Emotionsloser Abschied von diesem Campingplatz, der schon mal bessere Zeiten erlebt haben musste. Crailsheim, Bad Mergentheim, auf die Autobahn Richtung Würzburg, dann auf die A3 nach Frankfurt.
Entgegen der Anweisungen des Navi blieben wir bis zur Abfahrt „Walldorf“ auf der Autobahn. Fanden den Parkplatz für Busse bei der Messe, auf einer mit gespaltenem Betonsteinen auf einer Rasenfläche standen bereits WoMos von „Bücherfreunden“. 10 € kostete das Tagesticket, mit dem man über Nacht stehen bleiben durfte. Es gab einen kostenlosen Shuttle-Bus, trotzdem nahmen wir die Räder, ein bisschen Bewegung nach vier Stunden Fahrt tat uns gut. Nirgends ein Hinweisschild, wo es zur Buchmesse ging. Natürlich standen wir am falschen Ende, umkreisten eine Baustelle, strampelten zwischen Hochhäusern, hohen Wohnblocks und Geschäftsgebäuden vorbei auf die Skyline Plaza zu. An der Kasse kaum angestanden, schenkte mir eine Frau einen Coupon aus der BILD für vergünstigten Eintritt, gerade zur rechten Zeit. Statt 22 € (Normaleintritt, was für für völlig überhöht fanden), bzw. 15 € für Pensionäre brauchte ich jetzt nur insgesamt 15 € Eintritt für zwei Karten bezahlen (vielen Dank an die unbekannte Spenderin). Das Gelände erschien uns größer in Hamburg. Hier tummelten sich die Lesebegeisterten oder Medieninteressierten oder vielleicht auch nur Schaulustige. Neben diesen Gruppen fielen besonders die verkleideten Jugendliche auf, die sich wohl jeweils an einem speziellen Motto, einer Fantasie-Serie, Mangas oder Film (Der kleine Hobbit etc.) orientierte.
Auf einer Open-Air-Bühne trat um 15 Uhr Nele Neuhaus auf, stellte ihre Black Stories zusammen mit einer Moderatorin vor. Sie bot dem begeisterten Publikum ein paar der Kärtchen zum Mitmachen an, worauf die vielen Fans enthusiastisch reagierten. Der erste Fall wurde relativ schnell gelöst, der jungen Mann sich über den Gewinn (ein komplettes Spiel).
In der ersten besuchten Halle trafen wir sogleich auf die geballte Macht des Lesepublikums, dicht gedrängelt schoben sich Menschen aus aller Herren Länder durch die Reihen der Verlagsstände. Jan Weiler und Ulrich Wickert saßen schwatzend an Stand, an dem Andrea Sawatzki ihren Fans geduldig lächelnd Autogramme gab. Insgesamt ein überwältigendes Angebot, nur ich schaffte es nicht, auch nur eine Zeile in einem der ausgestellten Bücher zu lesen. Neben bekannten Gesichtern saßen für mich unbekannte Autoren ebenfalls vor ihren aktuellen Büchern, signierten diese artig für die in der Schlange stehenden Fans, ließen sich mit diesen zusammen für ein Selfie ablichten.
Wieder auf dem Campus, hier ein Blick von einer der Terrassen, stellten sich die verkleideten in Pose, für andere, für ihre Freunde oder für Berufsfotografen. Vom Yogi-Tee gab es eine Lesehalle, alle 30 Minuten las ein Autor aus seinen Werken, in dieses Zelt gelangten wir wegen Überfüllung nicht.
Der Pavillon des Gastlandes Norwegen enttäuschte ein bisschen, wieder auf dem Freigelände kauften wir uns Pommes, ich dazu Fisch.
In Grüppchen saßen die Elfen, Monster, Drachen und Hobbits herum, liefen oder posierten.
Diese junge Frau links im Bild wurde von einem Fotografen gebeten, sich extra für eine Aufnahme hinter die Glasscheibe zu stellen.
In einem extra Container saßen die Buchpreisträger dieses Jahres, aus verschiedenen Richtungen standen in langen Schlangen geduldige Autogrammjäger an.
Gegen 18 Uhr erlahmte unser Interesse genau so wie unsere Füße. Um 18.30 Uhr wäre ohnehin Schluss gewesen.
Wir nächtigten auf dem Parkplatz zusammen mit rund zwanzig anderen Wohnmobilen. Für ein Areal, umgeben von Einfallstraßen, blieb der Geräuschpegel moderat und die Nacht verlief relativ ruhig.
20.10.2019 Sonntag
Morgens wanderte ich zum Ibis Hotel gegenüber, erfragte den Preis für ein Frühstück. 12 € für Externe. Reges Treiben in der Lobby von Abreisenden, meist weiblicher Natur. Warum nur?
Woanders hin? Aber wohin für ein Frühstück, ohne ganz Frankfurt durchfahren zu müssen? Wir beließen es bei der „Nahversorgung“, gingen gegen 9 Uhr hinüber, ich zahlte an der Rezeption die 24 €, womit wir „freien Eintritt“ hatten. Fanden einen freien Zweiertisch und begannen damit, uns unseren Frühstücksteller zusammenzustellen. Wie zuvor in der Lobby schwirrten zunächst am Buffet ebenfalls überwiegend weibliche Gäste herum. Rührei war gerade „aus“, Birchermüsli lecker, Schwarztee fand ich in keiner der Teedosen, Grüner tat es auch. Brötchen schmeckten knackig, Wurst und Käse in geringer Sorte, dafür gut essbar. Alles in allem durfte man zufrieden sein.
Regen war dann unser ständiger Begleiter, vom Weg zum WoMo sowie auf der Autobahn unterwegs nach Kassel.
Der Sonntagvormittag erwies sich als guter Fahrzeitpunkt, kaum zwei Hände voll LKW, an Baustellen keine Staus und ansonsten gutes Vorankommen. Da Miriam bis abends im Kino arbeitete, auch in Kassel kein Wetter für Outdoor-Aktivitäten herrschte, beschlossen wir einen Saunabesuch im Auebad. 12,20 € pro Person für 3 Stunden. Punkt 13 Uhr stand ich nackt unter der Dusche und bald danach saß ich in der 90° Sauna. Nach einer Stunde rutschte ich gerade noch rechtzeitig zum 2. Saunagang in die Blocksauna, wo nackte Leiber wie in einer Legebatterie in den Reihen dicht gedrängt nebeneinander saßen. Mein Platz ward mir auf der niedrigsten Stufe, der Büßerbank zugewiesen. Gut war‘s, von den verteilten Hitzewellen blieb ich weitestgehend verschont. 10 Bahnen zog ich im 50-Meterbecken. Ein dritter Durchgang bei 90° für 15 Minuten, das reichte dann auch.
Im Anschluss stillten wir unseren Appetit im in unmittelbarer Nähe gelegenen Molos, einem griechischen Restaurant.
Es war dann so um 17 Uhr, als ich vorschlug, den Film „Parasite“ im Bali um 17.30 Uhr zu gucken. Telefonierte mit Miriam, die freie Plätze signalisierte und sich auf unser Kommen freute. Leider steuerte ich wieder einmal das „Gloria“ an, dadurch verzögerte sich unsere Ankunft.
Der Film lief bereits fünf Minuten, Miriam ließ uns „so“ ins Kino, wir sollten uns Plätze aussuchen. Der Film verlief dann nach lustigem Anfang mit satirisch ironisch wirkendem Einschlag blutig und mit überraschenden Wendungen.
21.10.2019 Montag
Gefrühstückt, dann Weiterfahrt um 15 Uhr nach Göttingen. Stellplatz direkt an dem Erlebnisbad Eiswiese. Göttinger Innenstadt wirkte auf mich nicht wie eine junge Studentenstadt, Straßen und Läden ähnelten eher der üblichen Tristesse deutsche Einkaufsstraßen mit Billigläden und Dönerbuden, wobei dazwischen das eine oder andere sehenswerte Fachwerkhaus zu entdecken war. Jola überzeugte mich dann im Geschäft von Brax, eine etwas zu große Hose zu kaufen, die mir von ihr noch zugeschnitten werden sollte.
22.10.2019 Dienstag
Erste Abreisen hörte ich noch zu Schlafenszeit. Frühschwimmen fiel aus, es war bereits nach 08.30 Uhr. Mit Jolas Rad schnell zum Holzofenbäcker gestratzt. Das Wetter entwickelte sich positiv. Wir sagten Göttingen ade, es folgte eine rund 100 Km lange Fahrt, davon etliche Kilometer Baustelle, jedoch ohne schleppenden Verkehr. Wolfenbüttel erreichten wir ohne größere Behinderungen gegen 11.30 Uhr. Das Stadtbad Okeraue stellte sich als modernes Schwimmareal heraus, an dessen Seite sich der Stellplatz befand. Fast nagelneue Sanitäranlagen, die Plätze am Rande der Außenanlage des Bades. Strom war inklusive. 14,50 € löhnte Jola an der Kasse im Schwimmbad. Ein Schlüssel für die Sanitäranlagen gab es dazu.
Wolfenbüttel überraschte mit einer wirklich historischen Altstadt, ca. 600 gut erhaltene oder wiederhergestellte Fachwerkhäuser bildeten den Kern der Altstadt. An einigen Häusern fanden sich Figuren, Sprüche oder Wappen.
Dazu die Kirchen, das Schloss, das Lessing-Haus oder das Lessing-Theater.
Bis ungefähr 14.15 Uhr stromerten wir durch die Gassen, warfen einen Blick ins Lessing-Haus, in die Bibliothek und das Schloss, das gleichzeitig ein Museum und ein Gymnasium beherbergte. Den Museumsbesuch verschoben wir, das leibliche Wohl stand gegen 13.30 Uhr im Vordergrund, die Suche nach dem geeigneten Essplatz war vorrangig.
Der Schlossplatz erfuhr vor ein paar Monaten eine Modernisierung, die Neueinweihung war erst vor Kurzem gewesen, einige Restarbeiten standen aus. Schön verlegte Pflastersteine auf dem Schlossplatz und dessen Umfeld zeugten von geschmackvoller Anpassung.
Zentrale Plätze waren der Stadt- und der Kornmarkt. Am Stadtmarkt war das Rathaus beheimatet.
Kauften zwischendurch Socken und Bananenchips.
Wir aßen dann im Bayerischen Hof in der Reichsstraße. Ein 1952 eröffnetes Gasthaus, das sehr altbacken daherkam, der „Chef“ gönnte uns noch ein Mittagsmahl, denn um 15 Uhr wurde geschlossen. Mein bestelltes Gericht (Roulade, Rotkohl und Knödel) bedurfte einer Änderung, Rotkohl war „aus“. Ich nahm dafür Sauerkraut, eine gute Wahl.
Nachmittags verzichteten wir auf den Museumsbesuch, in den Genuss einer Führung bei den Werken von Jägermeister kamen wir nicht, alles ausgebucht.
Mit dem Rad erkundeten wir dann den Bereich außerhalb der Altstadt, wo es zunächst „einfacher“ zuging. Mietshäuser, die auch schon bessere Jahre gesehen hatten wechselten sich später mit klassischen Stadthäusern reicher Kaufleute des vorletzten Jahrhunderts ab, Siedlungen mit Einfamilienhäusern aus der Zeit des Wirtschaftswunders oder kurz danach, so schien es mir, aber auch einige neuere architektonischen Tupfer durchzogen solche Regionen. Jola schwächelte, ihr Knie muckerte, deshalb kehrte wir auf einem Waldweg Richtung Braunschweig um und fuhren zum WoMo zurück. Die Oker mäanderte ab und an neben dem Radweg entlang, ein Fluss hier, der von Breite dem der Trave ähnelte.
Um 18.45 Uhr besuchten wir das Schwimmbad für 75 Minuten.
23.10.2019 Mittwoch
Besorgte Brötchen, die Lange Straße am Lessing-Theater vorbei und schon war ich bei Richters Altstadtbäckerei. Da wir erst um 16 Uhr den Stellplatz räumen mussten, blieb uns ausreichend Zeit für die Besichtigung der Herzog August Bibliothek und des Lessing-Hauses.
Den Rentner-Bonus forderte Jola ein, statt 5 € nur 2 € Eintritt für beide Besichtigungen. Die Bibliothek erwies sich als wirklich beeindruckende Sammlung. Der gute August war ein fleißiger Sammler und widmete sich wohl viele Stunden der Katalogisierung, bis er dann Lessing als Hofbibliothekar einstellte.
Innenansicht der Bibliothek
Uns gedieh zufällig eine individuelle Führung anheim, eine versierte Mitarbeiterin stand uns zur Seite und erläuterte detailliert, was gesammelt wurde (vorrangig Theologica, daher die umfangreichsten Bestände), nach welchen Kriterien August die Bücher aufstellte (große nach unten, kleine nach oben), was die Zahlen zu bedeuten hatten und warum einige Einbände in rot gehalten wurden. Fast alle Bücher wurden in Eigenregie gebunden. Erstaunt war ich, als ich erfuhr, dass man für Forschungszwecke Werke ausleihen durfte. Bücher dieser Art werden nicht mehr mit „Samthandschuhen“ angefasst, das sein dem Erhalt abträglicher, als wenn man sie korrekt mit den Händen anfasste.
Im Lessing-Haus gab es nicht so viel zu entdecken. Außer den Hinweisen, dass Lessing chronisch unter Geldnot litt, mehrfach seine Sammlungen veräußern musste, bis er dann für 600 Taler Jahressalär die Anstellung beim Herzog bekam.
Wir aßen beim Türken das Mittagsgericht, gefüllte Aubergine.
Immerhin wurde ich auf meine alten Tage wieder einmal ein bisschen schlauer: Wolfenbüttel ist die Lessing-Stadt, Dürer war nicht nur Maler sondern entwickelte die Proportionenlehre, Herr Zapf erfand bzw. entwickelte sehr viele Schrifttypen. Hier ein Beispiel mit Sinnsprüchen als Muster.
Dann sagten wir Wolfenbüttel bald ade und es ging über Braunschweig, Uelzen und Lüneburg nach Hause.
Jola verhandelte mit dem, erst etwas knurrig wirkenden, Rezeptionisten, dass wir länger als sonst üblich auf dem Platz stehen bleiben durften. Der Tag begann sonnig, nutzten deshalb den schönen Herbsttag, um in Murnau Geld auszugeben. Jola war da klar in Führung. Ich koppelte mich von dem Prozess ab, ließ sie ihren Vorsprung ausleben und erkundete auf dem Rad ein bisschen das Umland. Das Schlossmuseum bot eine Ausstellung, der Eintritt war mir zu teuer, suchte danach den Seidl-Park. Kurvte durch Wohngebiet, alles bayrisch sauber und ordentlich gepflegt. Das Hotel Ludwig war wohl zuletzt auf Dauer erfolglos gewesen, ein Bauzaun, keine Speisekarte, optisch einem düsteren Verlies gleichend, geschlossen.
Der Park, wie in der Erinnerung noch gegenwärtig, sympathisch verwahrlost wirkend, doch die Grünflächen waren frisch gemäht, Grashaufen lagen zum Abtransport herum.
Beethoven fehlte (immer noch?) die Nase, eine der vier Statuen in der Herrenrotunde.
Um 11.45 Uhr wollten wir uns bei Jolas Rad wiedertreffen. Jola war nicht da. Ich kaufte eine Schokolade für Miriam (Löwenbild). Jola tauchte mit Kartons bepackt auf. Aßen bei einem Metzger Kürbissuppe / Leberkäse.
Um 13.30 Uhr reisten wir vom Campingplatz ab. Neues Ziel Dinkelsbühl.
17.45 Uhr Ankunft. Abends der schönsten Altstadt Deutschlands mit unangenehmen Autoverkehr auf runden Kopfsteinpflaster einen Besuch abgestattet. Die Innenstadt mehr oder weniger ausgestorben wirkend, Kneipen und Restaurants gut frequentiert. Wir fanden in einer Seitenstraßen zufällig Weib‘s Brauhaus, durften an einem reservierten Tisch Platz nehmen, bis 20 Uhr hatten wir unser Bier getrunken und gegessen. Auf dem Weg aus der Stadt bogen wir einmal, jeder auf den anderen verlassend, es sei richtig, eine Straße zu früh ab und gerieten auf eine Ausfallstraße ohne Radweg nach Dürrwangen. Nach gut drei Kilometern war klar, hier kommen wir nicht zum Campingplatz. Umgedreht, in die Nacht gefahren, die sehr schnell fahrenden Autos nervten im Dunkeln.
Nachts regnete es ununterbrochen bis in den Morgen hinein.
Nachrichten und Berichte über die Frankfurter Buchmesse im Fernsehen animierten mich, dorthin einen Abstecher zu machen. In einem Rutsch bis Frankfurt durchzufahren erschien nicht opportun, 499 Km würden vermutlich mehr als 10 Stunden Fahrzeit bedeuten. So einigten wir uns auf „Murnau“, eine weitere Station der Erinnerungen vorvergangener Reisen. Jola befragte die Wetter-Fee, ausgerechnet in Murnau sollte die Sonne scheinen. Nutzten die Brenner-Autobahn, diesmal waren wir mit 6,60 € plus 9,50 € dabei. Zum Glück waren, gefühlt, weniger LKW unterwegs, keine gravierenden Behinderungen durch Baustellen, also entspanntes Fahren. In Innsbruck lenkte mich das Navi auf die A12, also die Autobahn, obwohl ich eingestellt hatte „Vignette – Österreich – vermeiden“. Wartete unterschwellig darauf, ein österreichisches Polizeiauto am Straßenrand zu sehen, vor dem ein Polizist mit seiner Kelle winkend mich „heraus bittet“. Nichts passiert!, und doch beschlich mich das ungute Gefühl, durch technische Überwachung beobachtet und „entdeckt“ worden zu sein. Jola jammerte, als es an der Abfahrt nach Deutschland vorbei ging. Ich folgte der Anweisung des Navis „Telfs – Ost“, wo es gleich bis zu 15% ins Karwendel Gebirge hinauf ging. Wenig Verkehr ließ mich in aller Ruhe, wenn nicht Jolas verärgerte Schwingungen im Font hingen würden, die Strecke bis Seefeld zurücklegen. Garmisch blieb dieses Jahr ohne Stopp, Essen gehen, Jolas Vorschlag für eine Unterbrechung, wischte ich vom Tisch, ich wollte ans Ziel „Camping auf der Halbinsel“ in Seehausen am Staffelsee bei Murnau. Und dort fanden wir, trotz Mittagspause des Rezeptionisten, Einlass, einen angenehmen Stellplatz, im Burgstüberl eine umfangreiche Speisekarte mit leckeren Gerichten. Zügiger Service der fleißigen und aufmerksamen Mitarbeiterin komplettierte das gute Gefühl, am richtigen – und sonnigen – Platz angekommen zu sein. Tatsächlich handelte es sich um eine Halbinsel, es gab deshalb mehr Stellplätze mit Uferkontakt, die durften wir nicht belegen.
Nach Murnau, Jolas Bestreben, wollte ich nicht, mir schwebte Bewegung auf dem Rad vor. Der Staffelsee mit seinem 20 Kilometer langen Rundkurs schien gut geeignet als Ausgleichssport. Hatten wir die Tour schon einmal gemacht?, keine Erinnerung stieg in mir auf. Nutzten teilweise den Wanderweg, viele Fußgänger waren nicht unterwegs. Natur pur!
Moor, Wiesen, der See, die hügelige Landschaft, alles, wie es Frau Münter vielleicht gesehen und gemalt hat.
Staffelsee in MurnauAm Staffelsee bei Murnau
Uffing, ein Ort dessen Name mir irgendwie bekannt vorkam, auch in diesem 3000 Seelen Ort wohnten offensichtlich ausgesprochen wohlhabende Bürger, nahm man die Häuser als Maßstab.
Jola kam dann für eine kurze Zeit in den Genuss des Shoppings, wenn auch nur für kurze Zeit, denn die meisten Geschäfte schlossen um 18 Uhr. Suchten beim Bummel durch die Fußgängerzone nach Erinnerungen, die beim Anblick dieses oder jenes Objektes, Gebäudes oder Straße aufflammten.
Der Drache, das Wahrzeichen Murnaus, der wurde schon einmal vor sieben Jahren abgelichtet. Damals wünschte sich Jola einen Drachen als Souvenir, den es dann in der Ausführung nicht gab.
Einen Kontoauszugsdrucker der Sparda-Bank quälten wir, er musste alle unsere Ausgaben aus dem Urlaub auf Papier bringen, das dauerte.
Suchten das Brauhaus, das wir am Obermarkt fanden und dort ein Bier tranken.
Vielleicht taten wir Vicenza mit der frühen Abreise Unrecht, Weltkulturerbe hin oder her, der Stellplatz fiel bei unserer Wertung völlig durch, „0,5 Punkte“, den halben bekam er von mir, weil die Nacht nur 8,40 € kostete. Dafür standen wir an der Schranke, die sich mit dem Ticket nicht öffnen ließ. Selbst eine junge Italienerin scheiterte, zeigte uns immerhin den Telefonknopf für Notfälle. In englisch erklärte ich was Sache sei, Abhilfe gab es durch den Hinweis, näher an die Schranke heranzufahren; danach war alles klar.
Die Nacht verbrachte ich ohne Störungen, Jola jedoch erschrak bei jeder Zugvorbeifahrt, so sie am Morgen berichtete.
Unsere Reisezeit gegen 07.45 Uhr fiel offensichtlich in die Rushhour. Schleppend ging es meist voran. Bis Schio zog es sich, eigentlich wollten wir unterwegs gemütlich das Frühstück nachholen. Hier fanden wir Aldi, Lidl, eine Käserei, einen Naturkostladen und weitere Geschäfte auf einem großen Areal und einen Parkplatz fürs WoMo dazu. Im Naturkostladen gab es leider keine belegten Brötchen, nur Muffins und anderen Süßkram. Zwei schmackhaft aussehende Brötchen nahmen wir mit. Im nächsten Bistro dann doch Süßteile, Brioche und ein Mandelcroissant, da war es ca. 08.45 Uhr.
Jola enterte danach Lidl, ich schlenderte durch die Gänge und fand alles nur schäbig. Las mir auf dem Etikett die Herkunft eines Honigs durch (nach dem Bericht gestern in WISO sensibilisiert), der kam aus der Ukraine und Ungarn, vermutlich also „gestreckter“ Honig.
Über die Route wunderte sich Jola, ich später auch, obwohl ich sie selbst gewählt hatte (kürzeste Strecke). Ins Val del Pasubio, San Antonio, Passo Fugazze auf 1.167m, Vallarsa bis nach Rovereto. Von hier auf ebener Strecke nach Trient und ich dachte, ich hätte die Serpentinen mit den Steigungen und Gefällen von 12% bis 15% endlich hinter mir gelassen. Doch weit gefehlt, in Mezzolombardo ließ ich mich vom Navi nach Cles leiten. Das war der Weg zu den Pässen Gampen und Mendel. Und wirklich schraubte ich mich wieder auf 1.518m hinauf. Mein Glück auf dieser Fahrt war, kaum Verkehr, kein Regen oder Schnee. Am Gampenpass erinnerte ich mich sofort an unsere Wanderung mit Miriam in den 90er Jahren, als wir sommerlich bekleidet in leichtes Schneetreiben gerieten und mit Glück eine bewirtschaftete Hütte fanden.
Kurz vor Gfrill wähnte ich mich im Hungermodus, als hätte ich eine Ahnung gehabt, nach der nächsten kehre ein Gasthof vor dem etliche Fahrzeuge parkten. „Volles Haus“, ward schnell konstatiert. Zwiebelrostbraten und Lammpfanderl standen nach gut 15 Minuten auf unserem Tisch, reichlich Nahrung zum satt werden. Es begann zu regnen, nicht besonders stark, so dass ich heil das letzte Stück Hang nach Lana hinab gelangte. Jola vergaß nicht, mich mehrmals daran zu erinnern, in die Industriezone zur Meraner Mühle abzubiegen. Nach weniger als 10 Minuten klopfte sie an die Tür des WoMo, eine große Papiertüte mit Backmischungen der Sorte Vinschgauer hereinreichend. Ein Programmpunkt war damit abgehakt.
Die Sorge, einen besetzten Campingplatz in Meran vorzufinden, war unbegründet. Nach Anmeldung durften wir uns gegen 14.50 Uhr einen freien Platz aussuchen. Musste einmal ein Stück rangieren, dann war auch der Empfang geregelt. Schaute ich aus dem Fenster, blickte ich auf die Wohnblocks der Häuser an der Via Piave. Die umliegenden Berge zeigten sich zurückhaltend, verhüllt! Nur ein Lichtstrahl erhellte für eine kurze Zeit am fernen Mutkopf ein paar Gebäude.
Nach der langen Sitzphase war ein kleiner Spaziergang eine willkommene Abwechslung. Die Via Matteotti, gegenüber der Einfahrt zum Campingplatz, uns bestens bekannt aus alten Zeiten, als hier noch ein Kino deutschsprachige Filme zeigte. Das Kino schloss bereits vor einigen Jahren, der Eingang war mit einer Kette verriegelt, im Fenster hing ein Raumplan für Kauf- oder Mietinteressenten. Jola meinte dazu „wenn Miriam keine Wohnung will, dann kaufen wir ihr eben ein Kino“. Umliegend zwei Bäcker (u.a. Ultner), auch ein „Kofler“ und der Meraner Weinladen.
Nicht zu viel laufen, unsere Knie sollten ein bisschen Schonung genießen.
Da es nur drei Duschen bei den Herren gab, stellte ich mich lieber jetzt unter eine davon.
Ab ca. 17.30 Uhr hatte es sich eingeregnet. Der abendliche Besuch in Meran fiel also aus. Der Regen entwickelte eine derart starke Sichtbehinderung, dass wir den Abend über keinen Fernsehempfang bekamen.
Jola saß auf meinem Bett und schrieb an Gott und die Welt Nachrichten.
Ich spielte gegen meinen alten Freund „Mephisto“, der Schachcomputer, eine Partie auf Stufe 3. Büßte anfangs drei Bauern gegen einen Läufer ein. Schaffte es gegen Mitternacht nach ca. 70 Zügen tatsächlich auf die Siegerstraße zu gelangen.
16.10.2019 Mittwoch
Weggeblasen des Nachts hatte Sturm Wolken und schlechtes Wetter, strahlender Himmel, so gestochen scharf waren die Bergen am Morgen zu sehen. Ein paar Pfützen zeugten von der gestrigen „Sturmflut“.
Der „Brötchendienst“ funktionierte auch hier in Meran.
Uns schwebte eine Retrospektive vor, das Passeiertal mit dem Rad bis nach St. Martin zu bewältigen, dort dem Quellenhof einen Besuch abstatten und schauen, was sich in der Zeit verändert hat. Der Radweg begann am Sissiweg, schlängelte sich ständig an der Passeier entlang. Die Passeier führte mehr Wasser als sonst, rauschte lauter und das Wasser sah graubraun auf. Der Radweg war aus festgepresstem hellen Schotter, schön breit angelegt, so dass sich Wanderer, Radfahrer oder Kinderwagenschieber nicht in die Quere gerieten. Einziges Manko war, Jolas Akku war nicht voll geladen und es ging beständig seicht bergauf. Trost blieb, weil die Rückfahrt ja ohne Antrieb funktionieren würde.
Von der Brücke aus hatte man einen schönen Blick auf Schenna, das wir ja erst vor ein paar Wochen besucht und dort eine Wanderung gemacht hatten. Mal links, mal rechts der Passeier radelten wir, sahen an der Hirzer Seilbahn einen hübsch gelegenen Stellplatz. Nach gut 10 Kilometern tauchte der Quellenhof auf, größer und moderner, mit einem 4-Loch Golfplatz inkl. Driving-range.
Der Vorplatz und der Eingangsbereich spiegelten die Bestrebungen des Sohnes wieder, der schon früher aus dem Betrieb etwas „Großes“ machen wollte.
Buntes Treiben auf den Tennis- und Reitplätzen. Erkannten das Hotel zunächst nicht wieder.
Ich begab mich ins Innere, staunte über die vielen Neuerungen, fragte an der Rezeption nach, wann wir zuletzt dort Urlaub gemacht hatten. Die Daten waren verfügbar, es war das Jahr 1992. Mutter Dorfer war im Juni im Alter von 89 Jahren verstorben. Ein Kondolenzbuch lag in einer Ecke aus, Bilder und Zeitungsartikel zeugten von Trauer und Respekt gegenüber dieser bemerkenswerte südtiroler Frau.
Wir aßen auf der Terrasse, Jola in Erinnerung an die alte Zeit einen Kaiserschmarrn, ich Risotto.
Die Rückfahrt gestaltete sich wie ein Kinderspiel, fast keine Pedalumdrehung war nötig bis nach Meran. Nicht in die Stadt, erst auf den Campingplatz. Pausentee und Akku laden war angesagt. Der Stadtbummel brachte ein paar Neuigkeiten mit sich, vielleicht auch nur vermeintliche. Shoppen interessierte mich nicht so sehr, keine Konsumbedürfnisse quälten mich. Am Ende saßen wir bei unserer Bar an der Wandelhalle. Im Schatten kühl, auch von der Passeier her wehte kühle feuchte Luft herüber.
Bei Spar in den Lauben Wein und andere Sachen eingekauft. Ein Supermarkt mit Rolltreppen über drei Etagen, das hatte ich noch nicht gesehen/erlebt.
Abreise aus Levico Terme, das wir als günstigen Standort in der Nebensaison in Erinnerung behielten. Ich hatte mich mit Venedig und Umgebung als neues Ziel durchgesetzt. Jola wünschte den Zwischenstopp in der Grappametropole Bassano. Gut 80 Km waren bis dahin zurückzulegen. Die Fahrt verlief etwas in Analogie zu den Strecken auf französischen Landstraßen, alle Nase lang ein Kreisverkehr. In Bassano bis ins Zentrum vorgedrungen, was ein Fehler war, weil neben einem Kirmes auch ein großer Markt im gesamten Altstadtbereich stattfand, deshalb war für unser WoMo kein Parkplatz zu finden.
Wieder den Stadtkern verlassen, in der Nähe eines Fußballstadions in einer Sackgasse dann eine Möglichkeit, den Wagen ohne Bedenken abzustellen. Mit den Rädern die gut zwei Kilometer ins Zentrum gefahren. Der Bummel durch die Gassen ließ sich gut mit denen in Bozen oder Meran vergleichen, das Angebot reichte von Tüchern, Gürteln, Schuhen, Unterwäsche, Jacken, Haushaltsgeräten bis hin zu Gemüse, Würsten und Süßkram. Neu war hier, die meisten Verkäufer benutzten Lautsprecher und Mikrofon.
Ein ganzen Spanferkel lag bei einem Verkaufsstand auf dem Tresen, der – gegrillte – Kopf daneben, das Maul offen, als wenn das Schwein bis in den Tod gelächelt hätte.
Auf dem Weg zur Ponte Palladiano, der Sehenswürdigkeit der Stadt (erstmals erwähnt 1209), stolperten wir ungewollt ins Grappa-Museum Poli. Gerätschaften, Lektüre und Schriften waren zu sehen (in italienischen und englischen Erläuterungen). Kauften dann eine Flasche und ein Viererpack im Shop.
Unten an der Brücke eins der historischen Lokale, wo eine Traube Menschen mit Gläsern in den Händen herumstand und schwatzte oder Tapas aß. Frustriert war ich, denn es schien auf unseren Reisen vorbestimmt, immer dann zu einem historischen Bauwerk zu kommen, wenn dieses gerade der Reparatur oder Sanierung anheim fiel. Der komplette Innenbereich der Brücke war eine einzige Baustelle, der Durchgang soweit mit Stützen zugestellt, dass nur ein schmaler Pfad für die Fußgänger zum Seitenwechsel blieb.
Hinter der Brücke einige historische Gebäude, eins davon restauriert und aktuell genutzt für eine Ausstellung eines Pilzvereins. Wunderbar waren auf Tischen frische Pilze ausgelegt, in lateinisch beschriftet und mit Gefährdungsgrad gekennzeichnet.
Auf dem Rückweg ein silbrig glänzendes Nashorn auf einer Anhöhe entdeckt. Das sollte aus der Nähe begutachtet werden. Das Nashorn eines taiwanesischen Künstlers auf dem Vorplatz der Galerie im Palazzo Sturm ausgestellt war sicher ein Eyecatcher.
Wieder im, jetzt schon nachlassenden, Getümmel bewegten wir uns Richtung Räder, als es zu regnen begann. Ein Kaffee in einer Bar als Pausenfüller, dann im Schutze von Arkaden vorgerückt. Im Nieselregen zum WoMo zurück geradelt und Richtung Padova und Treviso nach Venetien gefahren.
Enzo Stella Maris, ein 5-Sterneplatz in Cavallino – Treporti, erreichten wir kurz nach 17 Uhr.
07.10.2019 Montag
Der Regenmacher beendete seine Arbeit in der Nacht, in der er auf dem Campingplatzgelände vereinzelt letzte Tropfen verstreute. Morgens schien die Sonne, eine gute Voraussetzung für unser Tagesprogramm. Obwohl eingangs erst einmal nur eine Erkundungstour mit dem Rad zum Fährhafen in Punta Sabbione auf dem Plan stand. Sieben Kilometer, zuerst vorbei auf ruhiger Strecke, an der ein Campingplatz an den nächsten grenzte, fast alle schon geschlossen, dann an der Hauptstraße auf separatem Radweg, der manchmal recht löcherig daherkam. Links und rechts jeweils ein Caravan-Parkplatz zum Überwintern, wo die Wohnwagen dicht an dicht nebeneinander standen.
In der Touristen-Info hätte man gleich Tickets für die Überfahrt kaufen können, doch es herrschte bei uns noch Uneinigkeit zum Wann und Wohin.
Dafür standen wir wenig später in einer Schlange vor dem normalen Ticketschalter, für 15 € bekamen wir jeweils eine Fahrkarte für Hin- und Rückfahrt (einfach, d.h. keine Zwischenstationen auf Inseln). Der Ansturm war bereits hier phänomenal, die Fährlinie 15 voll mit Touristen. Gut 30 Minuten dauerte die Überfahrt auf welligem Lagunenwasser mit einem Zwischenstopp an der Station „Lido“. Uns und die meisten anderen Fahrgäste entließ man an der Station San Marco Schiavoni. Fielen quasi in den vollen Touristenstrom hinein, überquerten drei Brücken, standen dann vor dem Palazzo Ducale (Dogen-Palast), in dem eine Tizian-Ausstellung gezeigt wurde und Besucher geduldig in einer Schlange unter schattiger Arkade warteten.
Gleich um die Ecke der Piazza San Marco, Menschen wohin das Auge auch blickte, meist mit Fotoapparat, Handy oder Selfie-Stick in der Hand. Uns ging es natürlich genau so, obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, nicht gleich wild „um mich zu schießen“.
Welche überschwängliche Worte sollte ich nehmen oder suchen, um diesen Prunk, diese Kunst, diese Architektur zu beschreiben, was Menschen im 16. Jahrhundert vollbringen konnten und bis heute existiert.
Keinen Stress wollten wir uns auferlegen, uns einfach so durch die Stadt treiben lassen, das sehen und bewundern, was gerade ins Blickfeld geriet.
Den konkreten weiteren Weg zu beschreiben, lasse ich hier aus, folgten den gelben Hinweisschildern „Rialto“, manchmal durch überfüllte Gassen, durch Gruppen verstopft, dann wieder wandelte man fast alleine, überall Geschäfte, meistens „Nippes“, sprich Karnevalsmaske etc., oft beiderseits der Gasse Läden mit Vasen, Figuren oder sonstigen Skulpturen aus Muranoglas, eben in vielfältiger Form. Wie nicht anders zu erwarten, tummelten sich auf der Brücke ziemlich viele Menschen (ein Schild mit „beschränkende Anzahl“ habe ich allerdings nicht gesehen), Gedrängel an den Brüstungen für die beste Position.
Fast ein Alleinstellungsmerkmal hatte Jola hier auf der Treppe, mein Blick von unten neben der Kirche San Giacomo.
Nur ein paar Mal um die Ecke getrippelt und wir schienen wieder allein in Venedig zu sein, trafen erste Lokale der Sorte „Bàcaro“, dunkles Holz des Interieurs, rustikal, lange Schanktische, dann leere Stände eines Wochenmarktes am Campo Della Pescheria, eine Osteria „I Compari“, in der Oktopusse als Speise im Fokus standen. Ein Tisch war in dem sehr kleinen Raum gerade frei, für uns die Gelegenheit zur Rast und einem Imbiss. Zwei bärtige Männer organisiertes alles, mehrsprachig bediente einer die Gäste, der andere kochte die kleinen bläulichen Tintenfische in einem Topf, zerlegte sie portionsgerecht auf einen Teller, der mit Folie ausgelegt wurde. Die Teilchen schwammen in einer öligen Pestosoße. Dazu eine Tüte Brotscheiben. Jola verzichtete aufs Probieren, in Erinnerung an den auf der Israelreise unter Wasser gesehenen kleine Oktopus.
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Da es für die Anlieferung oder den Abtransport von Waren keine Autos in Venedig gibt, werden Lastschiffe benutzt. Ob für Schmutzwäsche oder für die Reste vom Wochenmarkt.
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Ich folgte mit Jola dem gelben Schild „Ferroviaria“. Dabei schritten wir über diverse Brücken (wenn es auch in Venedig nicht so viele wie in Hamburg geben soll), von denen aus ich die Enge in manchem Kanal erkennen konnte und das Stillleben darin.
Ein paar Plätze und Kirchen weiter breitete sich der Canale Grande vor uns aus, gegenüber der Bahnhof. Einziges bisher gesichtetes Bauwerk war die zum „Festland“ führende Brücke „Ponte della Costituzione“. Daneben die Touristen-Info, bei der ich uns einen in deutsch geschriebenen Stadtführer kaufte.
Kreuzfahrtschiffe sahen wir bis dato nicht, ebenso wenig rochen wir deren Dieselausdünstungen. Schon etwas Fußlahm begannen wir von hier an den Weg zurück zum Fähranleger zu beschreiten. Gerieten dabei in den Stadtteil Dorsoduro, an dessen Ende die Holzbrücke Ponte Accademia überschritten wurde. Des öfteren tauchten Plakate und Banderolen mit der Aufschrift „Biennale …“ auf, ein Zeichen für aktuelle Kunst. Auf dem Campus der Uni den Füßen eine Pause gegönnt, Mandelkuchen und Kaffee als Stärkung. Wieder im Stadtteil San Marco brauchten wir lediglich den gelben Hinweisschildern folgen, wunderten uns dann noch über die ausgewählten Luxusboutiquen (Prada, Gucci, Dolce & Gabbana), die uns auf „den letzten Metern“ mit ausgesprochen „günstigen“ Markenartikeln beglückten. 17.44 Uhr ging die Fähre, vollbesetzt mit mehr oder weniger müden Besuchern dieser pittoresken Inselwelt voller alter Schätze, alter Gebäude, bei denen man sich fragt, wie sie so lange gehalten haben.
08.10.2019 Dienstag
Jola wirkte am Frühstückstisch entsetzt, als sie anmerkte, wir müssten heute den Platz verlängern und ich erwiderte „warum denn das?“, woraus sie schloss, dass ich gar nicht länger bleiben wollte, ich aber meinte eher „das es gar nicht nötig sei, weil so viele freie Plätze vorhanden sind“. Es brauchte dann auch keiner Verlängerung, wir durften stehen bleiben, so lange wir wollten.
Heute sollte nicht gleich wieder Venedig angesteuert werden, die Beine durften sich von der gestrigen Stadttreterei erholen, nicht wirklich so richtig, denn wir planten die Radtour Nummer 4. Sie begann nach der Beschreibung eigentlich in Lido Jesolo, wohin wir vorab gut 10 Kilometer Anreise zurückzulegen hatten. Auf dem Weg dorthin entdeckte ich zufällig den Campingplatz „Union“. Morgens hatte ich noch in meinen „Jugenderinnerungen“ nachgelesen, wie der Platz bei unserer Reise 1976 und dem Aufenthalt vor Venedig hieß, er hieß eben „Union“. Der Betreiber muss seitdem mächtig investiert haben, 5 Sterne als erster in Italien, so warb ein großen Plakat an der Straße.
Bis Nummer 13 „Waikiki“ zogen alle Plätze an uns vorüber. Jesolo und der Lido entpuppten sich als Hochburg der touristischen Erschließung der Strände an der Adria. Neben imposant gestalteten Hoteltürmen fand man allerhand klassische Kastenbauweise zwischen 4 und 6 Stockwerke, mal mit runden, mal mit eckigen Balkons, andere in blau vergittert oder ganz betoniert, an Neubauten auch mit Milchglaseinfassung. Vor neuen Anlagen signalisierten des öfteren übergroße Schilder mit der Aufschrift „Vendita“ dem Vorbeziehenden attraktive Geldanlagen. Zwischendurch, allerdings eher selten, ursprünglich wirkende Häuser, ob privat oder nicht, war nicht auszumachen. Endlos reihten sich in den Läden der Erdgeschosse Restaurants, Boutiquen, Gewerbetreibende, wie sie überall zu finden sind, mit Gürteln, Spielzeug oder Badeartikeln sowie Getränke. „Chiuso“ stand nicht selten auf handgeschriebenen Pappen, die in den Eingangstüren der Lokale oder Supermärkte hingen. Ein Stück des Weges fuhren wir auf der Promenade, trotz des Verbotsschildes für Radfahrer. Die wenigen Spaziergänger störte das nicht.
Geöffnet lockten einige Boutiquen, darin zu stöbern konnte Jola nicht widerstehen. Ein Stopp tat ohnehin ganz gut, so konnte ich mir die Beine vertreten. Maues Angebot, so kommentierte Jola die Situation nach dem dritten Besuch.
Noch etliche Kilometer radelten wir gegen die Einbahnstraße auf separiertem Radweg unter einem fast geschlossenen Nadeldach über der Straße.
12.40 Uhr war es, als wir an der Pizzeria Rica Roca in Jesolo anhielten; wieder einmal entschied über den Stopp das im Restaurant ausgemachte Publikum (Arbeiter etc.). Die als Vorspeise gedachten Bruscetta hätten wir gut weglassen können, die Spaghetti fanden wir hingegen beide in Ordnung. Unser Tisch neben dem Eingang zur Toilette wies eine Besonderheit auf. Ein Art Vitrine bot einen Überblick über alle möglichen Hässlichkeiten, die Mitbringsel oder Geschenke von Gästen so an sich haben können. Viele der Souvenirs kamen aus Albanien, Rumänien, Slowenien.
Probleme bekamen wir, als an einer Brücke ein großes Radhinweisschild unten entlang zeigte, sich der Weg zweideutig teilte und wir deshalb den sicheren Weg über die vierspurige Fahrbahn nahmen. Entschieden dann, in der Nähe des Meeres bis nach Cortellazzo und weiter nach EracleaMare bzw. dort zum Strand von Laguna del Mort zu fahren.
Cortellazzo bestand aus einer Schleuse, hinter der ein paar echte Fischerboote im Wasser der Piave dümpelten, Männer Fischernetze säuberten oder flickten, was ich nicht genau ausmachen konnte, einigen Häusern an einer Durchgangsstraße, das war es wohl auch schon auf den schnellen Blick.
Auf dem Weg zur Lagune bzw. zum Ort EracleaMare pendelten etlichen LKW, ein Baukran zeugte von Bauaktivitäten, deren Ergebnis uns anfangs verborgen blieb. Dafür streiften wir ein eingezäuntes Gelände mit diversen total verfallenen Rundhütten, aus einigen wuchsen bereits Bäume durchs zerstörte Dach. Auf Splitt fuhren ein Stück zum Strand, wo Bauarbeiter mit einem kleinen Schaufelbagger Gehwegplatten vom Strand aufnahmen (und wahrscheinlich ins Winterlager brachten).
Einen Seezugang weiter lagen alle Platten noch schön in Reih und Glied und wir nutzten diese, um bis zum Strand zu fahren.
Die Sonne hatte mittlerweile ihre gewohnte Wärme erreicht, was mich dazu animierte, die Sachen abzulegen und ins Wasser zu wagen. Etwas unruhiger Wellengang und graues Wasser durch aufgewühlten Boden. Kalt war es nicht, aber so richtig „baden gehen“ wollte ich dann doch nicht.
Für ein Selfie stellte Jola sich zu mir ins Wasser. Ganz in der Ferne die Bettenburgen des nächsten Ortes namens Caorle, zu dem wir uns die 18 Km nicht mehr zumuten wollten.
So gegen 14.45 Uhr kehrten wir quasi um, sahen dann die Neubauten hinter dem umzäunten Waldgebiet.
Neuerlich überquerten wir die Piave über eine Privatbrücke (Traghetto sul Piave), für die Fußgänger und Radfahrer von einem Entgelt ausgenommen waren.
In Cortellazzo folgten wir dann dem ausgeschilderten Radweg I3 am Kanal Cavetta. Schnurgerade führte die schmale Straße an dem Kanal entlang, auf dem beiderseits kleine Boote auf eine Ausfahrt warteten. In der Ferne die Kirche von Jesolo, davor auf der anderen Kanalseite ein Wasserturm. Hübsch anzusehen die hohen Pinien in Alleeform. Links in der Ebene abgeerntete Ackerfelder.
Jesolo wollte Jola gerne „erfahren“. Das alte Zentrum war schnell gefunden. Ich zeigte kein Interesse, mehr Pedalumdrehungen als nötig zu machen und schaute mir in Fenstern eines zu vermieteten Ladenlokals historische Fotos von der Stadt an.
Das Bild vom Strand am Lido aus dem Jahre 1958 hatte es mir angetan. In knapp 60 Jahren entwickelte sich das Naturcampinggelände zu einer Hochburg des Tourismus. Wahrscheinlich „hausten“ damals die ersten Deutschen mit ihren Zelten hier (VW Käfer deuten zumindest auf Deutsche hin).
Jola suchte uns eine Pausenstation, bestellte Cappuccino und Kuchen.
Der Rückweg bescherte uns einen kleinen falschen Abzweiger, den Jola für ein Foto des Leuchtturms nutzte.
Ansonsten fuhren wir der tief stehenden Sonne entgegen, Jola in der Hoffnung, mit 4 Km Akku-Reichweite den Stellplatz zu erreichen. Der Hintern schmerzte leicht, als ich Punkt 18 Uhr nach exakt 69 Kilometern vor dem WoMo stand, ich mich eigentlich aufs Schwimmbad freute, aber enttäuscht zur Kenntnis nahm, um 18 Uhr schlösse das Bad.
09.10.2019 Mittwoch
Heute ausgeschlafen und keine anstrengenden Unternehmungen geplant. Die Schweizer Nachbarn waren abgefahren. Herr „Saubermann mit dem Besen“ hatte alles gekehrt, dann war die Familie ein letztes Mal schwimmen in der Adria. Ich nutzte die Möglichkeit, im Schwimmbad meine 40 Bahnen im Außenbecken zu schwimmen. 16° Lufttemperatur wurde angezeigt, das Wasser sicher wärmer. Bewölkt fing der Tag an, mittlerweile (12.30 Uhr) schien die Sonne. Jola war auf Einkaufstour zu einem Wochenmarkt.
Hatte mich schon wieder eine Zecke an der Wade erwischt? Ließ sich nicht mehr genau feststellen.
Jola brachte gute Laune von ihrer Tour zurück, eine Idee, wo wir zu Mittag essen könnten, müssten gegen 13.45 Uhr aber losfahren. Gesagt getan, meine Ruhezeit war vorüber. Jola führte mich „aufs Land“, erzählte von drei riesigen Ratten oder Bibern, eins der Tiere entdeckte ich in einem mit grünen Entwässerungsgräben, wie es gerade genüsslich an einem Stück Holz knabberte, sich ansonsten von meiner Anwesenheit nicht sonderlich beunruhigt zeigte.
Das Lokal lag direkt an einem Kanal, der Chef wies darauf hin, Mittagessen gäbe es nur bis 14 Uhr, ein Gericht dürften wir aber noch bestellen. Pizza stand auf mehreren Seiten in der Karte, bestellen ging lediglich abends. Frittierte Tintenfischringe für Jola, Nudeln mit Sardellen für mich.
10.10.2019 Donnerstag
Ein Frühstücksei erweiterte heute das Tableau auf dem Tisch. Entschieden war schon im Vorwege, den Radweg „Inseln von Venedig“ zu fahren, d.h. mehrfach mit einem Wasserbus / einer Fähre überzusetzen. Die Anreise zur Fähre in Punta Sabbione machten wir über den Weg entlang des Kanals Peloni. Streiften durch Querstraße, wo neben oder vor landwirtschaftlichen Nutzflächen ansehnliche Häuser standen, verfallene mit Schildern „zum Verkauf“ an Hauswänden fehlten dazwischen nicht. Jola besorgte in den Information die nötigen Fahrkarten, wobei ich mich über die Dauer wunderten. Mit 14 Tickets kam sie aus dem Häuschen, davon 12 für die Fahrräder. Wir hatten Glück, brauchten nicht auf eine Fähre warten, denn eine befand sich gerade im Anmarsch. Um 10.30 Uhr 20 Minuten zum zweiten Mal auf der Wasseroute zum Lido. Und ich wusste immer noch nicht, wie die Fahrstrecke verlief. Irgendwann tauchte die Skyline vom Markusplatz und Dogenpalast auf, auf dem Wasser herrschte ordentlich Verkehr, Taxi, Linienschiffe, Fischerboote, Motorboote kreuzten. Am Lido ausgestiegen, kurz orientiert und los ging es. Gerieten in eine Gegend mit ansehnlichen klassischen Villen, dann auf dem Strandweg, wo alles schon für das Ende der Saison vorbereitet oder abgeschlossen war. Das Filmfestareal mit dem modern in weiß gehaltenem Bau sowie nur ca. hundert Meter weiter das Hotel Exelsior, ein Gebäude, das gut in einem Streifen für einen Bollywood-Film passen würde.
Bis nach Malamocco fuhren wir durch eine Gegend ohne nennenswerte Erinnerungsaspekte. Einfache Häuser, Gewerbeflächen, Brachland. Malamocco besaß einen „Altstadtkern“, geprägt von einem zugeschütteten Gewässerarm (Rio Terra) und den darum herumstehenden Häusern. Leider lenkte uns eins der Radschilder auf einen Küstenweg entlang der Schutzmauer gegen ungestümes Meer. Hier gab es keinen Sandstrand, dafür Felsen als Wellenbrecher, schiefe Ebenen aus Steinquadern als Wellenbremser. Alles, was das Meer hier anspült, wird scheinbar von Kreativen verarbeitet.
Wir sahen in kurzen Abständen aus Treibholz gefertigte hüttenähnliche Gebilde auf den Felsen. Pausenstationen, Birdwatching stations oder Überbleibsel von Robinson’s Schiffsbruchepisode? Wir trafen Spaziergänger, alles schien normal, doch der Weg endete im Sand am Strand. Mussten umkehren, was ein wenig ärgerlich war.
Aus den ca. vier Kilometern bis zum nächsten Fähranleger wurden somit ein paar mehr. Neuer Radwegbelag, neu geteerte Straße auf der Via Alberoni. Am Ende verbreiterte sich dieser ca. 12 Km langer schmaler Landstreifen, auf dem sich dann ein Golfplatz befand. Standen zunächst an der falschen Fähre nach Fusina. Nächste Abfahrt wäre hier am Nachmittag um 14.15 Uhr gewesen. Die Uhr zeigte gerade 12 .20 Uhr an. An einer Bar saßen einige Männer bei einem Schwätzchen zusammen. Den Irrtum erkannt, weiter bis zum richtigen Anleger gefahren. 12.50 Uhr fuhr die nächste Fähre. 20 Minuten Pause und sich umzusehen. Es kam dann eine Autofähre, auf der sogar Linienbusse transportiert wurden. Scheinbar alles gut aufeinander abgestimmt. Die Fähre war bis auf den letzten Stellplatz gefüllt. Zehn Minuten dauerte die Überfahrt. Trotzdem stiegen aus dem Bus Fahrgäste aus, um sich aufs Deck zu begeben. Pellestrina, dörfliche Idylle mit charakteristischem Fischerflair. An vielen der Häusern hing Wäsche, mal nur ganz weiß, mal bunt, mal über die Straße hinweg, mal unter dem Fenster. Hinter der Hafenmauer werkelten Fischer an Netzen oder ihren Booten. Auf der Kaimauer oder gegenüber saßen alten Frauen in Gruppen bei einem Schwätzchen, Männer fachsimpelten über irgendetwas, auch ein Liebespaar sah ich später in der Sonne schmusen. Mal führte der Radweg am Wasser der Lagune entlang, mal durchs Dorf. Geräusche aus einem Restaurant lockten uns an, vor der Tür Fahrräder gleichen Couleur eines Verleihers, innen geräuschvolles Getuschel. Wir gingen hinein, in der Hoffnung, in ein urtypisches italienisches Dorfrestaurant gelangt zu sein. Ein lustiger – schwuler – Kellner bemühte sich in englischer Sprache uns alles Recht zu machen. Am Nebentisch ein Paar verschiedener Nationalität, sie telefonierte in russisch, er sprach fließend italienisch mit dem Kellner. Sie verschwand vom Tisch, telefonierte draußen weiter, kam nicht zurück. Er ging hinaus, kam allein zurück. Unser Essen kam, Jolas Gnocchi sahen aus wie dicke weiße Bohnen, von den Scampi wenig zu sehen. Meine frittierten Meeresfrüchte, kleine Calamares, Tintenfischringe und Garnelen lagen allein auf einem weißen Teller, die Pommes wurden quasi als Vorspeise gebracht. Uns drängte der Kellner, die auf dem Tisch stehende Tüte mit Brotkringeln zu probieren, „home made“, war sein Kommentar. Trockenes Knäckebrot, so würde ich die Dinge beschreiben. Mit ein bisschen Olivenöl beträufelt, brachte ich einen davon bei mir unter.
Alles zusammen (Besteck jeweils 2 € extra) zahlte ich 40 €, was augenscheinlich zu viel für die gebotene Speise war. Der Streit zwischen dem Nachbarpaar eskalierte dann, als sie zurückkam und er ihr in englisch vorhielt, sie solle erst essen und dann später telefonieren. Darauf schnappte sie ihren Rucksack und wollte abhauen. Wir hörten dann von draußen ihre weinende Stimme und Fetzen von der andauernden Auseinandersetzung.
Authentisch wirkte die Grillerin bei ihrer Arbeit vor den Fischerbooten. Sie brutzelte vier oder fünf Fische auf dem Grill für Handwerker, die nebenan in ihrem Haus werkelten. Befeuert wurde der Grill mit Holz von Obstkisten.
Chioggia war dann mehr ein kurzer Abstecher als ein wirklicher Besuch. Vom Fähranleger durch eine nicht ganz verkehrsberuhigte Straße, dann einen Weg am Wasser entlang abseits von Autoverkehr. Als wir das Gewässer sahen, fiel uns sofort die Hamburger Binnenalster als Vergleich ein. Zeitlich schien eine Umrundung möglich und so strampelten wir einfach darauf los. Eine beliebte Strecke, nicht nur für radelndes Publikum, auch Jugendliche nutzten die Sitzbänke für ihre Treffen, Frauen schoben ihre Kinderwagen und schwatzten dabei. Dann gegen 16.30 Uhr wieder am Anleger auf die Fähre gewartet und zurück auf die Insel …. Irgendwie blieb keine Zeit mehr für Exkursionen oder Abstecher, denn es galt, die Fähre zum Lido zu bekommen, diesen Abschnitt von rund 12 Kilometern zu bewältigen. Dumm gelaufen, ich fiel auf die Radschilder und die Bodenbeschriftung „Ferry“ herein und wir landeten an der Autofähre. Somit durften wir eine Extrarunde von gut 2 oder 3 Kilometer bis zur Personenfähre drehen. Völlige Dunkelheit herrschte noch nicht, nur ungemütlich frisch war es auf den letzten sieben Kilometern bis zum Campingplatz.
11.10.2019 Freitag
Jola fiel gegen 07.15 Uhr aus den Federn, war am Strand und machte Aufnahmen vom Sonnenaufgang. Sonne sollte nach der Vorhersage heute auch einmal länger und intensiver scheinen.
Für uns stand ein weiterer Tag in der Lagunenstadt auf dem Plan. Pfennigfuchser wie wir sind, nutzten wir das Tagesticket von gestern aus, denn es galt bis ca. 10.15 Uhr heute. Insofern bestand die Notwendigkeit, Frühstück, Körperpflege und sonstige Aktivitäten daraufhin abzustimmen, dass wir rechtzeitig vom Stellplatz aus wegkamen. Das klappte ohne Hindernisse. Im Tour-Modus erreichten wir schnell Punta Sabbione und checkten ein.
Mittlerweile durfte ich mich als routinierter Kenner der Fährverbindungen bezeichnen und konnte einem Schweizer Paar aus der Not helfen. Sie wussten nicht, durch welchen Check-Inn sie gehen müssen.
Deutlich bessere Sicht herrschte heute, Jola zeigte auf die Silhouette der Bergwelt, die wohl meist weniger im Fokus stand, ob wegen schlechter Sicht oder weil einen die Skyline von Venedig ablenkt. Auf dem Schiff stimmten wir uns ab, was zuerst gemacht werden sollte.
In Venedig angekommen, bot sich uns das gleiche Bild wie beim ersten Besuch. Obwohl es schien, als wenn noch mehr Menschen über die drei Brücken zum Markusplatz strömten, beunruhigte mich dies heute weniger. Unser Ziel war der Ticketschalter für Fahrkarten der Linie 1. Die Fahrt bis zum Piazzale Roma kostete genau das Gleiche, wie die Überfahrt nach Punta Sabbione, nämlich 7,50 €. Egal, wir wollten die Paläste von der Wasserseite aus sehen. Das Schiff legte sofort ab, vollgestopft mit Fahrgästen, hangelte ich mich in den Sitzplatzbereich und fand einen der letzten freien an einem Fenster. Jola blieb für mich unsichtbar im vorderen Bereich.
Unmöglich war es, die Route aus dem Venedig-Führer mit dem Stadtplan und der Fahrtstrecke in Einklang zu halten. Das Schiff erzeugte bei jeder An- und Abfahrt einer Anlegestelle äußerst lauten Geräusche, schaukelte, rangierte, vom Fenster aus war es schwierig, verwertbare Fotos zu machen. Keine 50 Meter legte das Schiff von San Marco zurück, da dockte es schon wieder an. Nicht in ganz so kurzen Abständen, aber doch zwischen den ca. 16 Stationen bestand meist kein so großer Weg. Mal links angelegt, mal rechts, dazwischen tourten die Wassertaxis, die Lastboote, die Ausflugsschiffe oder anderer Linienverkehr, nebst der umfangreichen Zahl von schwarzen Gondeln. Zuerst saß neben mir eine schwarzhaarige junge Frau, offensichtlich eine Einheimische, weil des Umfeldes keines Blickes gewürdigt, allein ihre Whatsapp-Nachrichten schienen von Bedeutung. Irgendwann räumte sie den Platz und ein älteres deutsches Ehepaar ließ sich neben mir nieder. Die Schiffe anderer Linien quollen manchmal beinahe über, so voll mit handybestückten Menschen, alle auf der Jagd nach Motiven.
Trotz des langsamen Dahingleitens drehte sich mir bald das Hirn, suchend nach links, suchend nach rechts schauend, nicht das gesehen, was im Tourenplan stand. Ich resignierte, bat die beiden Sitznachbarn mich durchzulassen und begab mich ans Heck ins Freie.
Mehr Weitblick brachte allerdings nicht mehr Durchblick. Zumindest gestattete mir die Position, zu beiden Seiten nach Motiven Ausschau zu halten. Eingefangen habe ich meiner Meinung nach nichts Besonderes.
Vom Wasser aus erlebte ich das Treiben der arbeitenden Bevölkerung intensiver, Lastkähne wurden be- und entladen, ob die Lieferungen über Amazon bestellt wurden, lasse ich einmal offen.
An der vorletzten Station Ferroviaria leerte sich das Schiff erstmals nennenswert. Jola zeigte nach dem Aussteigen am Piazzale Roma ihre gewohnt bekannte Begeisterung, wenn ihr etwas außergewöhnlich gut gefallen hat (ach war das schön…). Von hier aus wollten wir den Rundgang zum jüdischen Viertel (Ghetto) machen, danach die Strada Nuovo mit der Shopping-Meile finden.
Zum Bahnhof überschritten wir die gläserne Brücke Ponte delle Costituzione. Am Bahnhof selbst das bekannte ameisenhafte Treiben, hinein, hinaus, hierhin und dorthin wuselten die Ankommenden und Abreisenden. Jola stellte wohl zu recht fest, aus einem Zug zu steigen, den Bahnhof zu verlassen und dann dann diesen Ausblick als erstes von einer Stadt zu erhaschen.
Gegen 12.30 Uhr einen Cappuccino „to go“ (Nachhaltigkeit nicht beachtet) gekauft, auf die Marmorstufen des Bahnhofs in die Sonne gesetzt und von unseren bei COOP gekauften Casanova-Keksen geknabbert und die beruflich / privat aktiven Kofferträger bei ihre Beschäftigung beobachtet.
Fanden auf der Fondamenta di Cannaregio ein Hinweisschild „Synagoge“, das ich falsch „gelesen“ hatte und wir deshalb am Canale Cannaregio in voller Sonne ins Ungewisse spazierten. Das Ghetto der Juden im Bezirk Cannaregio entdeckten wir auf dem Rückweg dennoch. Nur ein schmaler Durchgang führte uns auf die Ghetto Vecchio, wo wir uns sogleich ab vom Mainstream befanden, kühle Luft strömte durch die Gasse, nur wenige Besucher, hebräische Schriftzeichen, auch auf Speisekarten, ein Mann in orthodoxer Kleidung hantiert in einer Galerie an irgendwelchen Objekten herum. Studierte eine Speisekarte und fand „Hühnersuppe mit Mezze“ als Mittagssnack appetitanregend, doch Jola war bereits vorangeschritten und zeigte kein Interesse. Die meisten Häuser auf diesem Teil unseres Rundgangs vertrügen meiner Auffassung nach eine Renovierung/Sanierung. Vor einem Gebäude eine Rotunde in der drei Polizisten saßen, vermutlich nicht aufgrund der aktuellen Geschehnisse in Halle in Deutschland, aber auch in Italien muss offensichtlich jüdisches Gut besonders geschützt werden. Die ausgeschilderte Synagoge fanden wir nicht. Über eine Brücke gelangten wir in die Gasse Ghetto Nuovissimo.
Essen gegen 13.15 Uhr in der Osteria Mariner Di Gherardi in der Fondamenta Degli Ormesini. Im Hintergrund des Lokals tauchten nach und nach auf einem Bildschirm alte schwarz-weiß Aufnahmen auf, wahrscheinlich aus dem Umfeld dieser Osteria, womöglich waren auch Aufnahmen aus dem jüdischen Ghetto dabei. Gegen 14.40 Uhr marschierten wir nach dieser nur mittelmäßigen Stärkung weiter auf dem Fondamenta della Misericordia, bogen in die Calle Larga ab, um die alternative Szene in diesem Stadtteil zu entdecken, ohne Erfolg. Der Campo Madonna Dell‘Orto erhielt seinen Namen von der gleichnamigen Kirche, vor deren Eingang das Pflaster im Fischgrätenmuster verlegt worden war. Tintoretto arbeitete in dieser Kirche über dreißig Jahre.
Neben der Kirche eine Art Atrium, außen herum Arkaden, unter denen aktuell großformatige Bilder ausgestellt wurden. Ein Ort der inneren Einkehr. Oben in der Mitte aus Arkadensicht eine „devote“ Aufnahme der Kirche aus Büßerperspektive. Über eine Brücke (ohne Erinnerung an deren Namen) und die Fondamenta Dell’Abazia ging es auf den Campo Della Misericordia. Ob hier oder ein Stück weiter im Palazzo Lezze oder beinahe nebenan in der Scuola Vecchia d. Misericordia begaben wir uns in ein kirchenähnliches Gebäude in dem eine Ausstellung „1919 … 2019 Ligabue” stattfand.
Ich bleibe hier einmal bei der Bezeichnung „Kirche“ für diese Ausstellungshalle. Von der Reederei entwickelte sich dieses Unternehmen zu einem diversifizierten Konzern mit weitgefächertem Portefeuille bis hin zum Catering oder Exploration in Afrika. Davon zeugte ein Skelett eines Sauriers.
Eine Stunde später spielte sich auf einem freien Platz eine skurrile Szene ab, Filmaufnahmen wurden permanent von Passanten gestört, weil zwei Crewmitglieder es nicht schafften, die Leute hinter einer imaginären Absperrung zu halten. Die Verpflegung stand auf Klappstühlen, Schnittchen, die wohl schon länger auf Abnehmer warteten. Es zuckelten ein paar recht freakig gekleidete weibliche Komparsen zur Probe über den Platz.
Beide mit müden Beinen strebten wir ab hier den Weg zur Fähre zurück an. Jola kaufte eine venezianische Fahne, einen Magneten und einen Schlüsselanhänger, drei Paar Handschuhe und eine Handtasche.
Die Fähre brauste gerade davon als wir unsere Tickets lösten. Eine halbe Stunde Wartezeit bis 18.10 Uhr. In den Sonnenuntergang hinein erlebte ich das erste Auslaufen einen Kreuzfahrschiffes.
Jola freute sich darauf, Brot zu rösten und Bruscetta mit Tomaten und Zwiebeln für unser Abendbrot zuzubereiten.
12.10.2019 Samstag
Ein Ruhetag, abgesehen von meinen vierzig gezogenen Bahnen im Schwimmbecken. Mittags im Restaurant gegen 14 Uhr gegessen. Waren neben einem italienischen Paar die einzigen und bald auch letzten Gäste, um 15 Uhr schloss das Lokal. Am WoMo einen Espresso gemacht.
Es wurde dann doch noch ein Ausflug per Rad nach Treporti gemacht, die Fährstation nach Murano angesehen, zurück zur Kreuzung und von dort vier Kilometer weiter durch die Lagunenlandschaft auf einer Art sehr schmalen Damm (schnell tauchte bei mir die Erinnerung an Radtouren nach Ochsenwerder auf), nach Lio Piccolo. Ein Ort, eher ein Flecken, zwischen den mit Gräsern bewachsenen Erdhaufen im Lagunenwasser, mit einem Kirchturm, einem Herrenhaus und ein paar Gebäuden drum herum.
Ziemlich lange her, als ein reicher Mann den gesamten Ort kaufte und hier ein Domizil errichtete. Ein kleines Museum bezeugte Funde von Scherben etc. Für mich merkwürdig war, dass doch etliche Menschen diesen Ort aufsuchten, ob mit Motorrad, Auto oder per Fahrrad.
Im über die Straße hinaus liegenden Gewässer durfte man einige installierte „Kunstwerke“ bewundern. Auf der Rückfahrt fuhren wir einer blaugrau schimmernden Himmelsdecke über der Adria entgegen, hingegen schien über der Lagune noch die Sonne, seltsame Atmosphäre.
Wir kauften bei Eurospin ein.
Jola sammelte spät nachmittags Muscheln am Strand.
Ich versuchte abends für diesen Reisebericht den gestrigen Venedigbesuch nachzuvollziehen.
Jola klagte über ein dickes Knie.
13.10.2019 Sonntag
Ein Spaziergang in diesiger Atmosphäre am Strand in Richtung „Union“. Pferdespuren im Sand, ein morgendlicher Ausritt (?). Die Nebenplätze hatten ebenfalls noch geöffnet, insofern war die Zahl der Strandbesucher nicht so ungewöhnlich. Auf den Felsen im Meer saßen vereinzelt afrikanisch aussehende Menschen mit Drachen oder Strandtücher, die sie gerne den Touristen verkaufen würden. Wir suchten den Sand nach Muscheln ab, Jola zeigten zweimal erschrocken auf Quallen im Meer, die merkwürdigerweise kopfüber im Wasser durch die Wellen hin und her geschaukelt wurden. Eine besaß einen lila Rand, wie eine Bordüre umrundete dieser Farbkreis die wabbelige Hülle.
Ich sammelte ein paar besonders interessante Austernschalen, Jola die klassische Variante.
Mittags wärmte Jola eine Packung Risotto mit Steinpilzen auf, danach wurde bayrisch zünftig Weißwurst verspeist.
Ausflug am Nachmittag zum Leuchtturm durch Wohngebiet mit landwirtschaftliche Nutzfläche. Ab und an staunte ich über gelungene Bauweise neuerer Häuser, die großflächigen Grundstücke. Kamen an ein Museum, das wie eine Festung aussah und Relikte und Dokumente zum „Großen Krieg“ (der 1. Weltkrieg) zeigte. Uns war jedoch nicht nach Museumsbesuch und Kriegserinnerungen. Die sehr lange Via Adige war unsere Leitlinie, um zum größten Campergelände auf dieser Halbinsel zu kommen. Der Platz hatte noch geöffnet, wir wagten eine Rundfahrt auf dem Areal. Neben der riesigen Spaßbadanlage sahen wir eine Bank, eine Apotheke und Platznummern im 6000er Bereich. Rund 2580 Plätze sollten hier Campergästen angeboten werden. Uns war dieses Dorf „zu groß“, zu unpersönlich. Vor dem Leuchtturm ein Naturschutzgelände ohne Campingplatz. Viele Spaziergänger wanderten auf einem Damm zu dem gedrungen wirkenden Turm.
Wir
Ich säuberte nach meiner Rückkehr die Fassung für die Markise, Jola tätigte derweil in einem Supermarkt noch Einkäufe. Gegen 17.15 Uhr huschte ich schnell ins Schwimmbad, schwamm meine vierzig Bahnen. Zwei Tage hintereinander 1.000m, das spürte ich in den Muskeln.
Wir scannten die Wetterlage für die nächsten Tage, wollten ggf. danach nächste Ziele aussuchen. Meine Vorschläge waren Triest oder Vicenza und Umgebung. Entschieden uns für Vicenza, weil die Stadt als „Weltkulturerbe“ ausgezeichnet ist und das Umfeld zur Radroute gehörte.
Jola ging um 10 Uhr ins Schwimmbad. Ich erledigte die Aufräumarbeiten, alles gepackt, nichts vergessen, nichts kaputt gegangen. Grauwasser in einer eng zu befahrenen Ablassstelle entsorgt. Bei gleicher Wetterlage, diesig, warm, die Sonne hielt sich irgendwo im Hintergrund vornehm zurück, starteten wir frohgemut unsere Anreise nach Vicenza. Im Prinzip die gleiche Strecke, nach Treviso, dann nahe bei Cittadella, wo es rechts nach Bassano abging, wir weiter die SS53 fuhren. Reichlich Gewerbe- und Industriegebiete auf der Strecke, die offenbar eine vorzugsweise von LKW benutzte war.
In Vicenza dann die Enttäuschung, der Campingplatz hatte geschlossen. Was nun? Jola fragte im Hotel nach, bekam einen Stadtplan und den Hinweis, es gäbe einen Parkplatz mit Stellplatz. Ich gab ins Navi die Adresse des im Stellplatzführer genannten Stellplatzes ein. 10 Minuten später standen wir auf einem Parkplatz, separiert am Ende Stellplätze für größere Fahrzeuge. Elendig sah es hier aus. Jola traf ein deutsches Ehepaar, das gerade abfahren wollte, die ihr den Weg in die Stadt beschrieben.
Mit dem Rad waren es tatsächlich kaum mehr als 2 Kilometer. Die Straßen in miserablem Zustand, das nicht nur hier, sondern schon auf der gesamten Strecke. Radwege waren selten, dafür der Verkehr um so intensiver. Kurz an einem Wasserlauf entlang (Bacchiglione?), dann erreichten wir die „geschützte“ Altstadt zu einer Zeit, als Mittagspause im Ort herrschte. Dadurch wirkte die Stadt ausgestorben und verlassen wie eine tote Westernstadt, trotz der eindrucksvollen Bauten von Palladio.
Die Tourist-Information befand sich unmittelbar neben dem Teatro Olimpico, die äußere Fassade bearbeiteten gerade zwei weibliche Restauratoren (oder waren es nur einfache Maurerinnen?). Sie kratzten oder spülten mit Wasser Fugen zwischen den backsteinfarbenen Ziegeln aus.
Der Eingang nebenan zum Garten des Theaters war mit Gaze verhüllt, Restaurierungsarbeiten.
Gegenüber das Museum „Civil“ im Palazzo Chiericati (Palladio, 1550), davor eine Skulptur von Dali, dem eine Ausstellung in der Stadt gewidmet wurde und man von ihm mehrere Werke vorfand. Wir schoben zunächst unsere Räder mit uns durch die Alt-Stadt, wo ein Säulen-Palazzo dem anderen folgten, Foto oder kein Foto war dabei die Frage. Jola wollte hierhin, ich dahin, so zuckelten wir durch die Gassen, Produkte aller Art gähnten uns durch Schaufenster aus geschlossenen Geschäften an, vor den Bars saßen ein paar Menschen, ob Einheimische oder Touristen, war nicht immer auszumachen.
Jola quälte Hunger und Durst und drängte auf einen Imbiss, da konnten auch imposante Bauwerke von Palladio oder die Skulpturen von Dali keine Ablenkung mehr schaffen. Selbst das Monument Kathedrale am Piazza Duomo fand keine ausreichende Beachtung mehr.
Nach der schwierigen Suchen einer Lokalität für einen späten Imbiss kehrten wir in ein kleines Café mit Namen „Gran Caffè Sas“ am Corso Palladio ein, bestellten Panini und Kaffee, nahmen in eine Ecke direkt am Fenster neben der Tür Platz. Blickte ich links oder rechts neben Jola, so schaute ich in Spiegel und sah so ständig doppelt Personen von einer Seite zur anderen gehen, mein Gehirn war irritiert.
In einer Nebengasse saß eine Frau auf einem Hocker und spielte auf ihrer Geige für Passanten Klassisches. Hinter ihr eine weitere Skulptur von Dali.
Mittlerweile schienen die Menschen dieser Stadt zum Leben erwacht zu sein, es füllten sich die Straßen, die Läden öffneten und eine angenehmere Atmosphäre entstand so bei unserer Fortsetzung der Stadterkundung. Auffällig viele Unternehmen waren hier ansässig, bspw. dm, Tiger, Eurospar, Douglas, die wir auch aus Deutschland kannten.
Wanderten zum Campo Marzo, in dem Jogger definierte Laufstrecken oder andere Sportbegeisterte einen Trimm-Dich-Pfad nutzen konnten. Zu Jolas Leidwesen tummelten sich aber auch Drogensüchtige im Park herum, lagen unter Bäumen oder setzten sich einen Schuss. Unabhängig von solchem Ungemach boten alleeartige Promenaden und Ausblicke auf Kirchen oder andere sichtbare Objekte auf Hügelkämmen abwechslungsreiche Ansichten. Wir wollten noch den zweiten mit Stellplätzen ausgewiesenen Parkplatz besichtigen, der lag am anderen Ende der Altstadt oberhalb des Parks Querini.
Auf dem Weg zurück zu den Rädern lichtete ich in der Nähe der Basilika ein letztes Palladio-Gebäude ab, die Loggia del Capitaniato (1550).
Die Fahrt dorthin gestaltete sich schwierig, trotz Stadtplan. Ein hilfsbereiter Einheimischer versuchte durch Zeigen und mit italienischen Vokabel wie „dove …“ uns zu erklären, wie wir fahren sollten. Ob es Feierabendverkehr oder nur normaler war, er nervte total, da keine Radwege auf der Strecke existierten. Der Parkplatz stellte für uns keine Alternative dar, wir kehrten um, in Gedanken fragte ich mich, was nun?
Noch ein weiteres Werk von Dali, dessen Name mir entfalle war.
Das Wetter kippte, zwar noch warme Luft, aber keine Sonne mehr. Wann kommt der Regen?
Wieder am WoMo, kam sofort Jolas „Entscheidung „wir fahren heute nicht mehr weiter!“, wohingegen mir vorschwebte, erst einmal weg von diesem für Radfahrerfreunde unerfreulichen Umfeld zu kommen. Ein paar andere Wohnmobile parkten gerade ein, also nicht ganz allein mit möglichen „Zigeunern“, wie uns anfangs von dem abreisenden Paar „zugeflüstert“ worden war. Wird einem so eine Info „gesteckt“, wird man entgegen aller Neutralitätsversuchen von seinen Vorurteilen eingeholt.
Wir blieben! Checkten die Wetterlage, wohin könnte es gehen, wollte man das (beste) Wetter die Zielrichtung vorgeben lassen. Überall ward Regen angekündigt. „Kaltern“?, „Bozen“?, „Meran“?, „Ehrwald“?, „Murnau“? Oder das „Vinschgau“?
Jola fand Informationen, dass es in Murnau am günstigsten aussähe.
Gegen 02.30 Uhr torkelte ich trockenen Fußes auf die Toilette, wieder im WoMo klackerte es vereinzelt aufs Dach, es begann zu regnen. Erst in einem leisen Rhythmus, als wenn ein Ball geräuschvoll eine sandige schiefe Ebene hinabrollt. Wie der Ball, so nahm auch der Regen Geschwindigkeit auf bzw. erhob sich der Pegel lautstark zu einem Trommelfeuer.
Morgens zeigte sich das Umfeld weißlich wolkenverhangen. Die Sachen verstaut, alles richtig und ordentlich verpackt, ging es auf die Tour nach Levico Terme. Am Ausgang musste Jola bei dem Mann mit der Gehhilfe erst unseren Namen auf der vorgehaltenen Papierliste zeigen und die Abfahrtzeit war einzutragen. Dann marschierte er zu seinem Wärterhäuschen und bediente den Türöffner, wobei die beiden schweren Metalltüren sich wie in einem Film ganz langsam aufschwenkten und wir in die Freiheit hinausfahren durften.
Den gesperrten Weg ignoriert, die Alternative ignoriert und wir fuhren auf der Staatsstraße, ob es ein Umweg war, lasse ich an dieser Stelle offen. Nachdem ging es durch den ziemlich langen Tunnel und danach auf der SS47 ca. 25 Kilometer Richtung Padova, die Schlucht im Valsugana wirkte dunkel bedrohlich. Abfahrt Caldonazzo und dann waren Campingplätze bereits ausgeschildert. Der erste war – schon bekannt – geschlossen. So landeten wir auf dem 4 Sterne Campinggelände „Village Lago Levico“, der vor seiner Schranke ein umfangreiches Campergelände für WoMos anbot (20 €/Tag).
Jola wünschte eine Besichtigung des Campinggeländes, wir sahen uns deshalb Plätze für 19 €/ 22 €/ 25 € an. Letztgenannter mit eigener Toilette und Abwaschmöglichkeit. „Das gönnen wir uns für die nächsten drei Tage“ so ihr Kommentar. Platz 446 wurde ausgewählt.
Aufgestellt, alles prima.
Nur es begann zu regnen, die Aussicht für heute: bescheiden. Jola erkundete trotzdem mit dem Rad das Umfeld.
Eine Fahrt in den Ort, wir nutzten ein Stück den ausgeschilderten Wanderweg, der uns fast bis ans Seeufer führte, dann aber wegen „Privat“ nicht weitergefahren werden durfte. LevicoTerme lag etwas oberhalb des Sees am Hang. Die Straßen im Ort befanden sich im typisch italienischen Zustand kleinerer Städte/Orte. 6.500 Einwohner sollen hier ihren Wohnsitz haben, deren Vorfahren vermutlich einmal bessere Zeiten erleben durften. Die Therme war kein Wellnesstempel, sondern bot u.a. Anwendungen mit eisen- und arsenhaltigem Wasser etc. an. Die Wege ins Zentrum waren meist steil, die Straße als Fußgängerzone querte den Ort am Hang eben. Hier fanden wir gegen 13.30 Uhr die Pizzeria „Al Conte“, bei der wir im Innenhof zu unserem verdienten Mittagsschmaus kamen. Mangelnde Sprachkenntnisse waren bei Einkäufen oder Bestellungen bisher kein Problem, mit Deutsch oder Englisch klappte das, wenn nicht sogleich, dann doch mindestens unter Zuhilfenahme von Gestik und Mimik.
Die Fußgängerzone wirkte verlassen, kein Wunder, es galt noch die Mittagspausenzeit.
Auf dem Weg zur Therme befand sich rechts die Kirche, am Straßenrand zwischen Fuß- und Fahrweg plätscherte ein Bächlein in einem mit hellem Stein gemauerten Bett in Richtung Rio Maggiore. Ab und an verschloss ein Holzsteg den Lauf oder eine Sitzbank war darüber installiert, von der aus man in heißen Tagen seine Füße dort hineinbaumeln lassen könnte. Am Ende des Bachlaufes sprudelten kleine Fontänen aus irgendwelchen Düsen, danach verschwand das Wasser unterirdisch.
Die Schaufensterauslagen zogen nicht unbedingt die Blicke von Passanten auf sich, jedenfalls nicht während der Mittagspause, wenn alles mehr oder weniger „verrammelt“ war. Trotzdem blieb ich vor einem Geschäft stehen, schaute in die Auslage einer Glasvitrine. Die ausgestellten Handtaschen fanden sofort meine Aufmerksamkeit. Originell fand ich dieses von mir fotografierten Exemplars mit Wählscheibe, älteren Menschen noch bekannt, jüngeren eher ein Zeugnis der Retro-Kultur.
Von der Therme aus wand sich eine Straße zum Ort Vetriolo auf über 1.300m hinauf. Eine Informationstafel erklärte, hier sei der erste Nichteuropäer beim Radrennen Giro D‘Italia als Etappensieger oben angekommen und wer es den Profis nachmachen wolle, für die stand eine Tafel mit Angaben zu den prozentualen Steigungen für jeden Kilometer bereit. Wir folgten dem Hinweis Therme-Park, auf dem Weg umkreisten wir die Therme zu Fuß, fanden den Park aber nicht. Die Kirche als Orientierungspunkt führte uns zurück zur Via Regia. Mit den Rädern unterm Hintern trudelten wir die Straße Via Marconi hinunter, an der links sich alsbald ein Eingang zum Park befand. Herrschaftlich thronte in der Ferne ein Gebäude, das sich später als Grand Hotel zu erkennen gab. Keine Beschränkungen hinsichtlich des Fahrens mit Rädern am Eingangstor gesehen, strampelten wir auf unseren E-Bikes im Park die Wege ab, meist seicht hinauf, erst zu einer Bar mit WC, dann zu dem Gebäude.
Am Ende machten wir einen Abstecher an den See, tatsächlich kam nach dem Lido bereits das Verbotsschild „keine Fahrräder“. Artig schoben wir unsere Drahtesel, wollten keinen Ärger mit Spaziergängern bekommen. Jola kaufte sich am Kiosk ein Eis und wir setzten uns für ein Viertelstündchen an eine Picknickbank in die Sonne.
Der Versuch, noch einen höher gelegenen Aussichtspunkt namens San Biagio über die Via Belvedere anzufahren, scheiterte an der Unterführung, wo Jola fröhlich weiter in die Pedale trat, mein Rufen ignorierte/nicht hörte, ich den Fußweg beschritt, die weitere Auffahrt aber scheute und umkehrte. Jola hatte wohl den gleichen Gedanken, war schon eher abwärts gefahren und hantierte am WoMo mit dem Wasserkocher.
03.10.2019 Donnerstag
Nachts öffnete der guten Mann im Himmel wieder seine Schleusen, Trommelfeuer auf dem Dach, dazu heftigste Sturmböen, die unsere Satellitenantenne in Schwingungen versetzten. Immerhin sorgte dann der Sturm für klare Verhältnisse am Morgen, keine Wolke mehr am Himmel. Die von Jola besorgten Brötchen glichen ein bisschen aufgepumpten Hefebällchen, ließen sich aber essen. Das morgendliche Reinigungszeremoniell in der Holzhütte vollzog sich spartanisch. Anmerkung: Im Winter möchte ich hier nicht meine Säuberungsrituale durchführen, der Raum hat nämlich keine Heizung; aber das ist ohnehin irrelevant, denn der Campingplatz schließt am 13.10.). Ärgernis war zudem, den Stopfen für den Abfluss im Waschbecken versenkte ich soweit, dass ich ihn zunächst nicht wieder herausfummeln konnte.
Unsere Tour heute führte uns nach Caldonazzo, Ort als Namensgeber für den gleichnamigen See. Der Radweg bis dorthin verlief ca. 1,5 Km im Zickzack durch Apfelplantagen. Im Ort übersichtliche Beschilderung, die uns in die Nähe des Seeufers lenkte. Kleine weißliche Schaumkronen, erzeugt von dem immer noch böigen Wind kräuselte die Wasseroberfläche. Der See mit seinem ihn umringenden Panorama erinnerte ein wenig an ähnliche Gewässer, wie bspw. den Lago Maggiore.
Bei meinem Blick auf den See entdeckte ich auf dem Wasser ein herrenlosen Surfbrett als Spielball der Strömung/ des Windes. Kein Besitzer in Sicht (hoffentlich kein Unfall!). Nach der Asphaltfahrt gerieten wir für ein kurzes Stück auf einen am Ufer befestigten Steg. Nach gut 4,5 Km blieb der See rechts zurück und wir näherten uns Canale, ein winziger Flecken, kurz bevor wir das eigentliche Ziel Pergine erreichten.
Ziemlich am Anfang der Einfahrt in den Ort sahen wir das Schild „Castel Pergine“, das uns auf eine schmale steile Straße gelenkt hätte. Die Ortsbesichtigung stand zunächst im Vordergrund. Am Piazza Fiere dockten wir die Räder in der Nähe zweier Ladestationen für E-Mobile an und begaben uns auf Erkundungstour. Aus dem Spaziergang durch die Fußgängerzone blieb mir ein lautes Durcheinanderreden mehrerer älterer italienischer Frauen an einem Restauranttisch in Erinnerung, zu dem ich kommentierte „hört sich an, wie wenn Waschweiber beim Aufhängen miteinander tratschen“. Suchten einen Bäcker, fanden einen, wo wir Brötchen, Brezel, Kuhbonbon und Kringel kauften. Damit im Schlepptau marschierten wir an unseren Rädern vorbei, gefunden werden wollte ein Kastanien-Park. Stattdessen pausierten wir ca. 100m weiter im Café Teatro. Die beiden Kaffee americano brachte uns der Mann an unseren Hochtisch, zwar in sonniger Lage gelegen, aber stürmisch war es nach wie vor. Jola probierte von ihren Küchlein und spendierte mir Kuhbonbon.
Großflächig blickte von einer bemalten Hauswand ein Mann mit am Ohr angelegter Hand herab, augenscheinlich wollte er mithören, was am oder über das Theater gesprochen wird.
Ein Stück weiter zwischen Baumreihen der Friedhof, etwas versteckt hinter weißen Mauern, gegenüber die Kirche zu Ehren Maria (Santa Maria).
Ich hatte bereits in der Ferne die Silhouette des Castel auf dem Berghügel gesehen. Da hinauf sollte es als nächstes hingehen.
Deutsch war hier an vielen Stellen allgegenwärtig, von „tedesco canopi” (= Knappen) war auf einer Infotafel die Rede, eine Büste eines Herrn Regensburger neben der Kirche und die Habsburger tauchten alle Nase lang bei Erläuterungen auf.
Kleinstädtische Tristesse, aufgemöbelt durch diverse Schautafeln über Vergangenes, ausgenommen die Kirchen, deren Vorplätze und der Friedhof. Wir wendeten, holten unsere Räder, fuhren ca. 2 Km bis zum Kreisverkehr, wo die etwas über tausend Meter steile Auffahrt begann. Hier musste ich schon den Modus „Sport“ und „Turbo“ bemühen, um diese Herausforderung zu meistern. Trotz Unterstützung pumpte das Herz reichlich Blut durch die Adern.
Die Mühe lohnte sich am Ende, denn die Räumlichkeiten waren absolut sehenswert, zudem boten Exponaten aus Holz allenthalben Abwechslung bei der Erkundung der alten Gemäuer nebst Außenanlagen. Im fein restaurierten Rittersaal, gleichzeitig Rezeption und Gastraum mit angrenzender Kapelle (Andreas) in Miniform, saßen wir am Burgfenster, das mit den Wappen alter Fürsten, Grafen oder sonstigen wichtigen Persönlichkeiten aus vergangener Zeit geschmückt waren.
Bar im Castel Pergine Bar im Castel Pergine Bar im Castel Pergine Bar im Castel Pergine
Solche Räumlichkeiten gefallen Jola ja generell, so war ein etwas längerer Aufenthalt nichts Ungewöhnliches.
Blätterten bei Mineralwasser und Aperol Spritz in den Annalen des Kastells und lasen über die jetzigen Besitzer und deren Modernisierungsmaßnahmen. Die Abfahrt vom Kastell erfolgte notgedrungen mit angezogener Bremse. Ein Zwischenstopp nutzte ich für den nebenstehenden Schnappschuss.
Auf der Nebenstrecke an einigen Häusern des Ortes Masetti vorbeigefahren, einmal wohl falsch abgebogen, so gerieten wir kurz an die viel befahrene Straße direkt am See. Die konnten wir nach ca. 200m wieder verlassen, mussten allerdings bis Tenna gut vier Kilometer aufsteigen. Von dort aus bei 10% Neigung in rasanter Talfahrt hinunter nach Levico Terme, wo wir direkt am Campingplatz ausrollten.
Vom 30. Jahrestag des Mauerfalls bekam man hier wenig mit.
04.10.2019 Freitag
Frisch war es geworden, den morgendlichen Sonnenaufgang durch das Sonnendach im WoMo betrachtet.
Kleine Besonderheit, im Privatbad passte der Stecker vom Föhn nicht in die Steckdose.
Unser Plan, bzw. Jolas Vorschlag war, den Brenta-Radweg (nach dem gleichnamigen Fluss benannt) abzufahren. Als „familienfreundlich“ im Prospekt tituliert, sollte es auf ihm beständig bei leicht abschüssiger Neigung bis zum bekannten Grappa-Ort „Bassano“ gut zu fahren sein. Dem war dann auch so, lobenswert zudem die Beschilderung auf der gesamten Strecke. Zunächst plätscherte der schmaler Bach neben dem breiten und durchgängig asphaltierten Radweg daher, umgeben von krautigem Wildwuchs, durchsetzt von gelben Tupfern einer den Margeriten ähnlichen langstieligen Pflanze. Der Lauf erinnerte mich ein bisschen an die „Schwartau“ bei uns zu Hause. Apfelplantagen wurden teils durch Maisfelder abgelöst. An den Hängen zeugten Häuser und Kirchen von urbanem Leben in diesem breiten Tal. Unterwegs an vielen Plätzen Bänke und Tische zum Rast machen (auch Biker-Grill). Ein Stück des Radweges nutzten etliche Skater als Trainingsstrecke, wahrscheinlich übten sie für den winterlichen Langlauf. Novaledo, Marter, Roncegno hießen die Orte, die linker Hand nach und nach hinter uns verschwanden. An einer am Hang gelegenen kirchlichen Ruine baute man unterhalb Wein an. Diente die Ruine als Schutzwall gegen Murenabgang etc.?
Zwischenzeitlich breitete sich das Bächlein zu einem ansehnlichen Flusslauf aus, führte mehr Wasser bei höherer Geschwindigkeit mit sich. Enten saßen auf Felssteinen inmitten des Bettes, welche schwimmen mussten, paddelten mit ihren Füßen angestrengt gegen die Strömung an.
Radfahrer natürlich in beiden Richtungen anzutreffen, kaum jemand ohne Akku unterwegs, ausgenommen die Rennradler.
Es kam unser Zwischenziel „Borgo“ gegen 11.15 Uhr in Sicht. Ins Zentrum gelangten wir kaum 5 Minuten später. In der Nähe des gerade neu gestalteten Platzes vor dem Rathaus blieben die Räder zum Ausruhen stehen (Dante Piazza; Dante und Battisti sind im Trentino häufig Namensgeber für Plätze und Straßen). Endlich konnte sich mein Körper in der angenehm warmen Luft an der Sonne aufwärmen (die Temperaturen im Schatten und der Fahrtwind taten unterwegs ein Übriges zu fast erfrorenen Fingern und kalten Füßen).
Der Fluss suchte sich seinen Weg durch den Ort. Brücken gab es deshalb einige zu queren. Auf der vermutlich ältesten davon standen zwei Steinaltäre auf den seitlichen Steinmauern, in denen irgendwelche Heiligenbilder verewigt waren. Die Brücke vermittelte ein bisschen „Venedig feeling“.
Äußerlicher Zerfall fiel uns zuerst beim Schlendern durch die Gassen im Zentrum auf, zu Innenansichten reichte es nicht.
Doch bei genauerem Hinsehen fanden sich andere Beispiele. Viel Farbe ward auf Fassaden aufgetragen, Mauerwände verputzt und Zimmerer und Dachdecker taten ihre Arbeit: neu gedeckte Dächer und Dachstühle zeugten von Modernisierung.
Hübsch die Schule, gegenüber ein architektonischer Tupfer, ein altes Industriegelände wurde umfunktioniert, untergebracht darin u.a. die Stadtbibliothek und das Theater.
Beim Durchlauf durch die Innenstadt hatten wir bereits ein Lokal mit einer ansprechenden Speisekarte entdeckt. Dorthin kehrten wir zurück, nahmen draußen Platz. Scheinbar war dieses Lokal eine Domäne von einheimischen Werktätigen, soweit ich das an der Kleidung festmachen wollte. Es dauerte, bis eine Bedienung kam, erkannte in uns „ausländische Gäste“, schickte deshalb eine andere mit Deutschkenntnissen. Es wurde das Menü aufgezählt, zu schnell und mir nicht ganz verständlich, wünschte ich einen Blick in die Karte. Ein Fehler vielleicht, denn bis die gebracht wurde, waren wir fast verhungert. Jola nahm das Menü, was sich später als Menü Surprise entwickelte. In Erwartung eines leckeren Essens geduldeten wir uns. Währenddessen strömten gesättigte Gäste haufenweise das Lokal, wunderten uns, wo die alle herkamen. Gerade stellte ich Jola mit der Frage „gehen oder bleiben?“ vor eine Entscheidung, die natürlich zugunsten des „Wartens“ ausfiel. Just als sie aufstand, um nachzufragen, kam ein Mann mit drei Tellern. Die rötlichen Nudeln sollten eigentlich die Vorspeise des Menüs sein. Das gegrillte Gemüse war essbar, aber lieblos auf dem Teller drapiert. Das Rehragout mit Tagliatella mundete mir. Den Weißwein frizzante, der zu Jolas Menü gehörte, von dem ich probieren durfte, ließ ich als ungenießbar stehen.
Das Hauptgericht für Jola kam nicht, der Nachtisch sollte Tiramisu sein, das war jedoch aus, stattdessen musste Jola sich mit einem Stück Apfelkuchen zufrieden geben. Mein Kaffee corretta wurde mit Grappa „gestreckt“ und war für mich ein schmackhafter Abschluss.
Etwas fröstelig zogen wir von dannen der Sonne entgegen. Wir radelten weiter, Wolken zogen vermehrt auf, die Variante bis Bassano fiel durch, zu weit noch, mit dem Zug zurück wäre eine andere Option. Eine Abzweigung wies nach Castelnuevo, vorbei, dann einigten wir uns, bei der nächsten Ortsausfahrt abzubiegen, dort auf einen Kaffee einzukehren und den Weg zurück anzutreten.
Agnedo hieß der Ort, zu dem wir bei 8% Steigung uns hinauf hangelten, uns dann wunderten, das Ortsschild von Stringo vor uns zu sehen. An der Bar Centrale gehalten, Cappuccino (2,60 € für beide!) bestellt und den Puls auf Normalfrequenz kommen lassen.
Was wir an Anstrengung für das Hinauf aufwendeten, neutralisierte das genüssliche Hinabgleiten nach Scurelle und Castelnuevo, wo wir wieder auf den Brenta-Radweg gelangten. Wundersamerweise schien es auch auf dem Heimweg nicht wirklich Steigungen zu geben. Kurz vor Levico Terme schickte die Sonne eine Botschaft durch die Wolkendecke, was einer Szene „göttlichen Sendungsbewusstseins“ glich.
Ein angenehmes Gefühl, trocken, nicht (mehr) unterkühlt und ohne Pannen wieder am WoMo zu sein.
Die Planung des weiteren Reiseverlaufes warf seine Schatten voraus. Jola tendierte zu einem Aufenthalt auf der Seiser Alm, ihrem Wunschziel. Für mich derzeit kein Thema, wenn, dann nur auf der Rückreise. Ohnehin sei es nach dem Wetterbericht dort regnerisch und Schnee sollte fallen. Keine Option für mich. Entweder gen Adria um Venedig herum oder Bergamo und an die Seen (Iseo / Lago Maggiore).
Weil morgen die Sonne (ein letztes Mal) scheinen soll, werden wir wohl den nächsten Tag noch am jetzigen Standort bleiben.
05.10.2019 Samstag
Genau so kam es, beim Frühstück fiel die Entscheidung, hier zu bleiben. Kaum etwas beeinträchtigte die Sonne beim Scheinen. Eine Fahrt nach Roncegno Terme, Jolas Idee von gestern, verschoben wir auf den Nachmittag. Stattdessen zogen wir unsere Wanderschuhe an, marschierten zum See, den Weg Belvedere entlang, wie schon vor ein paar Tagen mit dem Rad. Das Ziel: das Kirchlein San Biagio in rund 550m Höhe mit Aussicht auf See und Stadt. Keine Wanderwegmarkierung oder Beschilderung. Da es aufwärts gehen musste, beschränkte sich die Suche auf der Via Emanuele Richtung Zentrum auf eine Abzweigung auf die nach oben führende Via Biagio. Über einen Parkplatz und eine Treppe konnten wir den Weg abkürzen. Gemächlich wanderten wir bergauf, leicht schwitzend legten wir die Strecke in ca. 30 Minuten zurück. Am Wegesrand Rastmöglichkeiten, von wo aus ein Blick auf die Stadt möglich war.
Eine Kehre noch, dann erschien das weiß getünchte Kirchlein, davor eine Wiese, auf der Krokusse (?) blühten.
Aus Holz gefertigte Sitzgelegenheiten (für die 12 Apostel?) vor einem überlangen Tisch, dessen Platte krümelsicher breite offene Rillen aufwies und eine Sitzbank, dessen hölzerne Lehne mit aus Holz geschnitzten Noten verziert war, sehr putzige Idee. Vermutlich sitzt hier – „nach dem Abendmahl“ – der Dirigent/Chorleiter. Vor der Bank dann wieder fünf oder sechs Holzklötze für den „Chor“.
Es blieb natürlich nicht aus, dass wir die Position des „Chorleiters“ auf der Bank einnahmen und für die kurzfristige Ewigkeit ablichteten. Die Kirche war geschlossen, Besichtigung nur montags oder nach Absprache mit Pensionären, die ehrenamtlich Führungen machen. An den Wänden huschten einige kleinen Eidechsen hin und her, nutzten die recht kräftigen Sonnenstrahlen zum Auftanken, genau wie ich. Eine verschwand plötzlich unter meinem Rücksack, der auf einem Mauersims stand.
Ein Mann saß hinter der Kirche auf einem Rastplatz, hatte wohl gerade gespeist und rubbelte auf seiner Jacke herum. Er nickte und kam kurz darauf zu uns herüber. Ein Bayer, gesprächig (wie er später selbst anmerkte nur dann, wenn ihm die Gesprächspartner sympathisch sind), verriet, er sei seit 14 im Ruhestand und hätte „nichts“ gemacht und nun hätte seine Frau ausgerechnet im Urlaub plötzlich über 40° Fieber, und es könnte doch alles ganz schnell vorbei sein, und dann ärgerte man sich, etwas nicht gemacht zu haben usw. Er wirkte noch nicht richtig orientiert, hier am Urlaubsort, wo sie in einem Spa-Hotel untergebracht seien, durch Zufall hier gelandet, weil sie eigentlich in die Wachau wollten, aber keine passenden Angebote … usw. Nachdem wir von unserem WoMo und den Reisen erzählten, schien er nachdenklich zu sein, bedankte sich für das anregende Gespräch mit dem Hinweis, wir hätten ihm vielleicht den entscheidenden Kick gegeben. Was auch immer daraus würde… Vielleicht kauft er sich ein Wohnmobil?
Eigentlich wollte ich mich ein bisschen Sonnen, Freikörperkultur in Teilen betreiben. Ein fast gänzlich in lila gekleideter Mann kroch den Berg hinauf, schaute sich um, saß später abseits auf einer Bank und sinnierte vor sich her (vielleicht betete er ein Mantra). Ich clusterte ihn als einen Krishna-Anhänger (dazu fiel mir die Anmerkung von Frau Karasek aus der Talkshow ein, man solle nicht jemanden vorschnell in eine „Schublade“ einsortieren, vielmehr mehr Offenheit demonstrieren … oder so ähnlich). Jola zog es hinab. Ein Bild von der Kirche, die uns so seltsame Erlebnisse gebracht hatte. Die Loc. Belvedere umfasste einen Sportpark, an dem wir uns vorbei dem Zentrum näherten. Ich animierte Jola, mich auf einer der Sitzbänke liegend über dem Bächlein abzulichten.
Um 13 Uhr saßen wir zum zweiten Mal im Al Conte, Pizza für Jola, ein Stück vom Ibericoschwein für mich, zwei Glas Sauvignon und Kaffee Corretta mit Grappa als Abschluss.
Der Verdauungsspaziergang erfolgte am Rio Maggiore hinab zum Sportplatz, das Wasser mäanderte in einem Rinnsal gen Tal. Unsere neuen Schweizer Nachbarn begrüßten uns mit „wieder da“, woraus nach einer halben Stunde ein „und schon wieder los“ wurde. Los fuhren wir mit den Rädern nach Roncegno Terme, dort sollte irgendwo ein Alpinsee sehenswert sein. Wagten die Strecke durch Levico Terme über Novaledo und Marter. Wesentlich stärker rollerten wir hier die Straße hinunter, kaum einmal war in die Pedalen zu treten. Den Blick auf die Tal- und Bergwelt rechtsseitig der Brenta fand ich beeindruckender als vom Radweg auf die linke Seite. Nach Roncegno Terme für nicht ganz zwei Kilometer dann auf Sport den Anstieg gemeistert. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein, drei sehr schöne alte Villen lagen verlassen und ruiniert beidseitig der Zufahrtsstraße, eine davon gehörte früher einmal dem Direktor der Therme. Im Ort kein Schild mit Wanderweg zum See. Den gab es hier auch nicht. Der Park war keinen ausführlichen Besuch wert. Verließen den Ort, wechselten nach Marter auf den Radweg und fuhren heim.
Moosbauer ade, letztes Mal fünfzehn Minuten im Schwimmbecken verbracht. Diesmal vergaß ich nichts beim Abbau. Wir hatten uns auf Trient als nächstes Ziel geeinigt. Den Weg kannten wir ja bereits von der Radtour, zwei Stellplätze hatte Jola aus dem Internet herausgesucht. Wir stoppten in Kaltern bei der Kelterei, musste kreisen, um einen Parkplatz fürs WoMo zu finden. Weine sind alle recht hochpreisig. Sammelten mehrere verschiedene Flaschen ein (Lagrein, 2x Weißwein, Chardonnay etc.). Für 50 € sechs Flaschen.
In Trient führte uns das Navi an der Nase herum, bzw. passte ich bei Abfahrten nicht richtig auf. Der angefahrene ausgeschilderte Stellplatz war nicht der, dessen Adresse ich ins Navi eingegeben hatte. Immerhin standen wir vor dem Eingang, nur Einlass gewährte uns niemand in diese „Festung“, alles umzäunt und alle Tore geschlossen. Keine Aufsicht im Wärterhäuschen. Auf dem Platz standen vier WoMos, aber keine Menschenseele zu sehen. Unverrichteter Dinge zogen wir von dannen, ließen uns vom Navi leiten. Es ging leicht am Hang hinauf aus der Stadt, kein einziges Schild mit „Camping“ oder dem „WoMo-Zeichen“. An einer roten Ampel mit Linksabbiegerpfeil war genügend Wartezeit, um alle Hinweisschilder an der Straßenecke zu lesen, und tatsächlich war eins darunter „Camper Club Trentino“. Also wähnten wir uns am Ziel. Doch weit gefehlt, wir landeten hinter einem Hochhaus quasi in einer Sachgasse. Nirgends ein Stellplatz oder Campinggelände. Ich fragte einen Mann, der bedauernd den Kopf schüttelte, mir dann aber eine Zeichnung machte, wo er einen Stellplatz vermutete. Leider führt nicht jede gut gemeinte Hilfestellung zum Ziel. Alles auf Null und zurück zum eingezäunten Gelände. Immer noch der gleiche Sachstand, kein Wärter im Häuschen, niemand auf dem Platz. Ich bat Jola die Nummer auf dem Schild anzurufen. Es meldete sich jemand, der zusicherte, in ca. 20 Minuten am Platz zu sein. Ich kochte einen Espresso, der noch nicht ganz fertig war, als der gute Mann mit seinem Auto auftauchte. Jola buchte für zwei Tage (je 20 € inkl. Strom und Dusche).
Vom Stellplatz aus brachte uns der Radweg an dem Fluss Fersina zunächst unter den Bahngleisen hindurch, dann die Via Marsala entlang durch einen Park, bis wir auf einer Brücke dem Schild „Zentrum“ folgten. Immerhin gab es auch hier durchgängig einen Radweg, manchmal nicht mehr auf der Höhe der Zeit eines guten Pflegezustandes, aber sicher vom Autoverkehr getrennt. Am Piazza di Fiera die Räder abgestellt und den Stadtbummel begonnen. In der Via Calepina in der Bar „Fiorentina” ein Focaccia gegessen und 0,1 Ltr Wein dazu probiert. Wie beim ersten Besuch prägte das studentische Leben auch zu diesem Zeitpunkt das Stadtbild. Auf dem Piazza Duomo wurden Zelte innerhalb eines abgesperrten Areals abgebaut, am Wochenende hatte ein Halbmarathon stattgefunden.
Wir wollten zur Gondel uns nach Fahrzeit, Kosten und Wandermöglichkeiten erkunden.
In der offene Kathedrale traten wir ein, innen der Mittelteil vollgestellt mit Gerüsten bis zur Decke. Weiter vorne ein paar lichte Ecken ohne Absperrung oder Gerüst. Dort befand sich der nebenstehende abgelichtete Altar in Form eines mit einem Baldachin ausgestatteten Bettes.
Jola meldete eine vergessene Jacke und taperte zur Bar zurück.
Natürlich war die Jacke noch da, man hatte sie bereits in Gewahrsam genommen.
Bei der Funivia angekommen, die Talstation befand sich direkt an der Etsch, der Radweg nach Bozen führte hier vorbei, erfuhren wir den Preis für die Auf- und Abfahrt und was die Mitnahme des Rades kostete (3 €/ 5 €/ 2 €). Heute schien es mir für eine spontane Auffahrt zu spät zu sein, schlug vor, morgen das Oberland zu erkunden. Streiften erneut durch die Stadt, tendenziell den Rückzug zu den Rädern antretend.
01.10.2019 Dienstag
Aufgewärmte Brötchen zum Frühstück, die Sonne brauchte für eine Stadt wie Trient, die von Bergen eingeschlossen in einem Talkessel liegt, einen längeren Anlauf, um dem Ort den morgendlichen Glanz zu verleihen. Wieder einmal durfte der Begriff „mystisch“ dafür herhalten, um das Bild der wabernden Wolken an den Hängen mit den dazwischen durchstechenden Sonnenstrahlen zu beschreiben. Von den sechs über Nacht gebliebenen WoMos reisten vier nach und nach ab.
Ein bärtiger Mann, bestückt mit einer Gehhilfe humpelte über den Platz, einer der „Aufpasser“. Er sprach mich an, mehr ein Gestikulieren mit der freien Hand, dazu ein paar gutturale italienische Vokabeln, aus denen ich bei bestem Willen nicht schlau wurde. Da begann er, mit dem Finger auf der Motorhaube unseres Autos Zeichen zu malen und nickte dazu, als er damit fertig war. Ich schüttelte den Kopf, das Spiel begann von vorne. Wieder einige italienische Wortfetzen, wieder mein Kopfschütteln. Er zog sein Handy und zeigte auf die Uhrzeit auf dem Display. Mir schwante, er wolle mir mitteilen, dass ab 12 Uhr die Pforte dicht sei. Aber wir bleiben ja noch einen weiteren Tag.
Jola hatte sich vorgenommen, einen Supermarkt zu suchen und ihren Einkaufszettel dort abzuarbeiten.
Gegen 11.30 Uhr kamen wir dann zu unserem eigentlichen Tagesprogramm, die Fahrt zur Gondel dauerte etwas länger, so verpassten wir die Auffahrt um 12 Uhr nach Sardagna. Nächste Tour um 12.15 Uhr. Jola wollte im Vorraum warten, schlug meinen Vorschlag, den Espresso in der Bar im Erdgeschoss zu trinken, aus.
Jeder knipste dann von seinem Standort ein paar Motive ab.
Pünktlich ließ uns der „Schalterbeamte“ in die Kabine, die individuelle Auffahrt, wir waren die einzigen Reisenden, begann.
Rasch gewannen wir an Höhe, trotz diesiger Sicht hatten wir wunderbare Ausblicke auf die Stadt, die Berge und die Etsch.
Oben angekommen, öffnete ein weiterer „Schalterbeamte“ die Tür und entließ uns aus der Kabine. Das angrenzende Gebäude mit einem Restaurant bestach durch gähnende Leere, wahrscheinlich zu wenig Gäste, um hier oben abseits von Touristenströmen zu bestehen. Von einem Aussichtspunkt kamen wir immerhin in den Genuss eines Weitblicks ins Tal.
Sogar unser WoMo konnten wir auf dem Stellplatz identifizieren.
Der Ort Sardagna lag etwas versteckt hinter einer Kurve ganz malerisch in einem seichten Kessel am Hang. Wir sprachen beide in ähnlicher Formulierung aus, wie „Dorf Tirol“ (ich ergänzte „nur ohne Touristen“). Eine Kirche mit grünen Schindeln stellte das Wahrzeichen des kleinen Dorfes dar. Aus einer Elementarschule tönten die einzigen Geräusche des Ortes, die Schulkinder. Daneben ein Sportplatz mit Kunstrasen. Die parkenden Autos davor dürften allesamt den Lehrern gehört haben (aber vielleicht war es auch anders).
Die äußerlich eher unscheinbare Kirche wirkte wie „eine prunkvolle Wohnstube“, so Jolas Kommentar nach der Besichtigung. „Lag es an dem ausgerollten Teppich?“ fragte sich Jola. Mir fielen die beiden Beichtstühle auf und ich fragte mich, was wohl die beiden Begriffe „confessore“ und „penitente“ an dem Gehäuse bedeuten sollten?
Keinen Menschen trafen wir bis dato, dann die Überraschung, eine Bar/ ein Restaurant vor dem drei Einheimische bei irgendwelchen Getränken saßen, einer davon, ein alter Mann, paffte eine Zigarette oder ähnliches Kraut. Mir schien Jolas Vorschlag, hier etwas zu Essen, nicht angeraten, ohnehin war mein Appetit noch nicht auf dem höchsten Level angekommen.
Was gehört noch zu so einem Flecken auf gut 600 m Höhe? Ein Brunnen, ein Lebensmittelgeschäft (mit Gittern verrammelt) und ein Eisladen, zumindest hing eine Fahne mit dem Eissymbol an einem Zaun. Das Schild mit dem Hinweis „Restaurant 20m“ hatte fast einen größeren Umfang als das Restaurant selbst (zwischen den beiden gelben Häusern).
Wir wandte uns ab vom Dorf, fanden den Wanderweg nach Trient, der neben einem verschlossenen Kirchlein sogleich auf Geröll abwärts ging. 45 Minuten waren auf dem Wanderschild bis nach Piedicastello veranschlagt. Leider bewahrheitete sich, dass es keine direkte und vor allem auf gleicher Höhe befindliche Verbindung zum Weg nach Dos Trento mit dem Mausoleum von Battisti gab.
Zudem irrten wir uns nach der Überquerung einer Straße, liefen unter einer Autobahnbrücke neben gekreuzten Hochspannungsmasten in eine Sackgasse. Wunderten uns über einen ansehnlichen Neubau mit bunt gestalteten Fassadenelemente hier im Schatten dieses Pfeilers der Brücke neben den Hochspannungskabeln.
Der Aufstieg zum Mausoleum ward gefunden, erfreute uns aber weniger, denn, wenn auch auf asphaltiertem Belag, es ging ein ganzen Stück bergauf. Ich spielte für wenige Meter den Kavalier und schob Jola Stück um Stück voran.
Das Mausoleum entpuppte sich als wirklich erstaunliches Relikt zur Erinnerung an einen Kämpfer für den Anschluss Trients an Italien. Battisti musste sein Engagement mit dem Leben bezahlen, er wurde 1916 von den Österreichern gehängt.
Der Marsch in die Tiefebene erfolgte erst kurz über einen Trampelpfad, dann Treppen sowie mit unebenen Steinen gepflasterten Weg. Zwischendurch auch über an den Hang gehängte Metallplatten. Jola hatte ihren Faible für Pizza noch nicht abgelegt, aber entweder waren Geschäfte geschlossen, die Auslagen behagten ihr nicht oder Sachen, die auf der Karte standen, gab es derzeit nicht (wie im Café Tridente). In der Stadt herrschte reges Treiben, jedoch dominierten augenscheinlich die Studenten die Zahl der über den Piazza Duomo wandelnden Menschen.
Wir radelten zum Castello. Die Gärten durften eintrittsfrei besichtigt werden, Imposantes Gebäude, an dessen äußerer Mauer wir uns bis zum Café bewegten und dort einen verlängerten Kaffee (heißes Wasser und warme Milch) nebst vier kleinen Schokoladen genossen.
Ein junges verliebtes Paar saß bei einem Wein, eine Reisegruppe traf ein, manche der Senioren setzten sich auf die Rundbank unter einen Baum, andere holten sich eine Erfrischung.
In der Infothek erfuhren wir durch eine schön gemachte Animation allerhand über die Entwicklung und Entstehung von Trient.
Jolas Scoutrolle ging etwas daneben, auf der Suche nach dem Supermarkt verfuhren wir uns und gelangten erst nach der Durchfahrt durchs Gewerbegebiet zu dem Markt.
Abends machte Jola die Crevetten fertig, ich die Nudeln, so kamen wir zu einem genüsslichen Schmaus, den wir so sicher in keinem Lokal vorgesetzt bekommen hätten.
Jola machte morgens ihre Frühschwimmübungen, nach dem Frühstück begann der Abbau und dabei passierte mir ein dummes Malheur: Setzte das WoMo zurück, weil ich die Auffahrhilfen einsammeln wollte. Dabei hatte ich vergessen, dass eine Stütze noch nicht hochgedreht war. Diese knickte beim Zurückrollen um und verbog. Ich konnte das Teil nicht reparieren und auch nicht vollständig abbauen. Befestigte es mit einer Schnalle. Wut im Bauch!!
Jola kam mit der Rechnung und zeigte eine sorgenvolle Miene, 35 € für Strom, der nach Verbrauch abgerechnet worden war. Zwischenzeitlich war es so spät geworden, dass wir direkt zum Golfplatz fuhren. Keine Parkplatzprobleme hier auf dem Areal. Wir spielten mit einem Schweizer Paar, die zum ersten Mal in Südtirol waren und den Platz noch nicht kannten. Sie waren Gäste in einem Hotel in St. Martin im Passeiertal. Mein Start war vielversprechend, die Schweizerin schlug fast alle Abschläge mit dem Eisen und machte dabei eigentlich eine gute Figur beim Schwung, wenn sie auch nicht immer traf. Viel geredet wurde nicht, zu verstreut lagen unsere Bälle. Ärgerte mich besonders am Teich, weil ich gut heran gespielt hatte und es übers Wasser aufs Grün schaffte, aber dann…
Wir machten uns gleich auf zum Kofler, parkte direkt vor dem alten Geschäft. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte ich eine Werkstatt. Ließ Jola bei Kofler den Einkauf machen, fragte in der Werkstatt um Hilfe und hatte dabei Glück, ein junger Mann eilte mit mir zum WoMo, schaute sich den Schaden an, ruckelte an der Strebe, holte Werkzeug und schraubte die Stütze ab. Nichts wollte er dafür haben, ich reichte im 5 € Trinkgeld, für das er sich artig bedankte. So sparte ich mir das Aufsuchen der Wohnmobilwerkstatt in Sinich.
Zum Moosbauer ging es dann gleich, in Terlan abgefahren und bald standen wir auf dem Gelände des Platzes. Platz 17 war uns zugewiesen. Ganz in der Ecke, natürlich mit Baumbestand. Kein Empfang, ein Wechsel war nicht möglich, dafür reichte mir die junge Frau an der Rezeption ein Kabel für Satellitenempfang. Ich probierte es, die Länge reichte nicht. Im Tausch bekam ich ein anderes. Der Anschluss war dann ein Puzzlespiel, der aufgeschraubte Stecker passte nicht, was ich nicht sofort merkte und an der Buchse am Fernseher herumdrehte. Immerhin gab es dann Empfang, musste das Kabel nur knicksicher verlegen. Jola machte Schnittchen, die wir bei milden Temperaturen draußen verspeisten, dabei wechselte sich die Sonne mit etlichen Wolken ab. Später setzte Regen ein, der mal ins Tröpfeln überging, dann aber wieder heftiger wurde. Wir verzichteten auf einen Ausflug, ich reservierte gegen 17.45 Uhr im Restaurant für 19 Uhr einen Tisch. Im Lokal schien gerade die Vorbereitung für den Abend im Gange zu sein, wobei eine der junge Damen lasziv in einem Sessel fläzte und mit ihrem Handy spielte.
Schnell noch kurz vor 18 Uhr die letzten Sonnenstrahlen am WoMo eingefangen. Ich berichtete Jola, ging dann ins Freibad und schwamm ca. 15 Minuten. Das Gewittergrollen in der Ferne schreckte mich vor dem Gang ins Wasser ab.
Im Restaurant registrierten wir Neuerungen, der Vorhang am Eingang war verschwunden, lichter die Ecke gestaltet und der äußerliche Vorbau war jetzt fester Bestandteil des Lokals, mit durchgezogener Sitzbank und jeweils kleinen Zweitischen davor.
Bestellte Hähnchenbrust gefüllt mit Frischkäse und Spinat auf grünen Linsen, Jola nahm das Risotto mit Pfifferlingen. Dazu gab es Weißwein, ein Flasche Sauvignon aus Naefer (19 €).
26.09.2019 Donnerstag
Schon beim ersten Austreten waren einige Wohnmobilisten beim Abbau. Nach dem Frühstück erfolgte die Abstimmung und Planung der Tour auf den Ritten. An der Rezeption erfuhr ich, Fahrräder dürfen in der Gondel mitgenommen werden, damit war das erste Problem gelöst. Wertkarte oder Mobilcard lohnten sich nach weiteren Recherchen für uns nicht. Jola Streckenplan durchkreuzte ich, weil ich vor dem Kreisverkehr in Gries in die Dreiheiligengasse abbog, später auf die Drususallee gelangte, über die Fahrradbrücke am Zusammenfluss von Eisack und Talfer direkt zum Bahnhof fuhr. Bis zur Gondelstation waren es dann noch ca. 500 m, die hatte ich gedanklich nicht „auf dem Schirm“ gehabt. An der Kasse bewahrheitete es sich dann, Normalpreis bezahlen kam für uns am günstigsten (26 €). Mit dem Fahrstuhl hinauf. Sonderbehandlung für uns beiden Radler, durften gleich durch die Schranke und auf die nächste freie Gondel warten. Die Reise auf den Ritten mit der Gondel war mir erst wieder in Erinnerung, als ich unterwegs war. In der Ferne sah man Teile der Erdpyramiden. In Oberbozen angekommen, blitzten weitere Details auf, Parkhotel, Café Fink, das Schwimmbad mit Bergblick, der Schnee, der Bahnhof für die Schmalspurbahn.
Mein Vorschlag, den Weg zu den Erdpyramiden zu wählen, stieß zunächst auf wenig Resonanz, doch dann willigte Jola ein. Ein Stück um das Parkhotel die asphaltierte Straße hinab, die alsbald endete und in einen steilen Eselsweg mündete.
Räder schlossen wir gezwungenermaßen an und wanderten durch schattigen Wald ziemlich lange einen recht abschüssigen Weg entlang. Die Erdpyramiden standen ähnlich prägnant in der Landschaft wie vor ca. sieben Jahren, als wir schon einmal Gast auf dem Ritten waren und hier an gleicher Stelle fotografierten.
Der Weg wieder hinauf war zwar mühseliger und leicht schweißtreibend, dafür aber gangbarer. Wieder bei den Rädern, warf ich einen Blick hinter den Hang, wo ich dieses Schindelhaus mit Zwiebelturm sah.
Wieder an der Gondel, zeigte mir ein Blick auf die Uhr 12.45 Uhr an. Bei Babsi hing eine attraktive Tageskarte aus, sodass es uns nicht allzu schwer fiel, hier auf der schmalen Terrasse vor dem Lokal Platz zu nehmen. Noch im Schatten liegend wurde es uns schnell zu kalt, zumal der Rücken vom Schweiß feucht war. Zum Glück verschwanden die Gäste vom sonnigen Nachbartisch und wir wechselten an die Sonne. Hirtennudeln und – wieder – Risotto für Jola, beides wurde recht flink serviert und schmeckte ausgesprochen lecker. So gestärkt schwangen wir uns auf die Räder und es ging unter der Sonne und mit Blick auf die Bergwelt mit Schlern, Rosengarten etc. in Richtung Klobenstein. Erste Ortschaft war „Wolfsgruben“, dann schossen wir meistens rasant bergab auf Klobenstein zu. Das letzte Stück gab es sogar einen separaten Radweg, der hinter der Sportarena in den Ort führte. So viel „Bergwelt“, wir stoppten an diversen Stellen, um diese Ausblicke zu genießen und „abzulichten“.
Das Hotel Bemelmanns fand ich sofort, hier schien sich nichts verändert zu haben. Suchten ein Café, es hätte nicht Bemelmanns sein müssen, aber ein anderes hatte heute Ruhetag, das Zentral bot mir keinen schmackhaften Kuchen an, so landeten wir doch bei Bemelmanns, nur im Hotel gab es auch hier keinen Kuchen. Dazu mussten wir uns in der Post-Stube nebenan (gehört ebenfalls zum Hotel) niederlassen bzw. orderten wir am Tresen, wo ein paar Einheimische beim Espresso standen und schwatzten. Zuvor hatten wir einen Blick ins Foyer des Hotels geworfen, gediegene Gemütlichkeit im Glanze alter Zeiten. Hier hätte vielleicht auch Ludwig II. seinen Spaß gehabt. Immerhin hielt sich hier S. Freud sechs Wochen lang auf und feierte sogar seine Silberne Hochzeit.
Nach Lengmoos radelten wir nicht mehr. Jolas Akku meldete mangelnden Saft. Ich setzte mich bei der Bestimmung der Route ins Tal hinab durch. Die – angeblich – vielbefahrene „Prinzipale“ wies eine geringere Neigung und besten Untergrund auf. Tatsächlich ließen sich die 12 Kilometer bis Bozen auf dieser Hauptstrecke zwischen „Oben“ und „Unten“ mit entsprechend harter Hand an den Bremsen gut fahren. Ich machte nicht den gleichen Fehler wie am Kohlern, nur die Rücktrittbremse zu benutzen. Und wir machten mehrfach einen Stopp, um die Bremsen zu schonen und den Blick auf die Berge richten zu können. Wir glaubten den Golfplatz Seiser Alm St. Vigil gesehen zu haben (Irrtum).
In Unterinn bremste Jola ab, wollte gerne zu Loacker Kekse kaufen. Und wirklich, es gab hier den sogenannten „Detailverkauf“.
Bei St. Justina hielt ich, wies Jola darauf hin, hier wären wir heraus gekommen, wenn wir bei Wolfsgruben abgebogen wären. Sechs enge Kehren, die es in sich hatten, dann gelangten wir auf die Rentscher Straße und über die Brenner Straße ins Innere von Bozen zurück.
Spaziergang zur Osteria, die hatte gerade wieder aufgemacht, uns war‘s zu früh für Schnittchen, bummelten noch durch die Gassen. Jola kaufte Tomatenstreusel, Tomaten, ich Kaffee bei Eurospar, Jola dann Strümpfe bei Goldenpoint.
18 Uhr, jetzt lagen die Schnittchen auf unseren Tellern, der halbe Liter Weißwein abgefüllt, ein Tisch wurde gerade frei und von uns sogleich okkupiert. Nicht so voll wie an den Wochenendbesuchen der letzten Jahre, aber alle Tische waren besetzt. Als Abschluss gönnte ich mir ein warmes Bruscetta „nach Art des Hauses“.
Auf dem Stellplatz umgaben uns wieder neue Nachbarn.
27.09.2019 Freitag
Schönes Wetter in Südtirol sieht eigentlich – meistens – anders aus, heute war es jedenfalls mehr oder weniger bedeckt, bei zunehmendem Hochnebel oder wie nennt man das, wenn diesiges Gewölk gen Himmel zieht? Egal, unser Vorhaben stand fest, heute fahren wir mit dem Rad nach Trento (Trient). Erfrischt hatten wir uns dafür zuvor für 15 Minuten im Freibad. Die Strecke war einigermaßen bekannt, verfuhren uns nicht. Allerdings war mir der langanhaltende Anstieg an St. Pauls und St. Michael vorbei nicht mehr recht in Erinnerung. Unterwegs riss einem Mann auf seinem Mountainbike seine Kette, den Fluch nahm ich noch im Vorbeifahren wahr, helfen konnte ich nicht (wohl aber hätte man zumindest stoppen und „guten Willen“ demonstrieren müssen).
Jola wollte kurz in eine der große Verkaufshalle, hier der Kellerei Cantina Kaltern, nach dem Sortiment gucken. Mitnehmen konnten wir sowieso nicht, also blieb ich draußen und schaute in die Landschaft bzw. beobachtete Menschen, die auf kleinen Transportwägelchen ihren Einkauf zu ihren Fahrzeugen transportierten. Der erste Zwist entstand, als wir uns entscheiden mussten, links oder rechts um den Kalterer See zu fahren. Am Ende war es wohl egal, zum See hinunter durften wir uns jedenfalls wieder einmal im Geschwindigkeitsrausch wähnen, obwohl abgebremst. „Auer“ mit 10 Km ausgeschildert war nach Recherche unsere nächste Anlaufstelle. Leider trieb uns einige Kilometer der Autoverkehr bis zum Kreisverkehr vor sich her. Dann wieder ein Hinweisschild auf einer Radwegpiste (nach Auer). Schien aber ungünstig, deshalb blieben wir in Richtung Neumarkt (4 Km) auf der normalen Straßen ohne Radweg. Die Hoffnung auf lichten Himmel blieb unerfüllt, verpackte die umliegenden Felsmassive dafür in mystisch anmutende Gebilde. Ab Neumarkt gelangten wir dann – endlich – an die Etsch, die milchig daherfloss, ein paar Strudel im Verlauf erzeugte, ansonsten aber eher mäßig ihr Wasser mitnahm. Neumark, soweit wir den Ort streiften, war geprägt vom Unternehmen Würth. Nun radelten wir beständig auf dem Schutzdamm, so um 12.30 Uhr fand ich, wäre es Zeit an einen Imbiss zu denken. Kurtinig (der Ort mit der geringsten Höhenabweichung) wäre ggf. ein geeigneter Ort für eine Mahlzeit gewesen, doch ich scheute mich vor „zusätzlichen“ Kilometern, drängte auf Weiterfahrt. Das Gelände schien sich leicht zu verändern, die Felswände links und rechts wurden niedriger – oder täuschte das? -, jedenfalls verführte uns Salurn mit seiner Infotafel an der Etsch dazu, den Ortskern nach Restaurants abzusuchen. Den Mühlenweg fanden wir nicht, die Harderburg hingegen hätte leckeres zu Essen geboten. Dazu hätten wir einen Schotterweg ca. 900m ziemlich steil durch einen Zecken befallen Weg hinauffahren müssen. Gefrustet brachen wir das Vorhaben ab, besuchten die Pizzeria Jolly, wo wir hausgemachte Pasta mit frittiertem Stücken vom Schwertfisch und Aubergine aßen. Wieder zurück auf dem Damm trafen wir auf Entfernungsschilder, die uns erst Mut machten – noch 17 Km bis Trient -, bzw. etwas später entmutigten – noch 24 Km bis Trient -. Endlich begrüßte uns der Radweg „Trentino“ bzw. „Adige“ mit neuer Entfernungsangabe (0) und einem Schild „bis Trient 28 Km“. Die errechneten 56 Kilometer blieben nun Illusion, wir mussten mit mehr als 70 Km rechnen.
Links und rechts die Verkehrsstraßen mit den von Autobahnen bekannten Perlenketten von LKW, mal näher, mal weiter weg. Wir umkurvten dann ungefähr bei Trient – Nord ein Biotop, was zusätzliche Kilometer mit sich brachte. Unterwegs überholten wir bzw. uns zwei Schweizer Radlerpaare, von denen eine Frau kurz vor dem Eintritt in die Stadt uns zuwinkte. In Trient strebte ich, Jolas Wunsch noch in den Ohren, dem Bahnhof entgegen. Gut ausgeschildert fanden wir den schnell. Der erste Kontakt zum Bahnpersonal deprimierte mich, er verstand hinter seiner Glasscheibe (Panzerglas?) kein Deutsch, er schickte mich mit Handzeichen und mickrigem Englisch woanders hin. Zumindest verstand ich soviel, dass wir zu einem anderen Bahngleis müssten. Gesagt, getan, nur ein paar hundert Meter weiter versuchte Jola diesmal ihr Glück an einem Ticketverkaufsschalter, und hatte Erfolg, Fahrkarten ohne Zeitbeschränkung für ca. 21 €. Nun konnten wir uns der Erkundung der Stadt widmen. Die Information war schnell, nachdem wir den Dante-Platz durchschritten hatten, erreicht. Jola besorgte einen Stadtplan und ließ ihren Akku nebst Ladegerät dort.
Die historische und verkehrsberuhigte Altstadt schloss sich unmittelbar an. Marode Rückfronten konnten dem Charme der Stadt keinen Abbruch tun, hinzu kam das turbulente Treiben der Absolventen der Universität. Die Erfolgreichen zogen mit Siegeskranz auf dem Kopf, verkleidet als „was auch immer“ oder im kleinem Schwarzen / Anzug durch die Gassen, saßen in den Cafés bei Aperol oder anderen Getränken und feierten ihren Abschluss. Wir taumelten durch die Innenstadt, beeindruckt, von Fresken an Häusern, Figürchen hier und dort an alten Gebäuden, Türmchen und Kirchen und Tore. Geschäfte jeglicher Couleur, groß und klein in Manier eines Containers. Musik tönte vom Piazza Duomo, wo auf einem Laufsteg junge Mädels, äußerst hübsch anzusehen, ihren Auftritt probten.
Die Modells müssen männliche Fans gehabt haben, denn in den überwiegend noch leeren Sitzreihen saßen in zwei ganz vorne Jungs und spendeten enthusiastisch Beifall, wenn ein oder zwei attraktive Mädels die Hüften schwingend den Laufsteg beschritten.
Einen Kaffee tranken wir in einem Geschäft mit Kaffee und sonstigem Schnickschnack. Bei der Sorte „Kolumbien“ stand auf dem Sortenschild u.a. „woman“. Sollte das bedeuten, dieser Kaffee wäre für Frauen prädestiniert? Vier kleine Schokoladenstücke (zwei hell, zwei 75% Kakaoanteil) gesellten sich dazu und wurden verspeist.
Zu den Malereien und Fresken gefiel mir mein Schnappschuss dieses vor einem Haus dösenden Mannes ganz gut:
Der Charme rührte heute für mich wohl nicht nur von der gut erhaltenen Substanz der Gebäude her, vielmehr beeinflussten die hübschen Mädels auf dem Laufsteg (hier rechts) oder sonst wo in der Stadt augenscheinlich die Wahrnehmung eines alten Mannes.
Schönes Ambiente fanden wir auf dem Marsch zurück zur Touristen-Information im „Teatro Sociale“, allerdings blieb nicht viel Zeit, um sich näher umzuschauen. Nach zwei Stunden, mit einer Plastiktüte voll Brot und gebratener Aubergine, eilten wir der Touristeninformation entgegen, hasteten durch die Gassen, die Wahrzeichen ignorierend. Nur noch 9 Minuten bis zur Abfahrt um 18.54 Uhr. Jola musste noch „austreten“. Im Bahnhof die Aufschrift Verona – Bolzano über der Treppe zur Unterführung. Jola hatte resigniert, meinte „dann nehmen wir eben einen Zug später“. Dabei war noch genügend Zeit. Ich schleppte die Räder die Treppe – mangels entdecktem Aufzug – hinunter, las das Display der Fahrplanauskunft, Gleis 3!. Unten keine Nummer 3. Scheiße! stand als Aufschrei im Raume und das Wort strömte sogleich mehrfach aus meinem Munde. Wieder die Treppen hinauf, suchend den Hinweis auf Gleis 3 gesucht. Fragte eine junge Frau, die mich wieder nach unten winkte und mit ihrer Hand irgendwie „rechts“ zeigte. Jola verzweifelte „das schaffen wir nicht“. Ich entgegnete, der Zug sei noch gar nicht im Bahnhof eingefahren, und wir schleppten die Räder hinauf. Schweißgebadet hievten wir sie erst einmal in einen Waggon. Geschafft!
Nur standen die Räder eigentlich „im Weg“. Zum Glück deutete uns ein Schaffner an, im nächsten Radabteil seien die Räder besser untergebracht. Plumpsten in die Sitze, Jola sagte kein Wort, schonte ihre Nerven, ich wartete darauf, dass der Schweiß aufhörte, meinen Rücken herunter zu laufen. In Bozen gab es im Bahnhof immerhin Aufzüge, was uns den Transport der Räder erleichterte.
Auf dem letzten Watt im Akku erreichte ich die Anhöhe im Moritzinger Weg und trudelte ohne Elektrounterstützung um 20 Uhr zum Moosbauer hinunter.
Jola traf wenig später mit der Meldung ein, wir dürfen noch zwei Tage länger auf unserem Platz stehen.
28.09.2019 Samstag
Der zehrende Tag von gestern forderte ein verlängertes morgendliches Schlummern. Nachts überkam mich leichtes Strampeln in den Beinen, sie wollten wohl weiter in die Pedale treten. Geruhsames Angehen am Vormittag, um dann gegen 10.30 Uhr den Bozener Markt zu besuchen. Rund 15 Minuten brauchten wir mit dem Rad bis in die Freiheitsstraße. Die leichte Bewölkung erleichterte den Marsch durch die Standreihen. Ungebremst gab Jola ihrem Einkaufstrieb nach, Tomatenflocken, Käse, Honig, ein neuer Gürtel, Gemüse, ich fand bei den Backwaren meine Heimat, orderte Brötchen, Baguette und Vinschgauer. Für einen Mittagsschmaus stellte ich mich am Pollo-Stand an, zog eine Nummer (87), erschrak, als ich die aktuelle Bediennummer (40) sah, stand eine Zeit lang stoisch in der mittlerweile heftiger aufs schüttere Haupt brennenden Sonne. Lustig fand ich das Werbeschild am Stand: drei Verkäufer hinter drei aufrecht stehenden schwarzgefleckten Kühen mit der Aufschrift „eat more chicken“. Dem Hitzetod geweiht, wandte ich mich nach dem Aufblenden der Nummer 60 aus der Warteschleife ab, erinnerte mich an einen anderen Brathähnchenverkäufer am Ende des Marktes, zu dem wir uns dann schnellsten begaben. Für einen Euro (9 €) mehr erhielt ich sofort meine zwei halben Hähnchen.
Bevor wir uns jedoch um unsere Mittagsmahlzeit kümmerten, streifte ich mit Jola durch die Reihen mit Bekleidungs- und Accessoireartikel, leicht benebelt von den Ausdünstungen der Lederwaren, genervt von der Enge mit den schlendernden, dann wieder stehenbleibenden Besuchern, verabschiedete ich mich von Jola, strebte der Bar „Amba Alagi“ entgegen. Immerhin blieb mir so viel Zeit, die Menschen bei ihrem Fortkommen zu beobachten. So traf mein Blick einmal auf sehr stramme und muskulöse Waden einer kleinen Frau, die in ihrem kurzen Rock sehr sicher auf ihren High Heels durch die Gänge ein kurzes Stück vor mir her stöckelte und dann in der Menge verschwand.
Natürlich steuerten diese zentral gelegene Institution mehr Einkaufsmüde an, so war es nicht verwunderlich, dass kein „Platz an der Sonne“ frei war. Manchmal hilft tatsächlich geduldiges Warten, das diesmal kaum eine Minute dauerte und schon trat unerwartetes Glück aufs Trapez, zwei dickliche ältere Frauen mimten den „Aufstand“, was mich sofort zum „Wird hier frei?“ animierte. Ein Aperol Spritz stand schnell nach der Bestellung auf dem Tisch. Jola trottete nach wenigen Minuten heran, den neuen Gürtel im Gepäck.
Ein Abstecher zu Egger Ramer bescherte uns zwei Literflaschen Wein (weiß und rot) für je 4 Euro.
Wieder am WoMo zerfledderten wir den Mittagsimbiss, unsere halben Hähnchen. Nichts weiter gemacht, also nicht Rad gefahren, gewandert etc.
Gegen 18 Uhr betätigte ich mich für eine Viertelstunde im Schwimmbecken sportlich.
29.09.2019 Sonntag
Jola war umtriebig, hatte sich die Wanderung zum Noafer zum Ziel gesetzt und an der Rezeption nach dem Weg, der möglichen Dauer und der Mühe gefragt. Steil sei es und ca. 800 Höhenmeter zu bewältigen. Die „Chefin“ schaffe den Weg in 1 ¼ Stunden. Beim Noafer ließ es sich gut speisen. Das mit den 800 Höhenmetern hatte ich wohl falsch verstanden, deshalb willigte ich ein und wir marschierten ca. 10.30 Uhr los. Bis zum Einstieg, ein Stück den Moritzinger Weges entlang, benötigten wir lediglich 5 Minuten. Durch Reihen von Weinstöcken wohl gemütliche 300m, stießen wir auf ein offenes Metalltor, dessen Durchgang jedoch strengsten verboten war (weil er zum Schießplatz führte). Kein Zeichen und kein Schild wohin es nun weiter gehen sollte. Unser Leben wollten wir nicht aufs Spiel setzten, auch wenn keine Geräusche schießender Schützen zu hören war.
Umgekehrt, festgestellt, dass wir das hölzerne Schild vor der Kurve beim Betrachten der bläulichen Rebenvielfalt übersehen hatten.
Schwupps befanden wir uns auf einem Stein bewährten Pfad, der sich in Schlangenlinien den Hang hinaufzog, ohne dass ich dabei viel vom Bozener Panorama mitbekam. Ab und an ließ sich ein Blick ins Tal werfen und dabei sogar einen Teil des Campingplatzes sehen. Vor uns wanderten zwei einheimische Frauen, die wir aber bald aus dem Blickfeld verloren.
Nach zwanzig Minuten Kampf gegen die Schwerkraft durfte eine Verschnaufpause eingelegt werden.
An einem einsam gelegenen Haus verursachte mein erwanderter Vorsprung eine Irritation. Obwohl Jola mich aufwärts streben gesehen hatte, verlief sie sich und ich stand im Schatten einiger Bäume am Hang und wartete auf sie. Die Warterei nutzte ich, um mir aus dem losen Bruchholz einen Wanderstock zu rekrutieren. Den Griffbereich schnitzte ich mir glatt für einen besseren Halt.
Noafer schien aus einer Perspektive schon sichtbar, es war dann „Fehlalarm“. Aus einer halben Stunde Restzeit wurde fast eine, dann hörte ich Stimmen, sah parkende Fahrzeuge und klapperndes Geschirr. Noafer muss als Ausflugsziel für Einheimische eine beliebte Adresse gewesen sein, an fast allen Tischen saßen Menschen, meistens speisend. Draußen am letzten freien Tisch Platz genommen, zog es uns in unseren nassgeschwitzten Sachen schnell ins warme Innere des Gasthauses. Nette Bedienung, schneller Service, Essen in Ordnung, kein Highlight. Trotzdem bestellten wir Kaffee und Kuchen (erstmals Apfelstrudel für mich) zum Nachtisch. Eine Flasche Sauvignon vom Hof für 7,50 € wanderte als „Wackerstein“ zum Abschied in meinen Rucksack, verschaffte mir aber keine stärkere Bodenhaftung.
Kurz vor 14 Uhr marschierten wir weiter, Jola bestand darauf den Burgenweg nach Gries zu gehen, er sei weniger abschüssig als andere Strecken. Weg Nr. 9 war am Noafer nicht ausgeschildert, mussten im Gasthof nachfragen. Aus der ersten Kehre blickten wir über einen Hang auf eins der immer wieder mal in der Landschaft stehenden Architektenhäuser, diesmal mit viel Holz verkleidet.
Ein Stück Straße gewandert, dann den Weg Nr. 9 ins Tal, auf glattem Stein in steilen Lagen war mit meinem Wackelknie schlecht voranzukommen. So zog sich der Abstieg, und tatsächlich schwitzte ich fast mehr als bergauf. Einmal kam uns ein Mountainbiker in raschem Tempo bergauf entgegen, bedankte sich, dass wir ihm Platz machten. Zweimal rief Jola „jetzt sei es geschafft“ (gemeint war wohl der abschüssige Part), doch bis wir den Promenadenweg erreichten, bedurfte es noch etwas Geduld.
Wieder im Flachland, fanden wir keinen Anschluss an den Bus. Der, der gleich kommen sollte, fuhr lediglich bis zum Krankenhaus, der, der am Campingplatz halten sollte, stand nicht als Linie auf diesem Fahrplan. So marschierten wir leicht gequält den Moritzinger Weg bis zum Moosbauer zurück. Das reichte nun auch wirklich!
Jola nicht, sie schwamm sich die aufgestaute Hitze aus dem Leib.
Unseren ersten Tag verbrachten wir vom 17.09.19 an in Kassel. Heute verließen wir Kassel so um 12 Uhr. Auf die Autobahn mit Ziel „Würzburg“.
Voller Hoffnung die Auffahrt genommen, und schon gleich in zäh fließenden Verkehr geraten. Das war dann auf den rund 200 Km auch die einzige bemerkenswerte Behinderung. Sonnenschein erhellte nicht nur den Tag, auch das Gemüt. Würzburg, den Main und den Stellplatz an diesem erreichten wir um 14.20 Uhr. Normaler Parkplatz mit separiertem Areal für die WoMos. Wenige freie Plätze, Jola eruierte die Lage und lotste mich zu einem hin. Strom anschließen erwies sich als Lotterie, die Münzen fielen stets durch, egal welcher Wert, alle Lampen leuchteten rot, auf dem Display stand „FREI“. Ich fragte einen Mann um Rat, letztlich führte seine Frage, ob ich schon geschaut habe, ob ich Strom habe, zum Ziel. Strom war „inklusive“, also „FREI“.
Mir war nach einem neuerlichen Fußmarsch, den konnten wir direkt vom WoMo aus am Main antreten. „Kunst am Main“ bescherte uns schon nach ersten Schritten Objekte, die von mir mehr oder weniger als gelungen bezeichnet werden sollten. Ich steuerte zielsicher das Café an der Fußgängerbrücke über den Main an. Ein Plätzchen draußen mit Blick auf die Touristenströme bot Abwechslung.
Schulklassen und Reisegruppen schoben sich intervallartig über das Kopfsteinpflaster in Richtung Zentrum. Ein Pärchen versuchte mit auf einem Dreibein befestigten Handy Fotos von sich zu machen, Misserfolge inbegriffen, da das Gestell mehrfach umkippte.
Wir wanderten bis zur Ludwigsbrücke, über die wir den Main überquerten und an der Promenade uns Richtung Innenstadt bewegten. An vielen Stellen begleiteten uns Erinnerungen an frühere Besuche, die wir versuchten, aus der schummerigen Versenkung ans Helle Jetzt zu zerren. Der Blick auf die Festung war hier einen Schnappschuss wert.
Während des Stadtbummels schlenderten wir auf den Markt. Wenige Stände befanden sich hier mit Gemüse, Käse und Wurst. Ein recht neu wirkendes Gebäude bestach architektonisch mit einer verkleideten Fassaden. Die versetzt angebrachten Verblendelemente sahen wie flache Holzscheite aus, waren aber aus steinernem Material.
Neben dem Haus kennzeichneten aus Plastik aufgeklebte Streifen in Form eines Sternes einen Punkt, der mir wie eine Markierung für Freunde guter Fotomotive vorkam. Tatsächlich stellten sich mehrere asiatische Touristinnen genau auf diesen Stern und knipsten die Kirche. Ich machte dann ebenfalls ein Foto von diesem Stern aus.
Wieder an der Promenade, die auf dieser Seite hübsch bepflanzte Beete aufwies und mit diversen Bänken zum Verweilen einlud, lockte auch Jola zu einer Rast in der nachmittäglichen Sonne an. Wir ließen die Menschen an uns vorüberziehen, hielten unsere Nasen in die Sonne, beobachteten die ankommenden Flusskreuzfahrtschiffe oder die am Ufer sitzenden Pärchen. Verliebte streichelten sich gegenseitig den Rücken, andere hatten ihr Fläschchen Wein und Weintrauben mitgebracht, wieder andere lasen in einem Buch oder auf ihrem Smartphone.
Auf der Alten Mainbrücke standen die Menschen mit Weingläsern entlang der Brüstung in der wärmenden Sonne. Jola hätte wohl jetzt gerne einen Schoppen getrunken, doch mein Plan war, mit dem Rad zur Festung Marienburg hinauf zu fahren und dort den Biergarten zu besuchen (von dem ein Ehepaar im Café am Nebentisch berichtete, es sei so nett dort oben). Als wir wieder am WoMo ankamen, stand ein größeres Mobil neben uns, so eng, dass ich die Räder kaum aus der Garage bekam.
Mit ein bisschen Schweiß unter dem Hemd erreichte ich die Festung, enttäuscht festzustellen, dass der Biergarten nicht geöffnet hatte. Wenigsten entschädigte uns der Ausblick auf die Stadt und das Umland.
Wieder am Main und auf der Brücke, hatte sich die Zahl der mit einem Weinglas versorgten Menschen drastisch erhöht, kaum ein Durchkommen zum Verkaufsstand. Musikalisch versorgte ein Mann mit Gitarre die Weinseligen mit Songs von Eric Clapton, wobei seine Stimme aus einem Verstärker schallte. Der gut gekühlte Silvaner für 4,50 € war wirklich üppig eingeschenkt. Jola mahnte mich an, vorsichtig mit dem Glas umzugehen, 5 € Pfand war nicht gerade wenig. Gegessen wurde dann im Brauhaus Alter Kranen.