Normandie 2023 (2. Reise) – an der Seine

Wohin sollte die Reise nun gehen? Keinen Plan? Wenn ja, gab es Differenzen über die Richtung. Außerdem spielte uns das Wetter einen schlechten Streich, es regnete. Vernon mit Giverny, eine Option, Caen und die Küste der Invasion eine andere.
Zu einem im Internet zunächst gewählten Platz erschien die Meldung „auf Dauer geschlossen“, also gleich gestrichen. Ein weiterer im Auswahldunstkreis „Vernon“ lag zu abseitig.
Bernières-sur-Seine fand ich, ca. 60 Km bis dahin, Die ganze Sucherei verzögerte unsere Abfahrt um gut 20 Minuten. Die D915, eine Straße wie ein Strich, jedenfalls was die Breite betraf, und ausgerechnet vor mir ein rasender Trecker mit Anhänger, überholen erschien mir nur etwas für Lebensmüde. Jola bibberte und meinte – insgeheim hoffend, es würde wahr – „das ist ein Bauer, der biegt gleich auf sein Feld ab„. Nichts da, stoisch raste er mit 60 Km/h vor mir her, hinter mir wuchs die Schlange. Irgendwann fasste ich mir allen Mut zusammen, nutzte eine Lücke und zischte herzklopfend vorbei. Erreichten den gestern nicht besuchten Ort Lyons-la-Forêt, beschaulich, museal wirkend. Die freistehende Halle (berühmt laut Reiseführer) gesehen, heute dort kein Markt.

Bernières-sur-Seine angefahren, außerhalb gelegen der Campingplatz, Jola nicht überzeugt, „lieber ein Stück näher ran“. Die 32 Km bis Vernon schienen zu weit für eine Radtour. Bouafles lag hinter der nächsten Seine-Schleife, Château de Bouafles hieß der Campingplatz mit 4 Sternen, 9 Km näher zu Vernon.
Château Gaillard ragte über dem Kreisverkehr auf der anderen Seineseite, eine mächtige Ruine vergangener Macht. Eine Tankstelle in Les Andelys, 1,75 €, das fand ich für derzeitige Verhältnisse günstig. Blöde Tanke, die Zufahrten zu den Zapfsäulen zu eng für das WoMo, rangieren, dann von der Außenseite eingefahren. Es schüttete, der Schirm musste helfen. Trotz „Deutsch“ im Display kamen Englische Begriffe, ich „überlas“, „Karte entnehmen“. Dem Zapfhahn war kein Diesel zu entlocken. Karte entnommen (immerhin konnte man die Karte so nicht vergessen!). Regenwasser tropfte vom WoMo auf den Zapfhahn, machte Wasser im Tank was?
Kurz darauf Ankunft am Campingplatz, Jolas Ausruf „hier waren wir schon einmal“, verunsicherte mich total, mein Kopfraum war diesbezüglich leer. Vielleicht lag es daran, dass der Platz letztes Jahr „complete“ war.
Diesmal nahm man uns auf, Platz 91, gleich für 2 Tage. Welch ein Optimismus bei dem Regenwetter. Geräumig durfte man den Stellplatz nennen, ….

Jola wissbegierig, schnappte sich gleich ihr Rad und trotzte dem Regen, erkundete das Gelände. Mittagessen „home made“, Nudeln mit vielerlei (Wurstreste, Knoblauch, Dosenfutter, Pesto, Parmesan). Es regnete noch immer…..

01.08.2023 Dienstag

Das Tiefdruckgebiet, nachts mit lautem regnerischen Getrommel auf dem Dach, mit seinen sehr feuchten Auswirkungen war weitergezogen, bspw. meldeten die Nachrichten für Südtirol schwere Überschwemmungen.
Der Campingplatz sah ohne Regenwolken am Himmel gleich viel freundlicher aus. Nach morgendlichen Camper-Routinearbeiten stand Früchte schneiden an, Müsli-Tag war angesagt, auch weil Baguette und Croissant erst ab 9 Uhr bereit gestellt wurden.

Ausflug am Vormittag nach Gaillon, etwas abseits von Seine-Radweg, über diesen aber gut erreichbar. Das Chateau Gaillon sei einen Besuch wert.
Der Start schön mit den bekannten grünen Schildern gekennzeichnet, Asphalt, Straße führte durch ein Viertel mit ansehnlichen Häusern, öfters im Endstadium „Renovierung“. Dann Feldwege, auf denen wir ein Schild (wohl bei „2“) übersahen oder es einfach fehlte. Dadurch im eingezäunten Areal durch Naturschutzgebiet einerseits, andererseits Kiesabbau (graue Fläche), erkennbar an Bergen von Sand und Haufen verschiedener Steingrößen.

Eine Joggerin überholt, der Weg abrupt an einem Zaun zu Ende. Meine bescheidenen Französischkenntnisse sowie der offensichtlich zu betätigende Knopf öffneten das Sesamtor mit leichter Verzögerung und ließ uns und die Joggerin passieren. Gleichzeitig schloss das Tor die Durchfahrt zum Betriebsgelände.
Jola bald wieder ein Stück voraus, wie so oft. Plötzlich ein Geräusch, mein Rad blockierte leicht, schnell gebremst. Was war passiert? Ein Gurtstück der Fahrradtasche hatte sich am Hinterrad im Riemen verheddert. Der Feinmechaniker musste aktiv werden, gefummelt, bis das Riemenstück frei gedreht war. Doch das war leider nicht die Lösung des Problems. Der eingeklemmte Gurt der Fahrradtasche hatte den Riemen halb vom Zahnkranz geschoben, dadurch blockierte das Rad weiter. Der Riemen war so straff gespannt, kaum eine Chance, ihn ohne Werkzeug wieder auf den Zahnkranz zu hieven. Dumm, diesmal kein Werkzeug dabei. Diverse Versuche mit Hilfsmitteln schlugen fehl. Jola kam zurück, informiert von einer Joggerin, die an mir vorbeigelaufen war. Bat Jola zum WoMo zu radeln und das Werkzeug zu holen. Unterdessen ließ es mir das Malheur keine Ruhe, wieder das Rad auf den Kopf gestellt, probiert mit Schlossschlüssel und kleinem spitzkantigen Stein (keine weiteren Details hier), den Riemen wieder auf den Zahnkranz zu schieben. Es gelang… Ich rief Jola an, sie bräuchte nicht mehr zum WoMo. Warten auf die Frau.
Dann Weiterfahrt, immer noch Naturschutzgebiet und großer Baggersee (Gran Lac de Bouafles). Kurz vor „4“ gelangten wir auf den eigentlichen Seine-Radweg, glatt wie ein Kinderpopo die Fahrbahn, begleitet durchgängig durch Neuanpflanzungen verschiedener Sträucher etc., alles Wurzelwerk noch unter schwarzer Folie versteckt. So machte Radeln Spaß, und die Seine endlich in Sichtweite.

Nach Gaillon war eine Brücke über die Seine zu überqueren, die tauchte alsbald vor uns auf. Am Ufer diese Konstruktion…

Eine Anzeige von Hochwasser; wenn der rechte orangene Ball aus dem Wasser ragen würde, wäre die Seine 200 cm über Normalpegel.
Über die Brücke, auf dieser Straße viel Verkehr, dann Gewerbegebiet, Aubevoye, ein Ort zugehörig zu Gaillon, bald die „Ruine“ im Blick, erreichten wir den Kern von Gaillon, Wochenmarkt heute, was ein Glück (für Jola). An der Kirche die Räder angeschlossen. Erster Eindruck, typisch fränzösisch-dörfliche Idylle, vor der Bar sitzen bei Pastis, Kaffee oder ???

Das Foto konnte ich mir nicht verkneifen, wie der Barbier dem kleinen Jungen den Schädel rasierte…

Blick zurück auf Kirche, Kleiderständer und Turm des Chateau…

Die von Jola ausgewählte Hose war später leider weg, warum?, weil der Stand nach Ende des Wochenmarktes abgebaut war. Leckeres Rillettes sahen wir, Käseauswahl war riesig, ein orientalischer Bäcker schien magnetische Anziehungskräfte zu besitzen, die Warteschlange endete erst weit vor der Eingangstür, das setzte sich bis nach Marktende fort. Ausgerechnet dort sah ich die leckersten Sandwiches. Ein Straßenmusiker trällerte solo französische Klassiker (ich kam einfach nicht drauf – auf den Titel / den Interpreten). Später saß er im Bistro bei einem Espresso, vermutlich vom Geld aus der Hutkasse. Nach Durchlauf des Wochenmarktes stellte ich mich artig in die Schlange beim Bäcker. Der „Chef“ fummelte am Eingang mit einem Stück Pappe herum, versuchte die Eingangstür offen zu halten. Egal, seine Sache. Ich orderte ein vegetarisches und eins mit Schinken. So ein leckeres belegtes Baguette hatte ich lange nicht gegessen (eingelegte Aubergine, Schafkäse, Tomate…). Danach setzten wir uns in ein Bistro bzw. draußen davor. Wollte am Tresen zwei Cappuccino bestellen, der ältlich wirkende Wirt verwies an seine Servicekraft. Beim Warten sah ich dem Wirt beim Einschenken von Wein zu, zittrig hob er die Flasche und „tatterte“ sich zum Glasrand vor, dann zum nächsten, beim Dritten hob der Gast die Hand schüttelnd. Ich ging aufs WC, ein Ort der Stille, nicht immer der Reinlichkeit. Welche Diskrepanz zwischen Keramik der Toilettenschüssel und den darüber verklebten Wandfliesen, ein florales Muster zierte die Mitte der Kachelwand über dem in die Jahre gekommenen Toilettenbecken. Innen saßen / standen wieder „die Herren“ beisammen, auf dem Bildschirm an der Wand lief ein Pferderennen, der Wirt eifrig beim Notieren.

Die Servicekraft brachte ein Tablett an unseren Tisch, stellte zwei Tassen auf den Tisch, dessen Inhalt ausschließlich aus Sahne zu bestehen schien. Ich arbeitete mich mit einem Löffel durch die Sahne, der Kaffee kalt auf der Zunge, die Sahne süßlich im Geschmack, nicht unangenehm, ups, wo ich doch sonst so eine Abneigung gegen „Sahnehäubchen“ habe. Weiter unten in der Tasse dann irgendetwas, dass wie heißer Kaffee schmeckte. Gestärkt radelten wir zum Chateau hinauf, wo wir enttäuscht feststellen durften, der Eingangsbereich mit ritterlicher Holztür verrammelt (später nachgelesen, erfuhr ich, „Dienstag Ruhetag“). Ein bisschen den Ort durchstöbert, dann Heimfahrt, wobei wir hinter der Brücke den „richtigen“ Abschnitt des Seine-Radweges nahmen…. (Nummern 3 und 4 ), der wieder wunderbar zu fahren war.

Kurze Unterbrechung durch einen Regenschauer, dann Pause am WoMo bis in den Nachmittag. Trip nach Les Andelys, keine 4 Km vom Campingplatz aus. Der Ort bot ebenfalls ein Chateau (Gaillard), und zwei Stadtteile, wobei – nach Reiseführer – nur der namentlich „Petite“ sehenswert war. Am Kai ein Seine-Kreuzfahrtschiff und Kirmes.
Ein Italienisches Restaurant – heute geschlossen – bot, neben einer ausgefallenen Fassade, ein ansehnliches Interieur…

Wir folgten am Kirmes-Gelände vorbei dem Weg am Kai hinter den Häusern mit hübschen Blick auf Kreidefelsen und Seine-Radweg….

Im Anschluss hinauf zum Chateau, den Fußweg, steil bis extrem steil. Letzten Rest per pedes zurückgelegt.
Oben beste Aussicht, wie zuvor beschrieben über mehrere Seine-Schleifen.

Abgang bzw. gebremste Abfahrt. Von unten andere Perspektive der Anlage…

Jola wurde um ein ausgiebiges Shopping-Vergnügen betrogen, einige Geschäfte hatten bereits geschlossen. Heimfahrt.
Zur Geschichte des Schlossen wird auf einschlägige Internetseiten verwiesen (bspw. https://de.normandie-tourisme.fr/absolut-sehenswert/chateau-gaillard/)