, die den Rennsteig erkunden wollten / erkundet hatten.

Gegenüber von Netto, nahe der Bahnstrecke der Stellplatz für ca. 8 Fahrzeuge, noch drei davon frei. Rangiert und eingeparkt. Erfreulich, zu diesem Zeitpunkt machte der Regen, hier zumindest, ein Pause. Drei Lokalitäten in unmittelbarer Nähe hatte ich im Internet gefunden, brauchbar, um dort eventuell feste Nahrung zu sich zu nehmen. Eisenach bot gleich ein ansehnliches Panorama von gut erhaltener Häusersubstanz, am Theaterplatz das Landestheater dominant,

am Platz davor eine Skulptur von Ernst Abbe, einem Physiker, der mit Zeiss die moderne Optik entwickelte. Das Lokal die Alte Schule daneben öffnete erst ab 17 Uhr, versprach auf der Speisekarte ein vielfältiges Angebot, kam auf meine Merkliste, ebenso das gegenüber in einer Seitenstraße befindliche Kartoffelhaus, das urig daherkam und draußen mit lustigen Sprüchen warb. Ebenfalls ab 17 Uhr geöffnet, ebenso der Grieche. So blieb Zeit, die Fußgängerzone abzuschreiten, ein Stück Kuchen (Zimtschnecke, nicht zu vergleichen mit denen in Schweden oder Norwegen) zu kaufen und sich nach Veranstaltungen zu erkunden.

Jola verschwand in einem Stoffladen, ich fotografierte das Haus, entdeckte eine Tafel mit Inschrift, danach hätte hier am 09.08.1869 August Bebel zusammen mit Wilhelm Liebknecht in dem damaligen Gasthof „Zum Mohren“ die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet.

In der gleichen Straßen ein Stückchen weiter las ich diesen Text einer Wandmalerei:

Über den Satz kann man nachdenken und vielleicht etwas daraus machen!?

In der Fußgängerzone erklang Gitarrenmusik, ein „Barde“ sang ein mir bekanntes Lied, dessen Name mir nicht einfiel, gute Cover-Version. Ein kleines Kind kam freudig angelaufen, warf eine Münze in den Kasten und schrammte mit den Fingern über die Saiten auf die bereitwillig ihm hingehaltene Gitarre. Nachwuchs in spe?

Ansonsten eher ein Warensortiment, was man aus anderen mittelmäßigen Einkaufsstraßen so kannte. Thalia, die Buchhandlung lockte mich, das Buch über Blanche Monet hatte ich gestern zu Ende gelesen. Und tatsächlich wurde ich fündig, ließ den schon ausgewählten und in die Hand genommenen Krimi zurück, kaufte das Buch mit dem Titel „Der Geschichten Bäcker“. Ob es an dem Aufkleber „Spiegel Bestseller“ lag oder an dem Wort „Bäcker“ in Zusammenhang mit „Geschichten“, der Klappentext versprach eine interessante Story. Ich werde jetzt hier nicht zu einem der Einflüsterer neuer Bücher, wie sie auf TikTok (Booktoker wie bspw. ‚Pastellpages‘ alias Saskia Papen) aktuell für Furore sorgen, quasi als männlicher Influencer. Einige dieser jungen Dinger hätten schon 200.000 Follower, so heute ein Bericht im Radio. Mehr Buchverlage folgen dem Trend und suchen eine Verbindung zur jungen Zielgruppe und den Influencer/innen.

Aufgeschnappter Gedanke, schon aus den ersten Seiten des Buches.

Man stelle sich vor, man sei ein Pflasterstein. Ein Pflasterstein bspw. inmitten vieler anderer Pflastersteine auf einem großen Marktplatz. Jeder Stein ist anders und doch fügen sie sich zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. Kein Stein fragte je, ob er sich an der richtigen Stelle befinden würde. Wäre das eigene Leben dieser eine Pflasterstein, befände man sich damit an der richtigen Stelle / dem richtigen Platz im Leben? Hat man also Einfluss auf d i e Stelle auf dem Marktplatz (in dem Leben)? Wer ist bei dieser Metapher der „Bauarbeiter“, der die Steine nebeneinander legt? Wonach wählte er aus?

Oder ist das eigene Leben eher wie ein Buch? Das weitergeschrieben werden muss, jede Stunde und jeden Tag. Und auf der nächsten leeren Seite erkennt man (vielleicht), dass man selbst der Autor ist, mit dem Schreiber in der Hand. Niemand sonst schreibt die Geschichte!

Am Markt das rote Rathaus, die Georgenkirche (in der Bach als Jugendlicher im Chor sang), das Stadtschloss mit der Tourist-Information. Im Hintergrund lugte Grünes hervor, das Roesesches Hölzchen, höchster Punkt dort gut 320m.

17 Uhr, jetzt hing der Magen doch schon in den Kniekehlen, also auf die Fortsetzung des Stadtrundganges zugunsten einer Mahlzeit verzichtet. Wir wählten den Kartoffelhaus in der Sophienstraße. Wieder alles reserviert, wieder ein Tisch bis 19 Uhr frei (wie in Lana). Einer Höhle gleich, vollgestellt mit altem Spielzeug, alten Gerätschaften, einem Moped „Schwalbe“, Baujahr 1973 sowie etlichen Figuren von Donald Duck und seinen Verwandten.

Jola bestellte eine „Karre Mist“, ich ein „Teufelswerk“, lustige Namen gaben sie ihren Gerichten hier seit gut 20 Jahren. Jolas Mistkarre (tatsächlich wurde das Gericht in einer kleinen Holzkarre gebracht) wurde mit einer brennenden Wunderkerze serviert, warum nur „der Mist“ beleuchtet wurde, erschloss sich mir nicht. Mir stellte man zu der Pfanne mit den Kartoffeln, Gemüse und Fleisch eine schwarze „Arbeitsfläche“ zusätzlich auf den Tisch. Auf dieser befanden sich ein paar Salatblätter, zwei Scheiben Radieschen. Auf der großen braune Flasche ein Etikett, mit „Durstlöscher“ waren die alkoholischen und alkoholfreien Getränke gemeint. Stupps nannte sich die Bier-Hausmarke, wir orderten die Version Kellerbier.

Rechtzeitig räumten wir unseren Platz gegen 18.15 Uhr, aber erst nachdem Jola ihre Nachspeise namens „Ostalgiebecher“ (Apfelmus, Schlagsahne und Eis), serviert in einem Einweckglas, verspeist hatte.

Das war’s. Morgen geht’s nach Kassel. Das ist dann „PRIVAT“.

Nun, die Fahrt nach Kassel darf ich als noch „öffentlich“ bezeichnen und möchte von einem Interview mit Ulrich Wickert im Hessischen Rundfunk berichten.

Der ex Mr. Tagesthemen Ulrich Wickert bewarb sein neustes Buch „Die Schatten von Paris“ auf der Frankfurter Buchmesse, Krimi Nr. 7 mit der zentralen Hauptfigur Untersuchungsrichter Jacques Ricou. Gewählt hatte er diese Figur, weil U-Richter eine ganz andere, mächtigere, Position im Rechtssystem in Frankreich einnehmen. Angeblich sollen sie so gut wie unbestechlich sein, eine bemerkenswerte Eigenschaft.

Wieso einen Untersuchungsrichter? Wickerts großes Vorbild sei der Privatdetektiv Philip Marlowe und in Frankreich sei die Position des Kommissars mit Maigret fest besetzt. Der Stoff für seine Krimis basiert meist auf realen Fällen, diese Grundlagen bieten dem Autor die Möglichkeit, die Wahrheit fiktional zu dehnen und anzupassen (vielleicht auch an die Wunschvorstellungen des Autors). Verstrickungen politischer Amtsträger seien hervorragende fiktive Figuren, man denke nur an Sarkozy, der derzeit mit elektronischen Fußfesseln herumlaufen muss oder Chirac, der zu 2,5 Jahren Haft auf Bewährung verurteilt war (und dessen Partei die Kaution bezahlte).

Er selbst brachte in einem anderen Zusammenhang in dem Interview seinen legendären Satz „Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht“ ins Spiel. Von 1991 bis 2006 moderierte er die Tagesthemen und benutzte diesen Satz für die Verabschiedung am Ende seiner Sendung. Wie kam es dazu? Nach den oft „schlechten“ Nachrichten, die er zu verkünden hatte, glaubte er, mit „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht“ nicht den richtigen Abschluss gefunden zu haben. PS: Damals war nach den Tagesthemen Sendeschluss! Er bemühte eins seiner vielen Wörterbüchern und Nachschlagewerke aus seinem Regal, in diesem Fall ein Wörterbuch der Synonyme und fand für „gute Nacht“ den Begriff „geruhsame Nacht“, der ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein schien („Postkutschenzeit“). Trotzdem sympathisierte er mit diesem Wort, meinte, es sei wichtig, dass alte Sprache fortleben sollte. Als er den Satz erstmals am Ende der Nachrichten sprach, verdrehten die Kollegen in der Redaktion die Augen. Doch er blieb standhaft und so etablierte sich dieser Satz zu einer Einheit mit der Person Ulrich Wickert. Einmal vergaß er wohl fast dieses Ende, da flüsterte die Stimme aus der Regie ihm, „Herr Wickert, Sie haben etwas vergessen?“.

In Kassel schon oft gewesen, diesmal machten wir einen Spaziergang durch das Uni-Gelände. Moderne Architektur wechselte sich hier – auch nach so vielen Jahren (1971 begann der Bau der Universität) immer noch – mit verrotteten Industriebauten ab. Die Industriebauten gehören zu Überbleibseln einer ehemaligen Maschinenbau-Dynastie namens Henschel. Lokomotiven, Kanonen und Nutzfahrzeuge produzierte das Unternehmen. Interessant dabei, dass während der nationalsozialistischen Herrschaft Juden in Waggons deportiert wurden. Ein Mahnmal „Die Rampe“ erinnert auf dem Uni-Gelände an diese Ereignisse.

Frieden stiften sollte diese Dame, die hier auf einer Bank im etwas vernachlässigten Campus-Biogarten saß und auf ….. wartete.

Bei unserem Spaziergang traf ich an der Ysenburgstraße auf eine Gedenk- bzw. Informationstafel zu Henschels Arbeiterhäusern. Den nachfolgenden Text entnahm ich aus dieser Info-Tafel.

Henschel in Kassel, Dynastie mit dem Bau von Lokomotiven und Kanonen, kaufte diverse Häuserblocks in der Ysenburgstraße. Universität baute ab 1971 auf dem Gelände ihre Institute, Reste noch heute aktuell, teils genutzt (K19), Deportation von Juden → Denkmal BILD.

Bereits unter dem Vater Georg Alexander „Carl“ Henschel (1810-1860) wurde der Schwerpunkt der Produktion ab 1845 auf die Herstellung von Dampflokomotiven gelegt. Das 1837 am Möncheberg gebaute Werk expandierte schnell und hatte bei Übernahme durch Oskar Henschel bereits 2.500 Mitarbeiter. Da für die vielen Mitarbeiter nicht genügend Wohnraum in der Altstadt von Kassel zur Verfügung stand, wurde am Schützenplatz zwischen Franzgraben und Bleichen ein Grundstück erworben und mit dem Bau einer Arbeitersiedlung begonnen. Diese älteren Henschelhäuser wurden 1867 fertiggestellt. Zwischen ihnen wurde um 1901 der erste Teil der heutigen Ysenburgstraße angelegt, die an den Prinzen Johann Casimir von Isenburg-Birstein (1715-1759) erinnert. 1904 führte die Straße bereits bis zur Weserstraße und 1910 zur Moritzstraße auf dem Möncheberg. 1908 wurde die Hafenbrücke gebaut, was die Ysenburgstraße zu einer wichtigen Verbindung über die Fulda machte. Etwa zu dieser Zeit entstanden unter Sohn Karl auch die neueren Henschelhäuser am Franzgraben (unten).

Inmitten der älteren Henschelhäuser wurde 1902 das „Wohlfahrtshaus“ errichtet. Im Erdgeschoss befand sich links eine Kleinkinderschule und darüber eine Haushaltungsschule. Der Besuch dieser Einrichtungen war kostenfrei und sollte die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Im Erdgeschoss rechts war auch eine Badeanstalt mit separatem Zugang untergebracht. Dort gab es Waschräume sowie Brause- und Wannenbäder. An der Rückseite des Gebäudes befand sich zudem ein Vereinssaal für 350 Personen, in dem die 160 Mitglieder der Sängervereinigung regelmäßig übten.

Oscar Henschel hatte 1859 einen Arbeiterfortbildungsverein gegründet, dem 1905 eine Fortbildungsschule unter Sophie Henschel folgte. 1866 wurde eine Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse eingerichtet; 1887 der Henschelfonds für in Not geratene Arbeiter; und 1898 der Rekonvaleszentenfonds. 1870 wurde auch eine eigene Werksfeuerwehr mit 120 Mitgliedern aufgestellt. Sophie Henschel, die das Unternehmen von 1894 bis 1912 leitete, bleibt der Stadt besonders wegen ihrer Stiftungen in Erinnerung. Ungefähr 30 Mio. Euro gab sie für gemeinnützige Zwecke. Dank ihr konnten 1900 die Lungenheilstätte Oberkaufungen und 1908 das Rote-Kreuz- Krankenhaus in Wehlheiden eröffnet werden.

Was denkt man nun über so einen Wohltäter, der so viel für seine Belegschaft tat? Auf der anderen Seite produzierte diese Belegschaft (für ihn) Kriegsmaterialien und Fahrzeuge zur Deportation von Menschen in Konzentrationslager.

Südtirol Tag 17

14.10.2022 Freitag

Nachts Regen, mal mehr, mal weniger. Ich ging gegen 00.00 Uhr in die Koje, hörte ständig ein Geräusch aus nicht all zu weiter Entfernung, wie wenn ein Metallhammer in unregelmäßigem Takt auf einen eisernen Hering schlug, um ihn in steinigen Boden zu schlagen. Nur wer würde so etwas um Mitternacht machen? Es ließ mir keine Ruhe, im wahrsten Sinne des Wortes, verhinderte das Klackern den Einschlaf. Was blieb mir übrig, aufstehen und nachsehen. Aus der Garage kam es nicht, aber unmittelbar daneben tropfte Wasser vom Dach des Wohnmobils, tropfenweise auf die Kunststoffstoßstange, damit war die Ursache erkannt. Das Geräusch ebbte bald ab, weil kein Regen mehr fiel. So viel zum frühesten Tagesbeginn. Morgens ein Blick aus dem WoMo, bewegtes Wasser im Pool, ein Frühschwimmer im kühlen Nass, nichts für mich. Mehr oder weniger gemütlich zusammengepackt, kurz vor 10 Uhr aus Tisens Richtung Lana abgefahren. Eigentlich mussten wir nur die Passstraße wieder hinunter. In Lana dann lotste mich das Navi außen um den Ort zum Feldgatterweg, war auch egal. Unser Platz noch nicht frei. Die Vormieter saßen noch gemütlich bei Kaffee vor ihrem Domizil. Bis 11 Uhr wäre ja auch Zeit. Zwischenparken auf dem Campingplatz, warten wollte Jola nicht so lange, der Meraner Freitagsmarkt lockte, vor allem sollte dort eine bestimmte Art Tücher erworben werden, die seien bisher so preiswert gewesen. Also schwangen wir uns auf unsere Räder, der Radweg nach Meran über viele Aufenthalte hier so verinnerlicht wie zu Hause der regelmäßige Weg zur Arbeit, gut, für mich seit über 6 Jahren gibt es ja keinen Arbeitsweg mehr.

Neu erschien uns die durchgängig gute Beschilderung mit den kleine roten Rechtecken, wo lang es zu fahren galt. Das Gelände mit der industriellen Apfelverarbeitung, immer sofort am Geruch wahrnehmbar, die Kaserne „Ugo-Plonia“, die jedes Mal verfallener daherkommt, die Pferderennbahn, der Campingplatz, der jetzt ja Living Meran heißt, alles voll, soweit ich das über den Zaun erkennen konnte. Die Leopardistraße, beim letzten Besuch und Durchfahrt hier, bestand sie aus einer einzigen unübersichtlichen Baustelle, heute fein asphaltiert und ein separater Radweg in beiden Richtungen. In der Freiheitsstraße schlichen uns die ersten Menschen mit vollbepackten Taschen entgegen, ein sicheres Zeichen, dass wir uns dem Marktgelände näherten. Nach Umfahrung des Kreisel Mozzini Platz regelte alsbald ein Polizist den Verkehr an einem Zebrastreifen. Artig wartete der Haufen Touristen auf die Freigabe des Übergangs. Ich löste meinen Akku, nahm das schwere Teil im Rucksack mit aufs Marktgelände. Ins Getümmel, nur nicht uns verlieren, ich hatte kein Handy dabei. Speck, Käse und Salami, Stände damit wohin das Auge reichte, und überall durfte man reichlich probieren. Die Standbetreiber drängten einen quasi zum Essen, hielten die Bretter weit über den Tresen hinaus. Ein älteres Frauchen (ja, älter als ich selbst!) schlug bei den frisch aufs Brett geschütteten Parmesanquadern gleich mehrmals zu. Jola wirkte leicht frustriert, nirgends die Tücher.

Ach ja, auf Bilder muss man auf dieser Seite für diesen Tag vergeblich warten, nix für Foto dabei gehabt.

Zurück zum Marktgeschehen: Ja, einen Stand entdeckte ich mit Tücher, an dieser Stelle verloren wir uns aus den Augen, obwohl ich gleich am nächsten Stand stand und wartete, ich wurde übersehen. Kann das überhaupt sein, mich übersehen? Ich schlenderte allein weiter, probierte hier, scharfe Salami, uff, bitte einen Schluck Wasser…, gab es nicht. Speck und Käse unbekannter Herkunft gekostet, und Jola tauchte wieder auf, immer noch ohne Tücher. Getrocknete Tomaten (6,50 €), geriebene getrocknete Tomaten, buntes Potpourri von Oliven (4,90 €) und Brötchen nebst Vinschgauern, alles wanderte, zusätzlich Gewicht mitbringend, in meinen Rücksack, der jetzt wie ein großes Stück Blei auf meinem Rücken hing. Wo waren noch mal die Tücher?, fragte Jola. Lotse musste ich spielen, diesmal ließ ich Jola nicht aus den Augen, schauten wie sie Tücher prüfte und dann eins nahm und bezahlte, ein Geschenk für …. (wer weiß, wer den Blog liest, vielleicht ein / eine Beschenkte(r)). Ach, ich vergaß, ein neuer Stretchgürtel schlang sich um meine schmale Taille, passend zur grünen kurzen Hosen. Einen Zehner löhnte ich dafür. Jetzt aber abtreten, weg vom Markt, in die Stadt zum Kurhaus, wo wir bei „Pur“ einen Imbiss zu uns nehmen wollten.

In der Meinhardstraße, neuerdings eine Fußgängerzone, wieder Stände, alles Kleidung, und…..Tücher. Ein Eldorado für Jola, die mich mit ihrer Suche auf eine harte Probe stellte, sprich, die Wartezeit machte mich ungeduldig, weil der Körper „Hunger“ signalisierte. Immerhin fand und kaufte sie ein weiteres Tuch.

Bei „Pur“ Hochbetrieb, draußen alle Tische besetzt, innen Gewusel von Touristen auf der Suche nach authentischen regionalen Produkten. Bestellung an der Bar, Jola besetzte den letzten freien Tisch, leider direkt neben den Eingängen zu den Toiletten. Ich orderte zwei „Dinkelfladen“, einen vegetarisch, den anderen mit Speck. Einen Weißburger und einen Pinot Noir, je 0,2 Liter. 0,2 Liter zur Mittagszeit, die Hälfte hätte es auch getan, das Quantum zu viel Alkohol stellte sich aber erst später heraus. Ich zahlte, erhielt einen kleinen Holzständer auf dem einen Nummer (35) geschrieben stand; „man würde uns finden, wir könnten uns irgendwo hinsitzen“, der lapidare Kommentar des jungen Mannes an der Kasse. Wir saßen, links und rechts strömten „bedürftige“ Menschen an uns vorbei und verschwanden hinter den WC-Türen, und lugten nach einem anderen freien Tisch. Umgesetzt, erst der Wein, dann die Fladen, schön in Portionshappen geschnitten, bestens geeignet zum Austausch untereinander.

Rückfahrt nach Lana, gleicher Weg, Räder gleich am Stellplatz geparkt und das WoMo umgesetzt. Alles passte, Empfang, gerade Stellfläche, genügend Platz, nicht weit zu den Sanitäreinrichtungen. Pausentee bzw. Kaffee, Lesezeit. Nix anderes mehr heute, …. außer dies hier schreiben!

Eine Anmerkung allgemeiner Art: Wer möglicherweise diesen Reisebericht mit allen Tagen gelesen hat, wird sich vielleicht wundern, dass des öfteren etwas von Leiden, Gebrechen, Schmerzen und körperlichen Einschränkungen geschrieben stand. Ein Klagen auf hohem Niveau, wie das? Als ehemaliger Marathonläufer, Badmintonspieler und fast lebenslanger Radfahrer, waren sportliche Aktivitäten „Normalität“. Jeden Tag eine Dosis „Auspowern“, im Urlaub wandern auf schmalen Steigen, klettern im Gebirge auf die Gipfel, mit dem Rad sonstwohin gestrampelt, bis der Hintern brannte. Da fällt es schwer, sich auf einen 30-minütigen Wanderweg zu begeben, der mit dem Zusatz „kinderwagengerecht“ tituliert wird und sich zu freuen, dass man das noch machen kann. Und am Ende scheint man sogar von so was noch erschöpft.

Südtirol Tag 07

04.10.2022 Dienstag

Wie schon befürchtet, die Wanderung wirkte bei mir nach, humpelte morgens zum Kiosk, um Brötchen zu holen. War es Muskelkater oder „die Hüfte“? Jola arrangierte nach dem Frischmachen den Aufenthalt für einen weiteren Tag hier, allerdings mit einem kleinen Umzug verbunden. Platz 129, günstiger gelegen, schönerer Blick und mehr Sonne.

Nach der Installation radelten wir nach Seis, laut Aushang fand dort heute der Bauernmarkt statt. Vor der Tourist-Info drei Stände, die Speck und Gemüse anboten, das war’s auch schon.

O.k., diese Fahrt war somit lediglich zum Warmmachen gedacht. Völs kannten wir noch nicht, also fuhren wir die Strecke zurück, um dann die Fahrt ins knapp 4.5 km entfernte Völs fortzusetzen. Meist ging es bergab, Ortsteil St. Anton, dann nach ca. 2 Km in der Handwerkerzone an der Kaffeerösterei Caroma vorbei. Ein ganzes Schaufenster voller Kaffeemühlen (Ausschnitt).

Rund 80 Höhenmeter befanden wir uns nun näher zur Erde. Bald darauf tauchte Völs mit dominanter Kirche auf einem Hügel auf. In Völs gab es nicht viel zu entdecken, ein kleiner historischer Altstadtkern, sonst nichts Bemerkenswertes, vielleicht auch, weil, ich weiß auch nicht, eben langweilig. Vorschlag von uns beiden, wir erkunden den Völser Weiher, der unterhalb des Schlern lag und mit dem Rad erreichbar schien. Wir folgten dem Wanderweg Nummer 1, steile Auffahrt, dann mündete der Weg kurz in einem schmalen Schotterbett. Sollten wir da hinauf, und wenn ja, wie ging es danach weiter. Straße rauf und runter nach Hinweisen Ausschau gehalten. Jola erfuhr von einer Einheimischen, ja, man können den Wanderweg auch mit dem Rad befahren. Wir glaubten es, schoben erst, dann auf geteertem Wege ein noch steileres Stück im Hamsterrad-Modus abgestrampelt. Jola legte eine Zwischenpause ein, verschnaufen! Wanderer mit Stöcken kamen mir entgegen.

Oben am Ortsende führte der Weg auf hellem Schottergestein weiter, vorbei an einer Wiese, auch hier noch Kühe beim Grasen, und immer wieder der Schlern dominant als Panoramahintergrund, weiter durch ein Stück mit Baumbestand. Dann mit Schilf oder ähnlichem Gestrüpp zugewachsenes Areal, an das sich der Weiher anschloss. Badestege, Hotelanlage und am Wegesrand ein Gasthof. Der kam gerade zur rechten Zeit, offensichtlich nicht nur für uns, denn fast an allen Tischen waren die Stühle besetzt.

Am Uferrand Kunst aus totem Baumstamm, vogelartige Gebilde, als Sitzbänke ausgearbeitet. Schnell fanden wir von der Speisekarte etwas für unseren Geschmack. Die Bedienung war flott unterwegs, das Mineralwasser kam unmittelbar nach der Eingabe in das Bestellsystem, ein ¼ Roter Vernatsch wurde dazu bestellt. Kartoffelsuppe, Kürbisquiche und Schupfnudel zum Abschluss versorgten uns genussvoll mit neuer Energie.

Günstige Lage des Gasthofes, Rundweg um den See und Wanderweg nach St. Konstantin führten unmittelbar vorbei, dann noch die Biker. Nach St. Konstantin mussten wir unsere Fahrt fortsetzen. Erstaunlich, dass es auf der Strecke ausschließlich bergab ging und zwar so steil, dass Jola vorsichtshalber ihr Rad ein Stück schob. Heute schien Wandertag zu sein, mehrmals trafen wir Gruppen von Kindern an. „Achtung Radfahrer“ rief eine Begleitperson (Lehrerin oder Kita-Angestellte), die Kids machten mir bei der langsamen Fahrt Platz. Ein Schrei, eine Begleitperson in Aufregung, am Boden ein Kind, Schmerzen, was war passiert? Vermutlich beim Spielen gestürzt, es hielt sich die Hand. Die umherstehenden Kinder wurden verscheucht, das Kind aufgerichtet, alles wohl wieder gut.

Von hier ab asphaltierter Weg, aber immer noch einen Geschwindigkeitsrausch befördernd.

Unten an der Hauptstraße angekommen diese überquert und schon war der Campingplatz in Sicht. Mir blieb an der Zufahrt zum Campingplatz die Herde Schafe auf der Wiese auf, wohl auch deshalb, weil darunter viele „Schwarze“ waren. Das sogenannte „Schwarze Schaf“ als Nachwuchs, gleich in Mehrfachausfertigung.

Am WoMo begann dann der Kampf um eine Übernachtungsmöglichkeit für die nächsten Tage, was sich als mittelschwere Herausforderung darstellte. Diverse Absagen, unpassendes Terminangebot, zu weit abseits.