28.07.2023 Freitag
Gent verließen wir bei wolkenverhangenem Himmel gegen 09.15 Uhr. Ohne Verzögerungen erreichten wir die französische Grenze hinter Kortjik, wo der Verkehr um Lille zunahm, die Asphalt- bzw. Betonwüste sich durch die Landschaft fraß, da halfen auch die bunten Fassaden einiger Hochhäuser nicht über den negativen Touch bei dieser Durchfahrt hinweg. Eine Infotafel sendete eine Warnung, die Strecke sei, ja den französischen Ausdruck hatte ich wieder vergessen, sinngemäß muss wohl gemeint sein: schlechter Zustand, gesperrt oder was weiß ich. Schon meldete sich Madame Route und empfahl eine alternative Strecke, bei der man 38 Minuten einsparen könnte. Ich tippte „ja“ an und folgte brav der Streckenführung. Statt die A1 Richtung Paris zu fahren, lotste man mich nach Béthune, in Houdain erfreute Jola das blau-gelbe Schild von Lidl an einem Kreisverkehr, lenkte mich auf dessen Parkplatz. Für mich stand dann sogleich Entspannungsgymnastik an, für Jola Shopping-Freude. Billig Käse, Pastis und Leffe Blond neben einigen anderen Lebensmittelns erstanden, die es in unsere „Lebensmittel-Lager“ schafften. Manchmal kam uns die Strecke „irgendwie“ bekannt vor, als wenn wir hier schon einmal lang gefahren wären. Eu / Le Treport, dort waren wir ja schließlich letztes Jahr schon.
Die Anzeige des Thermometers im Fahrzeug stieg langsam, zuletzt zeigte es 23° an, draußen ließ sich die Sonne blicken. Zur Strecke bliebe noch anzumerken, mehrfach senkte oder stieg die Straße zwischen 6% und 10% an / ab.
Um 13.45 Uhr standen wir vor der Einfahrt zum Camping de la Miniere. 15 Minuten, dann öffnete die Rezeption. Eine begeisterte Ehefrau buchte gleich für 2 Tage. Platz 71, geräumig, durch Buchenhecken gesäumt, eine Rotbuche, eine Sumpfeiche (beide durch Pflanzen-App identifiziert) und eine Buche boten Schatten.

Es war Sommer geworden. Lunch bestand aus dem Baguette von Lidl, einer Flasche Cidre nebst einem lokal produzierten Käse für 2 €, gekauft beim Campingplatz-Chef.
In die Stadt führte ein Schleichweg, der an der historischen Sehenswürdigkeit Nummer 12 endete. Hier soll Flaubert Gedanken zu seinem Roman Madame Bovary gesponnen haben.

Die Stadt (rund 3250 Einwohner) konnte ein Stück weiter im Zentrum optisch nicht mit besonderen Sehenswürdigkeiten punkten. Das Touristenbüro eigentlich nicht zu übersehen, wir fuhren trotzdem stadtauswärts vorbei. Ein Stadtplan, ein Blatt mit zwei Fahrradrouten, Englisch half bei der Verständigung. Ab morgen ist die Stadt für zwei Tage Treffen einer Pferdeveranstaltung größeren Ausmaßes. Orientierten uns zum „Kurgebiet“, Casino, ältestes Hotel (Continental), Seen, das Porte de Gisors.

Bei der Besichtigung entdeckten wir einen Golfplatz, wohl zum Hotelkomplex gehörend. Außerhalb im Waldgebiet am Rande der Seen Absperrungen durch auf die Straße gelegte Bäume, ständig Schilder, wo Fußgänger langzugehen haben. Dann im Wald abgesteckte Flächen für Anbieter jeglichen Gebrauchs, viele noch frei, nur mit Namen versehen. Ein Reitparcours, soll das die Hauptattraktion für die beiden Tage sein? Drumherum gemächliches Treiben, Aufbau und Vorbereitung für den morgigen Beginn. Wir werden es beobachten.
Nach Stadtplan sollte sich links vom Weg der See befinden, Jola weit vor weg, ich bog in den Wald ab. Noch leicht feuchter Boden, bergab ein paar Meter, dann der See…

Wieder auf dem „Kurgelände“ zurück, erfreuten mich drei holde Weiblichkeiten bei der Ausübung von Freikörperkultur.

Bei einer Patisserie ein Baguette tradition gekauft. Schon sind wir ganz „französisch“.
Morgen geht’s vielleicht auf die „Grüne Straße“, ein Streckenabschnitt des Radweges Paris – London, hier eine alte stillgelegte Bahntrasse.
29.07.2023 Samstag
Frühstück draußen oder drinnen? Der Tag präsentierte sich nicht allzu sommerlich, trotzdem deckten wir auf dem Campingtisch. Da war es etwa 08.30 Uhr. Vorbestellte Baguette und Croissants bekämen wir an der Rezeption erst ab 9 Uhr. Jola sattelte ihr E-Bike und suchte den Bäcker von gestern. Brachte, neben dem profanen Baguette für 1€ (nicht mal ein „Tradition“), Croissants und ein Zitronen-Tarte-Törtchen im hübsch bunten Karton mit. Wir speisten zum Baguette Rillette (ein herzhafter Brotaufstrich), gemacht aus gebratenem Hühnchen, das kannte ich bisher noch nicht.
Jola ging Duschen, zuerst übernahm ich die Kloakenbereinigung, sprich, ich entsorgte den Inhalt unserer „Chemie-Toilette“. Danach wandte ich mich dem belgischen Ehepaar mit gleichem Wohnmobil zu, Neugier. Dem Mann half ich gestern bei fehlgeschlagenen Internetversuchen, danach grüßte die total braungebrannte Frau freundlich und bemerkte, es (das mit dem Internetzugang) hätte dann geklappt. Erfuhr gleich den halben Lebenslauf von Ihr, später Ergänzungen von ihm. 25 Jahre Wohnmobilerfahrung, ein Haus in Portugal seit 7 Jahren inmitten portugiesischen Wohngebiets, Überwinterung auf Teneriffa, Golfspieler, er hüftkrank (wie ich), ein Hund, Mischling zwischen Terrier und Retriever, suchte den Kontakt, wenn auch gelangweilt dabei wirkend. Morgen geht es an die Loire (Loaree sprachen die beiden das aus), dann ins Baskenland. Nun genug, was andere Leute machen! Anmerkung: Wieder mal schade, dass man nicht eher Kontakt bekommen hatte, sehr nette Leute! Ich spielte den Liefer-Service, holte die Bestellung an der Rezeption ab (Baguette / Croissants).
Es begann zu nieseln, Jola drängte trotzdem auf Aufbruch, wohin noch mal?, nach Neufchâtel-en-Bray. Ich hatte für die Strecke rund 19 Km auf dem Green Verte ausgerechnet.

Regenjacken eingepackt, Jola bestimmte den Startkilometer, der durch Straßen dieses Ortes führte und nach knapp 50 Meter Trampelpfad auf den Paris-London-Radweg wechselte. Asphaltiert, die meiste Zeit glatte Oberfläche, oft im Überhang durch Bäume geschützt (vor Sonne, die dato nicht schien). Brombeerhecken, Fliederbeeren, Schlehen am Wegesrand, wenn man Weitsicht hatte, leicht hügeliges Umland, wie in einer Art Tal, allerdings ohne Wasserlauf. Schwarz-Bunte, Normannische Kühe, zwei Ziegen, die einen „umgebauten“ Wohnwagen ihr Zuhause nannten. Ich unkte, „kaum Radfahrer hier unterwegs“ und schon kam uns einer entgegen. Ca. jeden Kilometer ein Übergang,….

… ein Bahnwärterhäuschen (jetzt privat genutzt), alte Signalanlage am Wegesrand, zwei „Verpflegungsstationen“, sprich, Pause machen, Essen und Trinken, jetzt jedoch noch nicht. 20 Kilometer auf fast ebener Strecke, Radfahren at it’s best. Trocken gelangte wir in Neufchâtel an, gleich der Kreisel, bestückt mit Kühen (wahrscheinlich wegen des berühmten Käses) , dann das „größte“ Museum I ever seen….


Was suchten wir hier? U.a. Käse!, und das Touristen-Büro. Einen Stadtplan fand ich im Hotel de Village. Der Wochenmarkt an der Kirche im Aufbruch / Abbruch begriffen, da, wo wir unsere Räder abstellten, roch es nach Fisch. Auswahl, völlig anders, als auf unseren Märkten. Es schien, als wenn die „Rochen“ noch lebten und mich anglotzten…

Hähnchen waren alle vom Grillrost verkauft. Jola war sich sicher, hier gibt es Käse, eine ganze Halle voll, nur wo war sie zu finden?
Auch hier vor der Halle Stände, ebenfalls im Abbau befindlich. Wieder eine Hähnchenstation, 3 ganze fertige lagen zum Verkauf, doch vor mir eine französische Familie im Palaver mit der Verkäuferin, sie füllt eine Tüte nach der anderen mit jeweils einem Hähnchen, es blieb für mich nichts übrig. Jola drängte, in der Halle würde auch um 12 Uhr dicht gemacht. Enttäuschend das Entree, Gemüse und Marmelade in der …

Den Käse verbannte man anscheinend ins Untergeschoss, das ich nur durch Zufall entdeckte. Das Geschäft war scheinbar gemacht, an allen Ständen räumte man „zusammen“. Herzkäse erstanden wir dennoch, einen Calvados-Camembert (5 €) und eine Art…. Frischkäse für 0,85€.
Nach Naturalien-Shopping verlangte der Körper einen Kaffee, meiner nicht unbedingt. Neben der Kirche am Place Notre Dame machte das Bistro Le Chapeau Rouge einen guten Eindruck. Platzierten uns draußen, ein Fehler, denn Außengastronomie wurde gerade ausgesetzt (warum?; weil Starkregen aufkommen würde). Alle Gäste verzogen sich ins Innere. Jola liebäugelte mit einem freien Tisch am Fenster, dort stand „Reserve“. Die resolut wirkende Chefin fand keine Platz im Sale, wies uns den Fensterplatz zu, wieder mal „GLÜCK“ gehabt. es dauerte,….. bis Madame sich herabließ, eine Bestellung aufzunehmen, Plate de Jour und Bier der Marke Afflingem. Bezahlt wurde stets am Tresen, der wie ein Kassenhäuschen aussah. Das Essen bekam von mir die Note „2 Sterne“. Wir hatten keine Eile, der Starkregen kam, blieb eine Zeitlang, andere Gäste flüchteten in die gegenüberliegende Kirche, eine Frau dabei ihr Handy im Video-Modus hochhaltend. Schön, wenn man nirgends hin muss. So warteten wir auf eine Trockenphase, die auch kam. Rückfahrt auf gleichem Wege. Pause an der zweiten Station für einen Cappuccino. Sehr alternative Umgebung!

Der Toilettenbesuch erinnerte an Zeiten des Plumpsklos…

Jola suchte, zurück in Forges-les-Eaux, die Herausforderung, wollte die Fete du Cheval besuchen; ohne mich. Ich radelte heimwärts. Wider Erwarten blieb die Sonne bis zum Abend am Himmel sichtbar. Alpakas, die Pferde behüteten, rosige Schweinchen am Spieß, Frauen stehend auf Pferderücken reitend, das waren Geschichten, die Jola vom „Pferde-Fest“ mitbrachte.
30.07.2023 Sonntag
Schnell war für Jola klar, dass wir hier auf dem gemütlich wirkenden Campingplatz eine dritte Nacht bleiben würden. Als Frühaufsteherin hatte sie bereits eine Tagestour ausgewählt, die Grüne Straße in die andere Richtung zu fahren. Der Platzwart begrüßte mich, wünschte einen schönen Tag, merkte mir meine fehlenden Französischkenntnisse an und erklärte auf Englisch, „heute kein Regen, nur viel Wind“, welch tröstliche Worte. Heute sei Wochenmarkt, da sollte kurz noch vorbeigeschaut werden, also ja, auf dem Weg knipste ich das Geschäft der kratzbürstigen Bäckerin…. sie hinter Glas nicht zu erkennen…
….am Marktplatz drei Stände, ich bewachte die Räder, machte Fotos ……
Jola rückte enttäuscht an, das sei aber ein winziger Markt. Die Startzeit war auf dem Bild festgehalten, doch welche Straße mussten wir von hier ab nehmen? Rätselraten, dann nachgefragt im Tourist-Büro. Nur über die Straße, dann am Museum Résistance vorbei und am Ende die Unterführung nehmen. Vier Serpentinen ging es hinab unter den neuen Bahngleisen hindurch. Von da an Nebenstraßen in wellenförmiger Architektur, lange Strecke hügelabwärts mit hoher Geschwindigkeit, dann mühsamer Aufstieg einer ebenso langen Passage. Winzige Dörfer lagen zwischen diesen Geländeformationen abseits von Gut und Böse, vielleicht auch vergessen von der Grande Nation in Paris. Hier die erste Stunde der Tour….

Überquerte den Fluss L’Epte bei Bellière, später nach Menerval…

Geschlossene Maisfelder, Viehwirtschaft (Kühe), Getreidefelder, die fast alle schon abgeerntet waren, die typischen runden Ballen zierten das Panorama….

Uns frohlockte ein Hinweisschild mit Café Velo Jaune in den nächsten Ort namens Dampierre-en-Bray. Jolas Vorfreude ließ sie glatt am Abzweiger vorbeifahren. Mein Klingeln gehört oder nicht, sie kam zurück. „Ferme“ (Geschlossen), keine Öffnungszeit.

Mit gastlichen Raststätten war die Strecke bisher nicht gesegnet. Wie man auf den Bildern erkennen kann, dichte Wolken, Sonne machte sich manchmal auf, dazwischen durch zu scheinen, Wind blies – wie bei Radfahrten üblich – die ganze Zeit. Notgedrungen Weiterfahrt. Hier der Rest der Strecke bis Gournay-en-Bray…

Über den Ort mag ich nicht viel berichten, verlassen, oft heruntergekommene Gebäude, kein netter Fleck zum Pausieren. Den im Reiseführer abgebildete Kursaal entdeckten wir bei der frustrierten Suche nach einer Bar / einem Bistro etc. Jetzt beherbergte man hier ein Kino.

Mal schauen, was es dort für Informationen gibt. Von Weitem schon titulierte ich das Gebäude als schönstes der Stadt…

Zum von mir gewünschten Ziel Lyons-la-Forêt wäre es zu weit, Quintessenz: Kehrt und Rückfahrt auf gleicher Strecke. Jetzt leider häufig mit Gegenwind