15.07.2019 Montag
Aufbruchstimmung nicht nur bei uns, Camper rollten ihre Planen zusammen, andere vertauten ihren „Zweitwagen“. Jola bezahlte und kam mit der Meldung ins WoMo, sie habe scheinbar nur für einen Tag bezahlt. Egal, den „Rabatt“ nahmen wir einfach mal an.
Alles ging bis dahin recht flott, sodass wir gegen 9 Uhr bereits den Campingplatz verließen. Ich wollte zum Supermarkt, dahin, wo wir uns gestern vor dem Regen unterstellten. Die vier Kilometer waren vergeudete Zeit, der Leclerc diente scheinbar nur Großkunden, außer bei der Bäckerei hätte ich nichts einkaufen können. Also unverrichteter Dinge auf die Autobahn, die bei Belfort 4,50 € Maut kostete. Später löhnte ich ein weiteres Mal Maut, 12 € bei Besançon. Die Automaten mit den französischen Hinweisen und Anweisungen brachten mich zur Weißglut, wahrscheinlich schimpften die hinter mir Wartenden über den „dämlichen Deutschen“. Die Autobahn war voller (als auf anderen Frankreich-Reisen), vor allem tourten mehr LKW von Nord nach Süd oder Richtung Paris. In Besançon bog ich zum Zentrum ab, die Stadt schien mir wie gemacht für eine Pause mit einer kleinen warmen Mahlzeit. Tatsächlich fand ich stadtnah einen Parkplatz, zwar kostenpflichtig, aber genügend freie Plätze für das WoMo. Kurz vor 12 Uhr marschierten wir am mächtigen Gebäude der Finanzverwaltung vorbei Richtung Marktplatz (von dem wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts wussten). Typisch südlich die hohen Häuser, gewaltigen Bauten, als nächstes das Centre Hospitalier der Universität mit seinem Kuppelturm. Bald erreichten wir Straßenzüge mit kleinen Restaurants, Bistros und den überall vorzufindenden Modeketten (H&M oder C&A bspw.). Ein „Plat de jour“ boten mehre Lokale auf ihren Schiefertafeln an. Marschierten über die Brücke auf der Suche nach einem Mittagstisch, Straßenbahnen fuhren fast geräuschlos in kurzem Takt hin und her. Wir erwischten den richtigen Zeitpunkt und eine gute Wahl bei dem Mittagessen an zentraler Stelle gegenüber dem modernen Gebäude mit der Aufschrift „musées“ und einer Uhr, die ständig in Bewegung war, um die richtige Uhrzeit anzuzeigen.
Essen war in Ordnung, ärgerlich nur, dass wir als Touristen nicht die sonst überall hingestellte grüne Flasche mit Leitungswasser hingestellt bekamen. Bei Monoprix Bier, Wasser, eine Flasche Wein etc. eingekauft und zum WoMo geschleppt.
Dabei entdeckte ich im Pflaster des Fußweges kleine bronzefarbene Dreiecke mit runden Symbolen, Ziffernblätter von Uhren. Sie dienten als Richtungsanzeiger für einen Stadtrundgang. 2,40 € wollte der Automat für den Abstellzeitraum haben.
Weiter ging es ohne mautpflichtige Autobahn auf den Nationalstraßen, was logischerweise etwas länger dauerte. Auch hier nur zwei Baustellen mit Ampelstopp, sonst bei Tempo 80 Km/h flott die manchmal atemberaubenden Steigungen und Gefälle entlanggerauscht. Kurz vor Bourg bei Intermarché für 1,401 € getankt. Abgeerntete braune Getreidefelder, auf denen die typischen Rundballen lagen, Mähdrescher wendeten Gras, Dörfer mit tristen Durchgangsstraßen, deren Namen ich bereits nach der Durchfahrt wieder vergessen hatte, all das flog an mir vorbei. „Vins du Jura“, den gab es da, wo es ziemlich „wellig“ auf und ab ging. Villefranche sur Saône erreichten wir gegen 16.45 Uhr, Sonne schien, windig war es, besonders heftig einige Böen. Hässliches Gewerbegebiet durchfahren, dann ein Kilometer Platanen und Gewächshäuser. Campingplatzzugang war wieder mal was für Technikaffine. Immerhin waren Hinweise und Ansagen in Deutsch vorrätig. Meine Handynummer und meine E-Mailadresse musste ich eingeben, beim Namen begnügte das System sich mit „St“ und „U“. 13,30 € plus 4 € für die Karte, dann öffnete sich die Schranke und ich hatte freie Platzwahl. Musik aus einem Restaurant (La Plage) beschallte den gesamten Campingplatz, der bis dato nur sporadisch besetzt war, sich aber nach und nach später füllte. „Tanztee“ würde man die Veranstaltung im Restaurant nennen, die scheinbar eine lange Tradition besaß (wenn man dem Foto Glauben schenken wollte). Bei einem Spaziergang an der Saône sahen wir eine volle Tanzfläche, meist doch älterer Pärchen, die flott einen aufs Parkett legten.
Die mit Platanen bestandene Allee endete nach ca. 500 Metern bei einem Betonwerk. Wir kehrten um, auf den Grünflächen war eigentlich Grillverbot, trotzdem qualmte es aus einer Metallschale gen Himmel.
Nach einem Päuschen schloss sich das Abendbrot an. Danach verschafften wir uns Gewissheit über die Aura dieser Stadt. Leider konnten wir kein nennenswertes Ambiente entdecken, dass man gerne in seinen Reisenotizen vermerkt hätte. Eine hübsche Kirche fanden wir in der Nähe des Rathauses, das imposant mit Treppenportal im Zentrum thronte. Vor dem Theater ein bisschen Freiraum mit Grünzeug. Wir kehrten dem Innenstadtbereich schnell der Rücken, fuhren auf Fußwegen gegen die Einbahnstraßen zurück, ohne Stadtplan hatte ich absolut keine Lust, mich auf unbekannten Wegen zu verfahren. Nach 20.30 Uhr ein Bier am WoMo getrunken und einer skurrilen französischen Familie beim Boule zugesehen.
Morgen werden wir die Stadt schleunigst verlassen.
16.07.2019 Dienstag
Ich möchte hier gar nicht den Reisebericht mit der misslichen Geschichte um Jolas negative Reiselust bereichern, es lastete jedenfalls schwer auf der Tour.
Um es kurz zu machen, die kaum mehr als 280 Km waren eine Herausforderung. Zum einen, um um Lyon herum zu kommen, zusätzlich ein Unfall auf der A6 mit entsprechendem Stau, dann „Autobahn vermeiden“ dem Navi befohlen, was dazu führte, die Strecke überwiegend auf der Nationalstraße zurückzulegen. Ich dachte am Ende der Tour einen Drehschwindel von den vielen Kreisverkehren bekommen zu haben. Wie oft vom Navi die Ansage kam „in den Kreisverkehr einfahren und …. Ausfahrt …“ konnte ich nicht zählen. Ebenso blieben die Orte wieder namenlos zurück, dafür begleitete uns des öfteren die Rhône in ihrem überaus breiten Bett. Zumindest bis vor den vier qualmenden Atommeilern bei Montélimar glänzte die Wasseroberfläche kristallblau. Nach gut zwei Stunden eine spontane Pause an einer Épicerie mit Snack-Bar. Kaffee zum Selberziehen und eine Art Apfeltasche (eher mit Apfelmus gefüllt) mussten für unser Wohlergehen herhalten.
Bis 13 Uhr wollte ich eigentlich ein Restaurant für ein kleines Mittagessen gefunden haben, vergebens. Ein Lidl im Umfeld von Montélimar stoppte mich, es gor die Idee, Fleisch zu kaufen und selber im WoMo etwas zum Mittag zu machen. Jola blieb im WoMo und schnetzelte Gemüse zu einem Salat klein, ich kam mit Schweinekoteletts zurück.
Avignon rückte näher, die zunehmende Hitze war im Fahrtwind zu spüren, milde, lauwarme Luft umspielte meine Hand, wenn ich sie aus dem offenen Fenster hielt. Außer den Geräuschen der Fahrzeuge war das ständige „Rascheln“ der Grillen, Heuschrecken oder Zikaden zu hören (zu diesem Zeitpunkt war ich noch Unwissender, kannte nicht den Begriff „la cigale“, die in der Provence heimische Zikade mit dem typische Lärmpegel). Ohne Unterlass dröhnte der Gesang von Millionen kleiner Tierchen ans Ohr, wie ein ferner Klang eine Flaschenabfüllanlage oder besser noch wie eine sirrende Stromleitung.
Leider waren die Versuche auf den drei notierten Campingplätzen vergebens, alle „besetzt“. Ärgerlich, aber im Nachhinein auch verständlich, denn die Kleinkunstfestivitäten waren noch voll im Gange. Der letzte Versuch, Camping „Parc Libertés“, etwas außerhalb gelegen, war dann eher ein Jugendzeltlager, aber immerhin durften wir uns einen Platz auf dem wilden Areal aussuchen. Unglücklich über den abgeschiedenen Ort, schlechte Sanitäreinrichtungen (Jolas Stippvisite) und verpasste Gelegenheiten, haderten wir (Jola mehr als ich) mit dem Schicksal und der Hitze. Unser erster Versuche gegen 18 Uhr, Avignon zu erreichen scheiterte auf halber Strecke. Die Hitze war zu groß, Jola hatte keine Kopfbedeckung mit und mir schwante Ungemach ob des plötzlichen Klimawandels. Also kehrten wir um, gönnten uns eine Pause, fanden andere Stellplätze auf dem Gelände, die besser für einen Aufenthalt geeignet wären.
Gegen 19.30 Uhr starteten wir einen zweiten Versuch, der diesmal erfolgreich war und uns bis in die Altstadt gelangen ließ. Auf der Brücke das obligate Foto von der Pont St. Bénézit.
Der Trubel war hier im alten Kern riesig, so ließen wir die Räder vor der barocke Missionskirche (Chapelle Oratoire) stehen und schlenderte durch die überaus effektvoll mit Veranstaltungsplakaten dekorierten Gassen. Musik erklang hier aus einem Hinterhof oder dort von einer umringten Menschenmenge auf einer Straße. Turbulent setzten sich junge Asiaten mit Jojos in Szene, eine unscheinbare junge Frau mit Zopf sang vor dem Papstpalast Lieder von Edith Piaf, später gab eine leicht pummelige Frau zusammen mit einem Mann am Kontrabass Jazziges angenehm zu Gehör. Zeichner, Jongleure und Theater, die Stadt war voller Leben und die multinational wirkenden Menschen genossen die angenehm milde Temperatur der Nacht, ob mit einem belegten Baguette in der Hand (wie wir) oder vornehm in einem Restaurant. Stiegen die Treppen zum Papstpalast hinauf, von wo man eine hübsche Aussicht auf den Place de Palast und die Umgebung hatte. Die polizeiliche Präsenz erinnerte mich ein wenig an unseren Aufenthalt in Israel im Jahr 1996.
So um 21.30 Uhr dachte ich an die nächtliche Heimfahrt, wir standen gerade auf dem Place de l‘ horloge, bei dem ich mich zu erinnern glaubte, hier einmal über einen Wochenmarkt gegangen zu sein. Jola hatte das Bedürfnis, unbedingt in Avignon einen Pastis trinken zu wollen. Also am Place Crillon ein Plätzchen vor einer Bar gefunden, ich trank ein kleines Jupiler, Jola den gewünschten Pastis. Die Bedienung wirkte etwas zu lässig abweisend, originell die kurzen schwarzen Lederhosen (Imitat?), die alle im Service tätigen Mädels trugen. Am Nebentisch ein echter (alter) Franzose, zerzaust, lange graue Haare, Gehstock an den Tisch gelehnt, zählte seine Münzen für den Kaffee und das Glas Wasser, schaute andauernd auffordernd herüber, blieb aber stumm, bis sich ein jüngerer Franzose an den Nebentisch setzte und zu plaudern begann. So wanderten die Münzen erst einmal wieder in seine Tasche.
Die Rückfahrt im Dunkeln verlief ohne „Fehltritte“. Nachts gegen 00.00 Uhr tauchte plötzlich jemand vom Service auf, wir stünden auf einer Fläche, die „nicht versichert“ sei (herabstürzende Äste etc.), es sei nicht erlaubt, an dieser Stelle zu stehen, wir müssten umparken. Ich dachte, ich falle vom Glauben ab, sagte aber nichts. Packte die Sachen zusammen, steuerte etwas angetrunken das WoMo dorthin, wo ich bei einem Rundgang ohnehin einen freien Platz entdeckt hatte, wir das Umparken aber für nicht notwendig erachteten. Immerhin bemühte er sich um Einweisung, Stromanschluss und entschuldigte sich tausendmal.
Gegen 01.00 Uhr nahm mich mein Bett zur Ruhe auf. Jola schrieb noch im Stehen bis 01.30 Uhr weiter an ihren Aufzeichnungen.