19.10.2019 Samstag
Emotionsloser Abschied von diesem Campingplatz, der schon mal bessere Zeiten erlebt haben musste. Crailsheim, Bad Mergentheim, auf die Autobahn Richtung Würzburg, dann auf die A3 nach Frankfurt.

Entgegen der Anweisungen des Navi blieben wir bis zur Abfahrt „Walldorf“ auf der Autobahn. Fanden den Parkplatz für Busse bei der Messe, auf einer mit gespaltenem Betonsteinen auf einer Rasenfläche standen bereits WoMos von „Bücherfreunden“. 10 € kostete das Tagesticket, mit dem man über Nacht stehen bleiben durfte. Es gab einen kostenlosen Shuttle-Bus, trotzdem nahmen wir die Räder, ein bisschen Bewegung nach vier Stunden Fahrt tat uns gut. Nirgends ein Hinweisschild, wo es zur Buchmesse ging. Natürlich standen wir am falschen Ende, umkreisten eine Baustelle, strampelten zwischen Hochhäusern, hohen Wohnblocks und Geschäftsgebäuden vorbei auf die Skyline Plaza zu. An der Kasse kaum angestanden, schenkte mir eine Frau einen Coupon aus der BILD für vergünstigten Eintritt, gerade zur rechten Zeit. Statt 22 € (Normaleintritt, was für für völlig überhöht fanden), bzw. 15 € für Pensionäre brauchte ich jetzt nur insgesamt 15 € Eintritt für zwei Karten bezahlen (vielen Dank an die unbekannte Spenderin). Das Gelände erschien uns größer in Hamburg. Hier tummelten sich die Lesebegeisterten oder Medieninteressierten oder vielleicht auch nur Schaulustige. Neben diesen Gruppen fielen besonders die verkleideten Jugendliche auf, die sich wohl jeweils an einem speziellen Motto, einer Fantasie-Serie, Mangas oder Film (Der kleine Hobbit etc.) orientierte.
Auf einer Open-Air-Bühne trat um 15 Uhr Nele Neuhaus auf, stellte ihre Black Stories zusammen mit einer Moderatorin vor. Sie bot dem begeisterten Publikum ein paar der Kärtchen zum Mitmachen an, worauf die vielen Fans enthusiastisch reagierten. Der erste Fall wurde relativ schnell gelöst, der jungen Mann sich über den Gewinn (ein komplettes Spiel).
In der ersten besuchten Halle trafen wir sogleich auf die geballte Macht des Lesepublikums, dicht gedrängelt schoben sich Menschen aus aller Herren Länder durch die Reihen der Verlagsstände. Jan Weiler und Ulrich Wickert saßen schwatzend an Stand, an dem Andrea Sawatzki ihren Fans geduldig lächelnd Autogramme gab. Insgesamt ein überwältigendes Angebot, nur ich schaffte es nicht, auch nur eine Zeile in einem der ausgestellten Bücher zu lesen. Neben bekannten Gesichtern saßen für mich unbekannte Autoren ebenfalls vor ihren aktuellen Büchern, signierten diese artig für die in der Schlange stehenden Fans, ließen sich mit diesen zusammen für ein Selfie ablichten.

Wieder auf dem Campus, hier ein Blick von einer der Terrassen, stellten sich die verkleideten in Pose, für andere, für ihre Freunde oder für Berufsfotografen. Vom Yogi-Tee gab es eine Lesehalle, alle 30 Minuten las ein Autor aus seinen Werken, in dieses Zelt gelangten wir wegen Überfüllung nicht.
Der Pavillon des Gastlandes Norwegen enttäuschte ein bisschen, wieder auf dem Freigelände kauften wir uns Pommes, ich dazu Fisch.


In Grüppchen saßen die Elfen, Monster, Drachen und Hobbits herum, liefen oder posierten.

Diese junge Frau links im Bild wurde von einem Fotografen gebeten, sich extra für eine Aufnahme hinter die Glasscheibe zu stellen.
In einem extra Container saßen die Buchpreisträger dieses Jahres, aus verschiedenen Richtungen standen in langen Schlangen geduldige Autogrammjäger an.
Gegen 18 Uhr erlahmte unser Interesse genau so wie unsere Füße. Um 18.30 Uhr wäre ohnehin Schluss gewesen.
Wir nächtigten auf dem Parkplatz zusammen mit rund zwanzig anderen Wohnmobilen. Für ein Areal, umgeben von Einfallstraßen, blieb der Geräuschpegel moderat und die Nacht verlief relativ ruhig.
20.10.2019 Sonntag
Morgens wanderte ich zum Ibis Hotel gegenüber, erfragte den Preis für ein Frühstück. 12 € für Externe. Reges Treiben in der Lobby von Abreisenden, meist weiblicher Natur. Warum nur?
Woanders hin? Aber wohin für ein Frühstück, ohne ganz Frankfurt durchfahren zu müssen? Wir beließen es bei der „Nahversorgung“, gingen gegen 9 Uhr hinüber, ich zahlte an der Rezeption die 24 €, womit wir „freien Eintritt“ hatten. Fanden einen freien Zweiertisch und begannen damit, uns unseren Frühstücksteller zusammenzustellen. Wie zuvor in der Lobby schwirrten zunächst am Buffet ebenfalls überwiegend weibliche Gäste herum. Rührei war gerade „aus“, Birchermüsli lecker, Schwarztee fand ich in keiner der Teedosen, Grüner tat es auch. Brötchen schmeckten knackig, Wurst und Käse in geringer Sorte, dafür gut essbar. Alles in allem durfte man zufrieden sein.
Regen war dann unser ständiger Begleiter, vom Weg zum WoMo sowie auf der Autobahn unterwegs nach Kassel.
Der Sonntagvormittag erwies sich als guter Fahrzeitpunkt, kaum zwei Hände voll LKW, an Baustellen keine Staus und ansonsten gutes Vorankommen. Da Miriam bis abends im Kino arbeitete, auch in Kassel kein Wetter für Outdoor-Aktivitäten herrschte, beschlossen wir einen Saunabesuch im Auebad. 12,20 € pro Person für 3 Stunden. Punkt 13 Uhr stand ich nackt unter der Dusche und bald danach saß ich in der 90° Sauna. Nach einer Stunde rutschte ich gerade noch rechtzeitig zum 2. Saunagang in die Blocksauna, wo nackte Leiber wie in einer Legebatterie in den Reihen dicht gedrängt nebeneinander saßen. Mein Platz ward mir auf der niedrigsten Stufe, der Büßerbank zugewiesen. Gut war‘s, von den verteilten Hitzewellen blieb ich weitestgehend verschont. 10 Bahnen zog ich im 50-Meterbecken. Ein dritter Durchgang bei 90° für 15 Minuten, das reichte dann auch.
Im Anschluss stillten wir unseren Appetit im in unmittelbarer Nähe gelegenen Molos, einem griechischen Restaurant.
Es war dann so um 17 Uhr, als ich vorschlug, den Film „Parasite“ im Bali um 17.30 Uhr zu gucken. Telefonierte mit Miriam, die freie Plätze signalisierte und sich auf unser Kommen freute. Leider steuerte ich wieder einmal das „Gloria“ an, dadurch verzögerte sich unsere Ankunft.
Der Film lief bereits fünf Minuten, Miriam ließ uns „so“ ins Kino, wir sollten uns Plätze aussuchen. Der Film verlief dann nach lustigem Anfang mit satirisch ironisch wirkendem Einschlag blutig und mit überraschenden Wendungen.
21.10.2019 Montag
Gefrühstückt, dann Weiterfahrt um 15 Uhr nach Göttingen. Stellplatz direkt an dem Erlebnisbad Eiswiese. Göttinger Innenstadt wirkte auf mich nicht wie eine junge Studentenstadt, Straßen und Läden ähnelten eher der üblichen Tristesse deutsche Einkaufsstraßen mit Billigläden und Dönerbuden, wobei dazwischen das eine oder andere sehenswerte Fachwerkhaus zu entdecken war. Jola überzeugte mich dann im Geschäft von Brax, eine etwas zu große Hose zu kaufen, die mir von ihr noch zugeschnitten werden sollte.
22.10.2019 Dienstag
Erste Abreisen hörte ich noch zu Schlafenszeit. Frühschwimmen fiel aus, es war bereits nach 08.30 Uhr. Mit Jolas Rad schnell zum Holzofenbäcker gestratzt. Das Wetter entwickelte sich positiv. Wir sagten Göttingen ade, es folgte eine rund 100 Km lange Fahrt, davon etliche Kilometer Baustelle, jedoch ohne schleppenden Verkehr. Wolfenbüttel erreichten wir ohne größere Behinderungen gegen 11.30 Uhr. Das Stadtbad Okeraue stellte sich als modernes Schwimmareal heraus, an dessen Seite sich der Stellplatz befand. Fast nagelneue Sanitäranlagen, die Plätze am Rande der Außenanlage des Bades. Strom war inklusive. 14,50 € löhnte Jola an der Kasse im Schwimmbad. Ein Schlüssel für die Sanitäranlagen gab es dazu.
Wolfenbüttel überraschte mit einer wirklich historischen Altstadt, ca. 600 gut erhaltene oder wiederhergestellte Fachwerkhäuser bildeten den Kern der Altstadt. An einigen Häusern fanden sich Figuren, Sprüche oder Wappen.

Dazu die Kirchen, das Schloss, das Lessing-Haus oder das Lessing-Theater.
Bis ungefähr 14.15 Uhr stromerten wir durch die Gassen, warfen einen Blick ins Lessing-Haus, in die Bibliothek und das Schloss, das gleichzeitig ein Museum und ein Gymnasium beherbergte. Den Museumsbesuch verschoben wir, das leibliche Wohl stand gegen 13.30 Uhr im Vordergrund, die Suche nach dem geeigneten Essplatz war vorrangig.

Der Schlossplatz erfuhr vor ein paar Monaten eine Modernisierung, die Neueinweihung war erst vor Kurzem gewesen, einige Restarbeiten standen aus. Schön verlegte Pflastersteine auf dem Schlossplatz und dessen Umfeld zeugten von geschmackvoller Anpassung.
Zentrale Plätze waren der Stadt- und der Kornmarkt. Am Stadtmarkt war das Rathaus beheimatet.
Kauften zwischendurch Socken und Bananenchips.
Wir aßen dann im Bayerischen Hof in der Reichsstraße. Ein 1952 eröffnetes Gasthaus, das sehr altbacken daherkam, der „Chef“ gönnte uns noch ein Mittagsmahl, denn um 15 Uhr wurde geschlossen. Mein bestelltes Gericht (Roulade, Rotkohl und Knödel) bedurfte einer Änderung, Rotkohl war „aus“. Ich nahm dafür Sauerkraut, eine gute Wahl.
Nachmittags verzichteten wir auf den Museumsbesuch, in den Genuss einer Führung bei den Werken von Jägermeister kamen wir nicht, alles ausgebucht.
Mit dem Rad erkundeten wir dann den Bereich außerhalb der Altstadt, wo es zunächst „einfacher“ zuging. Mietshäuser, die auch schon bessere Jahre gesehen hatten wechselten sich später mit klassischen Stadthäusern reicher Kaufleute des vorletzten Jahrhunderts ab, Siedlungen mit Einfamilienhäusern aus der Zeit des Wirtschaftswunders oder kurz danach, so schien es mir, aber auch einige neuere architektonischen Tupfer durchzogen solche Regionen. Jola schwächelte, ihr Knie muckerte, deshalb kehrte wir auf einem Waldweg Richtung Braunschweig um und fuhren zum WoMo zurück. Die Oker mäanderte ab und an neben dem Radweg entlang, ein Fluss hier, der von Breite dem der Trave ähnelte.
Um 18.45 Uhr besuchten wir das Schwimmbad für 75 Minuten.
23.10.2019 Mittwoch
Besorgte Brötchen, die Lange Straße am Lessing-Theater vorbei und schon war ich bei Richters Altstadtbäckerei. Da wir erst um 16 Uhr den Stellplatz räumen mussten, blieb uns ausreichend Zeit für die Besichtigung der Herzog August Bibliothek und des Lessing-Hauses.

Den Rentner-Bonus forderte Jola ein, statt 5 € nur 2 € Eintritt für beide Besichtigungen. Die Bibliothek erwies sich als wirklich beeindruckende Sammlung. Der gute August war ein fleißiger Sammler und widmete sich wohl viele Stunden der Katalogisierung, bis er dann Lessing als Hofbibliothekar einstellte.
Uns gedieh zufällig eine individuelle Führung anheim, eine versierte Mitarbeiterin stand uns zur Seite und erläuterte detailliert, was gesammelt wurde (vorrangig Theologica, daher die umfangreichsten Bestände), nach welchen Kriterien August die Bücher aufstellte (große nach unten, kleine nach oben), was die Zahlen zu bedeuten hatten und warum einige Einbände in rot gehalten wurden. Fast alle Bücher wurden in Eigenregie gebunden. Erstaunt war ich, als ich erfuhr, dass man für Forschungszwecke Werke ausleihen durfte. Bücher dieser Art werden nicht mehr mit „Samthandschuhen“ angefasst, das sein dem Erhalt abträglicher, als wenn man sie korrekt mit den Händen anfasste.
Im Lessing-Haus gab es nicht so viel zu entdecken. Außer den Hinweisen, dass Lessing chronisch unter Geldnot litt, mehrfach seine Sammlungen veräußern musste, bis er dann für 600 Taler Jahressalär die Anstellung beim Herzog bekam.
Wir aßen beim Türken das Mittagsgericht, gefüllte Aubergine.

Immerhin wurde ich auf meine alten Tage wieder einmal ein bisschen schlauer: Wolfenbüttel ist die Lessing-Stadt, Dürer war nicht nur Maler sondern entwickelte die Proportionenlehre, Herr Zapf erfand bzw. entwickelte sehr viele Schrifttypen. Hier ein Beispiel mit Sinnsprüchen als Muster.
Dann sagten wir Wolfenbüttel bald ade und es ging über Braunschweig, Uelzen und Lüneburg nach Hause.