2024 Hauts-de-France – Isques

30.08.2024 Freitag

Mit der bedrückenden Erkenntnis aus dem Besuch des Memorial-Center Pegasus, wie viele Opfer erbracht werden mussten, damit Europa wieder für lange Zeit in Freiheit und Frieden leben konnte, verließen wir heute gegen 09.40 Uhr die Normandie Richtung Norden. Rund 300 km Strecke lagen vor uns, Ziel irgendwo in der Nähe von Boulogne-sur-Mer.

Ich genehmigte uns Fahren über die Autobahn, sprich, Maut bezahlen. Das sollte uns laut Navi gegenüber anderen Strecken eine Ersparnis von ca. 75 Minuten bringen. Die Mautstellen mit ihren Automaten raubten mir fast den letzten Nerv, wo schob man den Geldschein ein?, wo fand man das rückgegebene Bargeld?, aus welchem Schlitz kommt das Ticket?, dann die Girokarte falsch eingeschoben, des Französischen kaum mächtig, was stand auf dem Display? Die Karte falsch herum eingesteckt, Anfängerfehler! Dann, wenn alles irgendwie „richtig“ war, hatte ich „zu kurze Arme“, kam nicht an die Schale, ans Ticket oder….
Nun gut, am Ende schaffte ich alle Mautstellen und sogar die bei der Pont Normandie bei Le Havre, die Brücke fotografierte Jola wieder ausgiebig während der Überfahrt, aber Bilder waren verwackelt, deshalb hier eins von Wikipedia.


6,80 € kostete der Ausblick, von dem ich am wenigsten bei 70 km/h hatte, über die Seine auf der knapp 860 m langen Brücke.
Bei einer Rast checkte ich meine Emails, Anfragen an Campingplätze von gestern. Einer sendete eine Rückmeldung, ja, Platz frei, man könne kommen. Isques, ein 1.200 Seelen-Dorf nahe Boulogne. Nahe hieß, rund 7 Km mit dem Rad. Nach 14 Uhr trafen wir am Camping Les Cytises ein, wo gerade das Schild an der Rezeption von „fermée“ auf „ouvert“ umgedreht wurde. Schöner, mit halbhohen Hecken eingegrenzter Rasenplatz. Teepause.
Trotz mauer Wetterlage verordneten wir uns Bewegung, wollten wieder Sandstrände und Dünen sehen….


Radwege katastrophal, wenn vorhanden, auf Straßen im Sekundentakt Überholmanöver von PKW, selbst auf dörflichen Landstraßen, geschuldet vielleicht dem Feierabend und Einleitung des Wochenendes. Egal, Orte boten tristes Ambiente, wenig Glamour von sonstigen meernahen Badeorten, man glaubte sich eher im Revier, sprich, Kohlenpott der frühen 70er Jahre. Zwischen „2“ und „3“ lag ein Campingplatz, den wir uns als mögliche Alternative für die nächsten Tage ansehen wollten. Kam aber nicht infrage. Weiter bis zum Strand, nach einem Kilometer tat sich Dünenlandschaft auf…..


Wetterbedingt, fast menschenleerer Strand, wenig attraktiv, jetzt einen Spaziergang ans weggelaufene Meer zu machen. Wir kehrten um, fuhren weiter in die nächste (trostlose) Gemeinde namens Equihen Plage. Radfahren in Südtiroler Berggegend wäre nichts gewesen gegen Steigungen und Gefälle auf dieser Tour. Am Ende bremsten wir uns eine Straße mit 14% Gefälle nach St. Etienne-au-Mont stetig hinunter, Grund fürs Abbremsen: Schlaglöcher. Im Ort eine gelungene Street-Art-Wandmalerei…


Heil (-froh) waren wir mit zwei Baguettes wieder am Campingplatz zurück. Deutsches Essen: Wiener Würstchen, Tomatensalat und ein Bier. Über die Thujahecke klangen Altherrenstimmen mit jugendlichem Timbre herüber, zwischendurch metallisches Klackern, Boule wurde von Einheimischen mit Enthusiasmus gespielt.

31.08.2024 Samstag

Wo war der Sommer geblieben? Hier jedenfalls sparte er mit seinen Reizen noch. Aufbruchstimmung auf dem Campingplatz, die „belgische Community“ (neben Franzosen stellten Belgier die meisten Gäste) reiste gen Heimat.
Erstmals das Sanitärgebäude aufgesucht, davor ein Fitnessparcours mit modernen Geräten. Vor den WCs hing überraschend eine frei verfügbare Box mit Toilettenpapier (kostenloses Klopapier bisher in Frankreich unüblich) an der Wand, alles blitze sauber. Dieser Campingplatz punktete nicht mit der Lage, sondern mit seinem Ambiente.
Heute oblag es mir, den Tellerwäscher zu mimen, das schmutzige Geschirr mehrerer Tage hatte die Regale im WoMo leergefegt.
Nach gemachter Hausarbeit, die Sonne bot ein Friedensangebot, ein Schimmern von ihr am Himmel, begaben wir uns auf die Tour nach Boulogne-sur-Mer (rund 46.000 Einwohner).

Wieder den ungeliebten holprigen Radweg bis zum Kreisel, danach allerdings erfreut über ausgewiesene Radwege, die sich bereits im Ortsteil St. Leonard zu neu angelegten breiten Fahrwegen erweiterten, später auf einen hübsch angelegten Promenadenweg am Fluss La Liane hinführten. Hier störten temporär heute Pagodenzelten auf dem Radweg, im Aufbau für ein Fest von Sportvereinen. Den adrett gestalteten Promenadenweg beeinträchtigten optisch lediglich rechts der Straße gelegene Hochhäuser älteren Datums, deren Bewohner der oberen Wohnungen sicher einen schönen Ausblick haben, aber ansonsten…..
Wir erreichten den Quai Gambetta, wo wir am sehr bekannten Fischmarkt ein Auge auf das Angebot warfen. Auch ohne Kaufabsicht waren wir relativ enttäuscht von der Frische der Ware (glasige Augen). Zwischen den Ständen….


Letzte Anlandung am Kai, ob der Fang heute noch verkauft werden würde?


Nur rund 500 m weiter am Mündungsarm von La Liane das 1991 eröffnete Nasicaá, Europas größtes Aquarium. Stimmen und Geräusche klangen aus dem Innern, durch Fenster ließ sich ein Blick auf die Robbenfütterung werfen. Wobei es eigentlich keine Fütterung war, eher eine Dompteurvorstellung. Mit Kärtchen signalisierte die Trainerin den aufmerksamen „Schülern“, wonach sie suchen sollten. Dann stob eine aufgeforderte Robbe los und stieß mit seiner Nase an ein im Gelände aufgestelltes Kärtchen gleichen Charakters und erhielt als Belohnung einen Fisch.


Hier stupste eine Robbe direkt vor meiner Kamera ein Kärtchen an….


Die Stadt konnte in unmittelbarer Nachbarschaft zum Aquarium auch mit einem ansehnlichen Sandstrand punkten…


Strandsegeln hat – wenn ausreichend Wind bläst – an diesem Strand offensichtlich größeren Zulauf…..


…. heute nicht.
Aus der Nähe war unverkennbar das Nagen des Zahnes der Zeit am Aquarium zu erkennen, dagegen müssen Entscheider in der öffentlichen Verwaltung den Gedanken der begrünten Stadt entdeckt und diverse hübsch gestaltete Plätze neu geschaffen haben ….

San Martin (südamerikanischer Freiheitskämpfer)

Boulogne-sur-Mer besaß offensichtlich begnadete Street-Art-Künstler, die mit Wohlwollen von örtlichen Ämtern oder Hausbesitzern stadtweit großflächig, ansonsten hässliche, Wandfronten genial verschönerten….


Noch rechtzeitig vor Ende des Wochenmarktes trafen wir an der Kirche Sankt Nikolas ein. Reges Treiben auf und um die Marktstände herum, ein Restaurant reihte sich an das nächste…..


Laute Musik tönte aus einer Gasse, in der es besonders voll war, ein Duo gab Pop-Klassiker zum Besten, die Stimmen passend dazu….


Wie man auf dem Bild zuvor sehen kann, viele Menschen saßen bereits bei einem Gläschen oder beim Essen, unser erster Versuch nach einem freien Tisch in der Grande Rue scheiterte, wir kehrten zum Marktplatz zurück, wählten das Traditionsrestaurant Chez Jules, man platzierte uns zwischen zwei bereits besetzte Tische, der Chef machte persönlich für uns Platz. Vorweg ein Bild von ihm, wem sieht er ähnlich?


In Gestik und Mimik ein Double von Heino Ferch, hier leider durch gestellte Pose nicht so gut im Vergleich zu erkennen (er hatte dem Foto zugestimmt).
Zum Essen, wir wählten ein regionales Gericht, welche als „Welsh“ in der Speisekarte mit drei Variationen stand. Ich recherchierte erst noch dazu im Internet, es blieb zu diesem Zeitpunkt allerdings ein Rätsel und somit ein „Menue Surprise

Das grün aussehende auf dem Teller ist im Original „gelb“ gewesen, Cheddarkäse. Wir umschrieben die Speise so: ein englisches Toast (ganz unten), mit gekochtem Schinken (darüber), überzogen mit geschmolzenem Käse und mit einem Spiegelei garniert; dazu gab es Frites. Schweizer Käsefondue auf englisch-französische Art.
Noch nie habe ich in so lauter Umgebung zu Mittag gegessen, die französischen Leute an den Nebentischen, die Musik (die beiden hatten Durchhaltevermögen, spielten ohne Pause) dröhnte unverständlich herüber, die Marktbeschicker bauten lärmend ihre Stände ab, und dann kam gleich darauf die hochmotorisierte Stadtreinigung und schwupps, war kaum noch etwas vom zurückgelassenen Unrat zu sehen…


Espresso und eine Crema beendeten den Besuch im Chez Jules, ein Stadtbummel stand an, bei dem wir weiter Überraschendes zu Gesicht bekamen, das Theater, einen Park mit Gedenkstatur (A. Mariette – Begründer des Kairoer Museums), ein Freilichtmuseum, eine Hochzeit, eine Teil der Basilika, Marilyn Monroe…..
Auswahl:

Es gab noch einiges mehr zu sehen / entdecken, aber für heute war es genug.

01.09.2024 Sonntag

Eine Serie im Fernsehen hatte uns abends bis in die Nacht wach gehalten, deshalb durfte uns der Schlaf einen Teil des Morgens rauben. Immerhin waren wir ja nicht auf der Flucht.
Baked Beans gab es statt des Sonntagseis zum Frühstück.
Der Sommer war zurückgekehrt, wir packten die Badesachen ein. Boulogne-sur-Mer erfuhr eine zweite Expedition. Am Sonntag machte das Fahren auf der Strecke mehr Spaß, weil weniger Verkehr.


Nicht ganz sind wir so gefahren, wie die rote Linie verläuft (durch Parks, wo Radfahren eigentlich nicht erlaubt war oder mal eine Einbahnstraße – so etwas kann der Routenplaner nicht darstellen) , aber darauf kommt es ja nicht an, ist eben nur ein Überblick.
Fahrradwege, wie man sie sich wünscht….


Ein Nachtrag zu gestern, die Hochhäuser rechts längs des Weges….


An der La Liane bauten die Veranstalter wieder ihre Zelte auf, heute ein paar Menschen „aus der Vergangenheit“……


Am linken Ufer entsteht – wie in anderen Städten oft gesehen – eine neue Hafencity, Abriss und Neubau…..


…. im Moment optisch noch nicht so spektakulär.

Wir wollten die Küste auf der Südwestseite der Stadt aufsuchen, dazu mussten wir in den Ort Le Portel (Nr. 3 und 4). Dankbar, dass wir E-Bikes besitzen, die Steigungen wären sonst kaum leistbar gewesen. Trotzdem unterbrach ich für zwei Schnappschüsse von Street-Art-Malereien den Aufstieg …


Teilweise hier oberhalb der Industriezone des Hafens der Haus- und Wohnungsbau optisch nahe am Banlieue-Charakter, dann, beinahe hätte ich es übersehen, ein Wort aus heimatlichen Gefilden sprang mir von einem Schild entgegen….


Ob das die Bürgermeisterin weiß?
Den Strand vom Hügel aus gesehen, aber nicht betreten, dafür fanden wir zwei hübsch angelegte Parks, es gab Sportplätze und Spielflächen für Kinder und Jugendliche.


Hinab ging es zu den Fischhallen, hier der größte Markt Frankreichs, deshalb Korrektur zur gestrigen Bestimmung der Verortung am Quai Gambetta. Heute am Sonntag standen die LKW und es war ruhig im „Fischland“…..


Noch ein „Fresko“… wer könnte der Maler wohl sein?


Zur Mittagszeit fanden wir an der Basilika wieder zusammen, aßen in der Vieille Ville in der Rue Lille ein letztes Mal französisches Muscheln, besuchten danach die Basilika….


Zum Nachlesen:


Kletterten noch auf die Stadtmauer, die Kuppel der Basilika gut sichtbar….


Danach an den Nordstrand, blasse Haut der Sonne aussetzen.
Ein kurzes Sitzbad in welligem Wasser, Schwimmen war nicht so mein Ding heute.
Rückfahrt, nach genug genossener Sonne, Fahrtwind auf dem Rad kam gerade recht. Wieder am WoMo suchte ich den Autoschlüssel, vergebens. Siedend heiß fiel mir ein, dass ich beim Aufschließen meines Schlosses den Schlüssel auf eine abgebrochene Ecke einer Wandmauer gelegt hatte, mir danach die Schuhe anzog….
… und ich ihn dort wohl hatte liegen lassen. Gut, dass wir einen Zweitschlüssel dabei hatten (Jola).
Nach der hektischen und vergeblichen Suchen in meinem Rucksack und sonstwo, schwang ich mich wieder aufs Rad und fuhr allein (mit erhöhter Geschwindigkeit und der Hoffnung, es wäre so wie vermutet, und er (der Schlüssel) läge noch genau dort) los. Schneller als der Wind war ich bei „Nr. 8“. Der Schlüssel lag brav auf dem Stein und wartete auf seinen Besitzer. Schwitz und puh!
Rückfahrt etwas gemächlicher mit weniger Adrenalin und niedrigerem Puls.