2019 Schweden 1.Teil

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06.06.2019 Donnerstag

Trotz nächtlichen Regens war es morgens kaum abgekühlt. Frühstück um 8 Uhr. Danach begann die Einlagerung der restlichen Reiseutensilien, vor allem der Lebensmittel. Noch nie war der Kühlschrank so voll wie auf dieser Tour. Die Fahrt im WoMo, meist mit eingeschalteter Klimaanlage, vollzog sich wie auf einem langsam dahinfließenden Strom. In Heiligenhafen bei Famila eine Palette Dosenbier gekauft nebst etlichen Lebensmitteln. Den Tank mit Diesel in der nahe gelegenen Tankstelle von Avia aufgefüllt. In Puttgarden erfuhr ich im Service-Center, dass man keine Camping-Key-Card kaufen konnte, die nach Informationen aus dem Reiseführer Vergünstigungen bei Fährtarifen und Campingplätzen mit sich bringen sollte. Das Ticket für die Überfahrt für Hin und Zurück betrug 242 €, mehr als ich vermutete. Bis Kopenhagen war meist 110 Km/h auf der Autobahn Richtgeschwindigkeit. Malmö war dann rechtzeitig ausgeschildert, die Maut angekündigt. Bezahlt wurde nach der Durchfahrt, kein Hinweis auf die zu zahlende Gebühr, nirgends. Nach ca. 6 Kilometern über die bemerkenswerte Brücke kam die Überraschung an der Mautkabine, 124 € für den Ausflug über den Öresund. Jola hat‘s gefallen, nur der Betrag war für den Gefallen reichlich üppig. Die Adresse des Stellplatzes führte dazu, dass wir gefühlt unendlich lange eine Straße nach oder durch Malmö fuhren und uns dies zu lang vorkam. Da zuvor der von mir ausfindig gemachte Campingplatz ausgeschildert war, wählte ich diesen als neues Ziel. „First Camp“ in Sibbarp bei Malmö entpuppte sich als außerordentlich umfangreiches Campingplatzgelände. Kurze Wartezeit an der Rezeption, dann den Platz 143 ergattert, ohne Reservierung. Zwei Übernachtungen (790 Kronen) gebucht. Die schwedische Krone lag bei ca. 10,60 für einen Euro. Den Platz 143 bei der ersten Anfahrt nicht gefunden. Dann lotste Jola mich in einen relativ kleinen Stellplatz zwischen einem mit Vogelkot vollgeschissenem Vorzelt und einem Wohnwagen mit danebenstehenden PKW. Unter Bäumen, keine Chance auf Fernsehempfang, egal. Der Mann vom Wohnwagen bot an, seinen Wagen wegzufahren, sein Platz sei so groß, genug Platz, den Wagen auf der anderen Seite abzustellen. Strom war angeschlossen, schwitzend dackelten wir dann zum Restaurant neben der Rezeption. Das öffnete erst um 17 Uhr, zu spät für einen warmen Snack. Wir erleichterten unseren Kühlschrank, aßen die geräucherte Flunder.

Sanitäranlagen ausgesprochen ordentlich, separate WC mit ovalem Waschbecken, Seifenspender, Papierhandtücher.

Erfuhr vom Nebenmann am Stellplatz den günstigsten Weg mit dem Rad ins Zentrum. Blick am Strand auf Öresundbrücke. Überraschend sah ich Menschen im Sund baden. Der Radweg, breit, glatt, geteert, führte uns entlang von Grünanlagen, Sportstätten, Strand und später ins Hafengelände, welches sich, wie schon so oft anderswo erlebt, im Wandel befand. Der Nationalfeiertag trug wahrscheinlich dazu bei, dass auch weniger schwedisch aussehende Menschen mit einem schwedischen Fähnchen herumwedelten.

Staunend wandten wir uns hin zu einem neu wirkenden Stadtteil mit interessanter Architektur, ruhigen Wohnbereichen, scheinbar autofrei, und dem neuen Wahrzeichen „Turning Torso“, ein in sich gedrehter 190m hoher Wohn-Turm. Im Rücken zog eine fast schwarze Wolkenfront auf. Die meist jungen Leute schien das wenig zu stören, leicht bekleidet lagen einige am Strand, der zwar nicht mit solchen wie auf Rügen oder bei uns in Travemünde konkurrieren konnte. Nach gut 11 Kilometern kehrten wir sicherheitshalber um. Im Yachthafen entdeckten wir den Wohnmobilstellplatz, angelegt auf dem Winterlager des Yachtclubs. 250 Schwedische Kronen pro Tag, natürlich günstiger als der Campingplatz. Sturm mit Sandwehen kam auf, niemand hastete davon, aber Aufbruchstimmung bemerkbar. Drei Mal sahen wir größere Gruppen von Menschen bei gymnastischen Aktivitäten unter Anleitung auf den Rasenflächen. Hier und da ein Regentropfen spornte uns zu einer höheren Drehzahl an. Die Öresundbrücke verschwand in der Ferne fast hinter einer schwarzen Regenwand. Eine Fähre durchquerte in der Mitte gerade die Brücke. Trocken erreichten wir den Stellplatz. An der Aufbautür klebte ein Zettel mit der Aufschrift „Wrong Parking“. Ärgerlich, wahrscheinlich hatte sich der „vollgekackte“ Nachbar beschwert. Anlass für mich, an der Rezeption nachzufragen und gleich um einen anderen Stellplatz zu bitten. Auf Platz Nummer 505 war dann auch TV-Empfang, dafür kein Rasen vor der Tür.

07.06.2019 Freitag

Nachts überwiegend trommelnde Regentropfen auf dem Dach. Natürlich hatte es sich morgens ordentlich abgekühlt, aber immerhin begann der Tag ohne nasse Bescherung von oben.

Den Stellplatz an der Rezeption umgebucht. Später wollte ich Brötchen kaufen, aber leider nahm man keine Euro an. EC-Karte hatte ich nicht dabei. Die Runde noch einmal absolviert, mit EC-Karte. Die Extrarunde brachte mich in den Genuss von frisch gebackenen warmen Brötchen. Komisch irgendwie, knapp 30 Kronen mit der Karte zu bezahlen.

Zwei „Gärtner“ pflegten den neben der Rezeption befindlichen hübsch angelegten Mini-Golf-Platz, der einige Malmöer Sehenswürdigkeiten an einzelnen Löchern en miniaturé nachgebildet aufwies.

In die Stadt fuhren wir diesmal eine etwas andere Strecke, als erstes Ziel anvisiert der Schlosspark und das Malmöhus. Das imposante Gebäude der Stadtbibliothek fiel uns an einem der Zugänge zum Schlosspark auf.

Etwas weiter entdeckten wir einen kleinen Botanischen Garten, in dem üppig allerhand Grünzeug wucherte. Inmitten der floralen Pracht ein – ehemaliges – Gewächshaus als Gästedomizil eines dazugehörenden Restaurants. In der Auslage leckere Küchlein und anderes. Aber uns schwebte ein Snack in den Markthallen vor, die als nächsten angesteuert werden sollten, deswegen verzichteten wir. Hinter dem Gewächshaus eine rote Ziegelfront, sie gehörte zum Malmöhus. Das Haus beherbergte ein Museum, im Innenhof ein Reliefdarstellung aus Bronze oder einem anderen Metall der Stadt Malmö. An einer der Gemäuerwände überdimensionierte Fotos von Bodybuildingfrauen.

Ansonsten wirkte die ehemalige Verteidigungsanlage wenig attraktiv. Nur ein paar Straßen weiter, zwischen den hohen Häusern von Malmö Live, fanden wir, etwas versteckt, die Markthallen. Um uns herum auf den Fußwegen lärmende Jugendliche, Mädchen alle in weiß, Jungen alle in Anzug mit Mützen a la Burschenschaft. Trillerpfeifen tönten und hallten von Häuserfronten. Ausgelassen zogen sie um Schulgebäude, fuhren auf LKW singend oder grölend durch Malmö, Fahnen aller möglichen Nationen schwenkend. Viele Farbige, Kopftuchtragende weibliche oder arabischstämmige Jungen unter den „Absolventen“. Woher die nicht gerade billigen Autos kamen, in denen Autokorso gefahren wurde, blieb ein Geheimnis.

In der Markthalle verschiedene Stände mit frisch zubereiteten Speisen, Käse-, Wurst- und Fleischstände ergänzten das Angebot. Fast zu jedem Stand gab es kleine reservierte Sitzplatzbereiche. Nach einer Inspizierung des internationalen Angebots bestellten wir asiatische Suppen, beide sehr lecker. Bezahlen ging nur bargeldlos, wie schon so oft erlebt.

Am Hafen stand ein kleiner Leuchtturm, zu dem wollte Jola gerne hin. Er befand sich am inneren Hafen, wirkte dort etwas verloren zwischen all den mächtigen Gebäuden. Auf dem Weg zur Fußgängerzone begegneten uns „metallene Musiker“, das Rathaus folgte kurz darauf. Vor dessen Gebäude auf dem Platz bauten zahlreiche Rowdys für den Activ Run allerhand Material zusammen. Im Stadtteil LillaTorg ließen wir die Räder für einen Spaziergang stehen.

Die Auslage eines Ökobäckers lockte zum Kauf eines Brotes, was erst später realisiert wurde. Endlich eine Bank entdeckt, dort wechselte man uns allerdings kein Geld. Dazu mussten wir in eine Wechselstube von Western Union, wo Jola 300 € umtauschte und wenig mehr als 3.000 Kronen erhielt.

Jola kaufte bei Flying Tigers ein Hängekörbchen für das WoMo. Unbedingt aufgesucht werden sollte noch das Café, welches Menschen mit Beeinträchtigungen betrieben. Es befand sich in der Nähe der Oper, nicht weit von Triangeln.

Die Lokalität wirkte mit seinem bunt zusammengewürfelten Interieur sonderbar, Jola meinte, ein Surfer hätte mit seinem behinderten Kind die Idee für diese Einrichtung gehabt. Der Bedienung fehlte in dem Gespräch mit mir ein Brocken Englisch, als sie mir erklären wollte, dass der Kaffee noch „durchlaufen“ musste. Ihr wurde von einer älteren Frau, Leiterin des Ladens vermutlich, auf die Sprünge geholfen. Der servierte Kuchen war schmackhaft.

Pildammsparken, eine weitere erholsame Grünanlage mit Teich, Pavillon und Turm. Triangeln, ein Zentrum für junge Leute vor einem Einkaufszentrum, und zentralem Busbahnhof im Untergrund. Nächstes Highlight war dann der Folkets Park, der auf dem Stadtplan eine Moschee als Zeichen aufwies.

Hier mehrten sich die pfeifenden Töne der Mädchen, röhrende Motoren und grölende Männer auf dem LKW. Der Park war dann eine riesige Spielwiese für Eltern mit Kindern. Die „Moschee“ eine Attrappe, davor eine Art Biergarten mit kleiner Bühne, auf der wohl bis vor Kurzem eine Band gespielt hatte.

Auf einer Grünfläche dann eine größere Bühne, davor Sitzbänke in Reihen, darauf vereinzelt Menschen, die auf etwas zu warten schienen. Sicher nicht auf die sich ständig wiederholende Werbung auf der Großbildleinwand. Nach und nach kamen immer mehr „Zuschauer“, setzten sich mit Decken auf den Rasen, tranken ein Gläschen Sekt, Bier oder anderes Unbekanntes. Gegen 18.45 Uhr eine Moderation eines Schweden und einer Schwedin (Muslimin mit Kopftuch), worum es ging, erschloss sich uns nicht. Dann eine Band, die laufend bekannte Hits ansang und deren Texte im Hintergrund auf der Leinwand zum Mitsingen zu lesen waren. Den Leuten hat‘s gefallen, die Stimmung schien gut.

08.06.2019 Samstag

Regen, er erwischte Jola nach dem morgendlichen Gang zu den Sanitäranlagen, so sie später berichtete. Es nieselte leicht vor sich her. Die Räder in der Garage verstaut, gefrühstückt, geduscht und dann gegen 10 Uhr verließen wir Malmö hin auf die E65 Richtung Ystad. Nasse Straßen verwirbelten reichlich Sprühregen, ansonsten klarte es am Himmel auf. Grüne Landschaften zogen leicht wellig vorbei. Die letzten Kilometer auf wechselnder dreispuriger Straße, deren sichere Abtrennung durch drei übereinander liegende Stahlseile gewährleistet war. Ystad begrüßte uns mit der Seesicht und dem Hafen, wo wir auch gleich, irriger Weise, hin zu einem Parkplatz abbogen (Platz für 70), wo einige Wohnmobile parkten. Es war allerdings nicht der Stellplatz an der Marina. Hier waren Parkplätze für Busse für vier Stunden ausgewiesen. Ich bog etwas weiter die Hauptstraße entlang zur Tourist-Information ab und stellte mich direkt auf einen freien Parkplatz vor das „Café Wallander“. Dieses Café war im Reiseführer genannt worden. Ich sammelte umfangreiches Material über die Stadt ein, erfuhr von der Mitarbeiterin, dass es einen Campingplatz gab, den sie mir empfahl, weil er exzellent sei. Bis zum Campingplatz zuckelten wir mit max. 40 Km/h durch den Ort und dann weiter auf der Straße Österlenden, bis wir nach gut 3 Kilometern den Campingplatz erreichten. Trotz der Bitte, einen baumfreien Platz zu bekommen, bugsierte uns der Verwalter auf seinem Rad zu einer Fläche zwischen Ferienhäusern und einem Wohnwagen. Zwar genug Platz inmitten hoch aufragender Nadelgehölze, aber leider kein Fernsehempfang. Da half auch kein umparken oder wenden. Die Sonne hatte mittlerweile die Oberhand am Wetterhorizont übernommen.

Jola schien geneigt, heute einige unserer Vorräte zu einem Mittagessen zu verarbeiten. Kartoffeln, Krabben und Eier wanderten in die Pfanne, dazu einen Salat und zum Nachtisch die Zimtschnecken, von denen sich eine als ein Stück ohne Zimt herausstellte, dafür gestoßenen Kardamom enthielt.

Danach fuhren wir mit dem Rad nach Ystad, auf dem Promenadenweg sahen wir zwischen Gestrüpp und Bäumen etliche Badehäuschen in unterschiedlichen Formen und diversen Farbtönen. Dazwischen vereinzelt herrschaftliche Villen.

Jola suchte dann den Stellplatz an der Marina, der alsbald gefunden wurde. Gut gelegen, voll ausgelastet, „closed“. Direkt vorbei führte die Eisenbahnlinie, auf der Milka-Züge leise hin und her huschten. Die lilafarbenen Züge und Waggons erinnerten mich sehr an Produkte der genannten Schokoladenmarke.

Danach eroberten wir das idyllische Innenleben der Altstadt mit seinen vielen Fachwerkhäusern, engen Gassen, dem Marktplatz an der Marienkirche, wo wir unsere Räder anketteten. Zuvor fiel uns Utas Glassmakeri auf, ein Eisladen, bei dem wir später uns verköstigten. Beim Kloster stöberten wir im Kräutergarten, folgten später einem Rundgang, der uns u.a. zu den Filmstudios führen sollte. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen riesigen schwarzen Komplex, das Schwimmbad mit überdimensionierter Rutsche. Das Filmstudio war auf einem ehemaligen Kasernengeländekomplex untergebracht. Das gesamte Areal machte auf mich eher den Eindruck eines etwas zu groß geratenen Gutshofgeländes als auf eine ehemalige militärische Anlage. Das Studio hatte nicht geöffnet.

Den Rundweg gingen wir nicht bis zum Ende, kehrten hier auf den Weg zurück in die Altstadt. Hier und da hübsche Ensembles, manches erinnerte ein wenig an Straßenzüge in Eutin, wo vor den meisten Häusern Rosen wuchsen. Wieder mit unseren Rädern unterwegs, fanden wir den Eisladen, aus dem Jola uns zwei Becher schmackhaftes Eis mitbrachte. Durch die offene Tür hörte ich deutsche Gesprächsfetzen. Die Inhaberin war Deutsche, vor gut 30 Jahren aus Frankfurt hierher ausgewandert.

Auf dem Rückweg drehte ich ein kurzes Video von den Badehäuschen.

Auf dem Campingplatz schien es so, als fände eine Weltmeisterschaft der Griller statt, fast von jedem Platz stiegen Rauchsäulen auf und Düfte waberten übers Gelände.

09.06.2019 Sonntag

Sonne wie versprochen, den ganzen Tag über.

Wenn nur der stürmische Wind nicht so an uns gezerrt hätte! Die Brötchen aus diesem Shop erwiesen sich als durchaus essbar, standen denen in Lübeck eigentlich um nichts nach. Losgefahren sind wir gegen 10 Uhr, erst wieder über die Straße zur Seebrücke, von wo aus der „Südschwedenweg Nr. 3“ durch waldiges Gebiet führte. Rechts rauschte das Meer, links der stürmische Wind, dazwischen die vorbeizischenden Autos. Wo der Wald zum Meer hin lichter wurde, konnten wir gischtige Wellen mit kleinen weißen Kronen an den Strand rollen sehen. In Abständen ragten Wehrbunker aus dem 2. Weltkrieg als Relikte einer unschönen Zeit aus dem Sandboden. Aktuell scheinbar als Windschutz oder von Kindern als Kletterwand genutzt. In Nybrostrand bemerkten wir, dass wir gar nicht auf dem Campingplatz dieses Ortes standen, denn hier befand sich ein weiterer. So erklärte sich auch die Entfernungsangabe von 18 Kilometern im Reiseführer nach Kåseberga zu dem Monument „Alesstenar”. Einmal die Landstraße unterquert, schon war es vorbei mit dem weichen Waldboden, auf asphaltiertem Radweg. Immerhin ein separater Radweg, der allerdings nicht mehr lange Bestand haben sollte. Weiter ging es direkt an der befahrenen Straße entlang des rechter Hand gelegenen militärischen Sperrgebietes. Gleichzeitig muss das Areal als Naturreservat ausgewiesen worden sein, denn alle ca. 100m ein gelbes Schild mit rotem Rand und der Aufschrift ”Lebensgefahr”. Trotz dieser Warnhinweise führten Wanderwege durch das Gelände. Die Landschaft veränderte sich hin zu einer an Voralpenpanorama erinnerndes Gelände. Sanft schwangen sich Hügel zur Meerseite hinauf, an deren „Hänge” verschiedenste Kuharten grasten, dösten oder, wie einmal erlebt, plötzlich im Pulk in Trab gerieten und davon stoben. Mohnblumen waren an der Strecke keine Seltenheit, manchmal schien es, als wenn sie als Begrenzung eines Rains dienten, üppig und stets ein fürs Auge gemachter Hingucker. Schonen, oder „Skåne”, wie dieser Distrikt hier hieß, war einst die Kornkammer Dänemarks (bis ins 1.700 Jahrhundert). Die „Wölbungen“ rührten vermutlich aus kontinentalen Verschiebungen her. Gegen den Sturm ankämpfend, den steten Überholmanövern von Wohnmobilfahrern Beachtung schenkend, stratzten wir die meist schnurgerade Straße dem Ziel entgegen.

Vor Kåseberga einen steilen Hügel hinauf, dann zum Ort bzw. Stell- und Parkplatz hinab. 700 Meter mussten wir danach zu Fuß wandern, erst ein Stück eingezäunten Weg, an dem sich die Informationstafel befand, dann über eine mit niedrigem Bewuchs gesegnete Ebene, gegen orkanartige Winde ankämpfend. In der Ferne wuselten Menschen zwischen den merkwürdig angeordneten Steine herum, Fotos für Facebook, Whatsapp oder Instagram schießend. Alesstenar, wir waren angekommen bei diesem ca. 3.500 Jahre alten Monument. Nicht nur wir, auch eine kleine Anzahl Weidevieh bewegte sich in Richtung Hang zur Küste, vielleicht schmeckte das Gras hier an einem spirituellen Ort besonders gut. Der Sturm ließ eine ruhige Hand an der Kamera kaum zu, zerrte am Arm, als wolle er verhindern, dass Fotos in guter Qualität gemacht würden, das Geheimnis dieser Steinkolosse bewahrend.

Das abfallende Gelände zum Wasser hin war bewachsen, auffällig oft wieder Mohn dabei. Keine abbröckelnde Steilküste wie bei uns an der Ostsee. Im dunstigen Lichte der Ferne sah man schemenhaft Schiffe auf dem Wasser, vielleicht war eins davon der Katamaran auf dem Weg nach Bornholm. Die Sonne stand hoch, gemerkt hatte ich den Tag über kaum etwas von ihrer Strahlkraft, der Wind erledigte seine Arbeit perfekt, kühlte ohne Ende.

Hunger machte sich bemerkbar, zwar erst nur leicht, quasi verdeckt wirkend. Einkehrmöglichkeiten dachten wir, gäbe es in Löderups Strandbad, nur vier Kilometer entfernt. Dort sollte es etwas zum Hunger stillen geben.

Eine ziemlich lange Straße durch ein typisch bewachsenes Strandareal wies links und rechts Ferienhäuser like Skandinavien, aber auch kostspielig aussehende Bungalows auf. Nur Vernünftiges zu essen fanden wir nicht.

Kehrtwende, Mütze wieder festhalten, sonst versengte die Sonne das Haupt. In regelmäßigen Abständen standen am Wegesrand hübsch aufgereiht die Briefkästen für die in den Stichstraßen gelegenen Häuser bzw. deren Bewohner.

Keinesfalls noch w e i t e r fahren, den Rückweg antreten, ggf. bis nach Ystad und dort ein Lokal entern. Doch ein unscheinbar wirkendes Ensemble namens Backagården, am Straßenrand gelegen, lockte zu einem Stopp. Der Eingang vermittelte noch kein Caféflair, wirkte eher wie ein Ausstellungsraum für Kunstobjekte. Weitere Räume sogen mich quasi hinein in die Tiefe bis zum Tresen mit Speisen und Getränken. Hier fand man in der Auslage Kardamomschnecken, leckere Optik und sie schmeckten genau so gut wie sie aussahen (Jola liefert den Beweis). Einen Pott Kaffee für jeden dazu und der eigentlichen Hunger war in diesem umgestalteten Gewächshaus als apartes Pausenplätzchen inmitten von rankendem Wein und anderen es warm liebenden Pflanzen schnell vertrieben. Der verlegte Fußboden aus hellem Ziegelstein erinnerte mich sogleich an die Stelle im Roman „Altes Land“, wo der Freie Journalist Burkhard über die beiden Hofsteinpflasterer lästernd herzog und diese ihm seine Einfahrt verhunzten. Auf dem Bild wirkte dieser Fußboden ziemlich gelungen!

Nach der Erholungspause strampelten wir dann wieder ordentlich in die Pedale. Der Mohn mit seinem Farbenspiel begleitete mich permanent. Eine hübsche Kombination mit Kornblumen hatte ich auf einem Schnappschuss abgelichtet, zu sehen war dann von dem Farbspiel leider nichts, deshalb hier weggelassen. Wieder überholten uns auf dem Straßenabschnitt ohne Radweg Wohnmobile oder kamen uns regelmäßig entgegen. Der Wind ließ nicht locker, außer im Abschnitt durch das Waldgebiet hinter Nybrostrand.

Bei der Durchfahrt eine Lücke aufs Meer gesehen, hier hatte sich das Wasser wie in einer Lagune gesammelt. Gegen 15 Uhr waren wir wieder am WoMo, ich froh, dem stetig zerrenden Wind endlich entkommen zu sein.

Pause, bzw. den Wagen verschoben, was letztendlich nichts nutzte, die Schüssel drehte sich wieder minutenlang, und senkte sich unverrichteter Dinge in die Ausgangsposition. Kein Fernsehen am Abend, vielleicht auch gut so.

Nach der Ruhephase meldete sich der Magen wieder zu Wort, wollte Nachschub. Jola präferierte die Fischräucherei am Wohnmobilstellplatz am Hafen. Der hatte heute geschlossen, so blieb als Alternative das Hafenrestaurant, bei dem sich Jola besonders gerne an das Heringsgericht mit Stampfkartoffeln und Preiselbeeren erinnerte.

10.06.2019 Montag

Ein grauer Himmel, kühle Temperatur, beides erleichterte den Abgang von Ystad. Jolas Wunsch war, zunächst nach Simrishamn (=…hafen) zu fahren. Wir blieben auf der wenig frequentierten 9, entspannt erreichten wir den Ort, parkten kurz am Touristenbüro, wo Jola ein paar Prospekte einsammelte. Zunehmender Regen verhinderte einen Spaziergang durch die Gassen mit seinen „pittoresken“ Häusern (so der Ton im Reiseführer). Kein Kilometer gefahren, standen wir auf einem fast leeren Parkplatz. Mit Schirm und Wollmütze gewappnet begann die Besichtigung, wobei mir sogleich die an den Häusern befestigten Straßenschilder auffielen. In Schreibschrift standen darauf die Namen. Ein bisschen wirkten einige Gassen wie die in Lübeck. An der Kirche ein kleines Zentrum mit Marktplatz, auf dem Blumen und Erdbeeren verkauft wurden. Ein Geschäft nannte sich „Lübecker Stor“, verkaufte Schuhe unterschiedlicher Marken. Ein Denkmalschild erinnerte an Besitzer und Produktionsstätten, eine war davon eine Porter-Brauerei. Mit „Lübeck“ durfte es wohl nichts zu tun gehabt haben. An einer Straßenecke glitt ein elektrisch betriebenes Reinigungsgerät an der Hand eines farbigen Mannes vorbei. Fast geräuschlos verschwand Unrat durch den Rüssel am Gerät in den fahrbaren Mülleimer. Genug gesehen, auf dem Weg zum WoMo vor einem Käsegeschäft einen Blick in die Auslage geworfen, leckere Sachen entdeckt, u.a. das Angebot, ein Mittagsmenü für 100 Kronen. Das kam etwas zu früh, es war noch nicht 12 Uhr.

Nahe an der Küste führte die Straße durch kleine Orte wie bspw. Vik und am Nationalpark vorbei nach Kivik. Bevor wir ins Ortszentrum fuhren, besuchten wir die allseits beschriebene Mosterei, die etwas abgelegen lag. In dem zunächst unscheinbaren Gebäude befanden sich neben einem großen Verkaufsraum, ein Schauraum mit „Fermentiertem“ (Eingemachtem), eine museal nachgebaute Produktionsstätte aus früherer Zeit, ein Spielecke sowie ein Außenbereich mit Musterbepflanzung verschiedener Apfelsorten. Jola kaufte im Verkaufsraum diverse Produkte.

Auf dem Weg zum Hafen lotste Jola mich auf ein Hof-Café, das geschlossen war. Umgekehrt und den Weg zurück bis zur Abzweigung, wo wir kurz darauf die riesige steinerne Grabstätte fanden, die ca. 3.500 Jahre alt sein sollte. 30 Kronen pro Person Eintritt waren im Café zu entrichten, durch das wir das Gelände betreten durften. Der Steinhaufen sah aus der Nähe eher wie eine größere Kokshalde aus. Ursprünglich muss das Grab noch um einiges größer gewesen, denn die Historie besagte, dass vor der Entdeckung des Grabes Steine auf einer extra eingerichteten Bahnlinie abtransportiert worden waren. Das Grab selbst fanden Arbeiter, weil sie durch ein Loch ins Innere stürzten.

Wie ein Sammelbecken sah dieses Rund aus den meist kopfgroßen Steinen inmitten von wild wachsendem Grün aus. Der Eingang führte in das dunkle Innere, das Grab. Im Zentrum, abgetrennt durch Eisendraht, mehrere Steinplatten mit Zeichnungen oder Einritzungen.

Im Ort die Fischräucherei am Hafen aufgesucht, dort geparkt, und im Restaurant mit Blick auf das Meer gegessen.

Nach Sölvesborg hin nahm der Verkehr zu, der Regen ab. Hörvik fanden wir nicht sofort, brauchten die Hilfe des Navi. Einsam lag der Stellplatz in einem Gott verdammt verlassen wirkenden Ort am Hafen, wo zwei andere Wohnmobile standen. Nach kurzer Überlegung Abfahrt. Jola wollte den Stellplatz am Hafen des Nachbarortes eine Visite abstatten. Dort angekommen, erschien dieser Stellplatz uns noch weit erbärmlicher. Mich trieb es weiter zum Campingplatz nach Norje. Überrascht registrierten wir auf dem Weg zum Platz, dass gerade ein über Pfingsten stattgefundenes großes Rock-Festival (Schweden-Rock) zu Ende gegangen war. Abbau- und Aufräumarbeiten waren am Tage danach im Gange. Hier musste es ähnlich wie in Wacken zugegangen sein.

Auf dem Campingplatzgelände durften wir uns einen Platz aussuchen, fanden zwischen all den hübsch aussehenden Ferienhäusern keinen. Auf der Wiese, neben dem neu wirkenden Sanitärgebäude, ohne Bäume, das war dann genau der richtige für mich. Platz 219.

Ein heißer Tee, dann mit den Rädern durch das Rock-Areal in den Ort, der nicht allzu viel zu bieten hatte, meist hingen oder standen noch Angebote an die Festivalbesucher am Straßenrand (Frühstück etc.). In einem Hofladen kaufte Jola junge Kartoffel und Eier, ohne einen Karton dafür zu bekommen. Der Rest unserer „Stadtrundfahrt“ musste daher sehr vorsichtig absolviert werden.

An manchen Ecken trennten provisorische Zäune sogar Grundstücke vom Gehweg ab, wahrscheinlich auf Wunsch der Hausbesitzer, um vor marodierenden Besuchern geschützt zu sein.

Wir bekamen dann wenig später nach unserer Rückkehr auf den Campingplatz Nachbarn von einem Kieler Paar. Die Anmeldung an der Rezeption hatte geschlossen und ich wurde um „Stromanschluss“ gebeten.

Kurzer Austausch über Reiseerfahrungen, die beiden kamen gerade von der Insel Öland.

11.06.2019 Dienstag

Noch keine Sonne am Himmel zu sehen, im Gegenteil, aus der grauen Suppe tröpfelte es hie und da. Die Kieler nahmen dankend unsere Tallykey-Card an, für WC und Dusche. Weiche Brötchen und ein Croissant besorgte Jola vom Shop. Leider fehlte der laut Internetseite vorhergesagte sonnige Tagesbeginn total, stattdessen begann es bei Abfahrt zu regnen. Einmal winken und gegenseitig sich „gute Reise wünschen“, so ließen wir die Kieler zurück.

Ausgesucht und die Adresse ins Navi eingegeben hatte ich einen Zeltplatz in Listerby. Die Ausfahrt lag ca. 6 Km hinter Ronneby. Ein Hinweisschild zeigte 7 Km bis zum Campingplatz an. Es wurde immer einsamer auf der Strecke, ab und an ein typisches schwedisches Holzhaus zwischen den riesigen moosbewachsenen Felsbrocken und Bäumen. Ich parkte an der Rezeption, beide waren wir über den Standort wenig glücklich. An der Versorgungsstation stand ein VW-Bus aus Cuxhaven. Ich sprach die Leute an, die es hier für die eine Übernachtung ganz nett fanden. Sie empfahlen eine Wanderung auf der über eine Holzbrücke erreichbaren „Insel“. Nach Ronneby sei es ihnen zu weit gewesen.

Ohne weitere Nachfrage verließen wir den Campingplatz wieder, ich ortete im Navi einen Stellplatz direkt in Ronneby. Wieder einige Kilometer über enge Nebenstraßen. Der Stellplatz zwischen Hafen und Stadt gehörte zum Golfclub. Kein Fahrzeug stand hier. Wählte die Nummer 2, nachdem der Fernsehempfang ausprobiert wurde. An der Rezeption gebucht, 150 Kronen, Dusche, Strom und WC inklusive. Sogar nachts war der Zugang zum WC mit einem Code möglich. Zu unserer Freude erwärmte es sich, blieb trocken und bot daher die Gelegenheit, den Ort zu entdecken. Wir durchforsteten zuerst den „Brunnspark“, der zu einem Kulturreservat gehörte und an das ehemalige Kurgelände angrenzte. Bis zum Park fuhr man an dem schmalen Fluss Ronnebyån entlang, kleine Motorboote lagen vereinzelt am Ufer vor den typischen Häuserfronten. Vor dem Park das Spaßbad mit dem Spa-Bereich. Im Freibad schien gerade eine schulische Feier stattzufinden, Essen und Trinken, angezogen und ausgezogenen Menschen tummelten sich am Beckenrand und auf der Rasenfläche.

Mehrere Hinweisschilder an dem ersten Weg boten alternative Routen durch das Parkgelände. Wir wählten den „Aufstieg” in Richtung Japanischer Garten und Trollsee.

Ein mystisch anmutender Weg brachte uns nach der Auffahrt zuerst geologisches Wissen über Gesteinsarten näher, dann an den See, auf dem Seerosen wuchsen und über dem scheinbar ein alter Troll mit seinem Nachwuchs wachte.

Beeindruckt vom Ausmaß, wähnte ich mich in einer kleineren Version der Landschaft aus dem Film „Herr der Ringe“. Der japanische Garten überzeugte im vorgefunden Zustand nicht besonders, beinahe wäre ich auch noch auf den glitschigen Holzbohlen eines Steges ausgerutscht. Meist wuchsen um den Weg herum Farne, die sich im feuchten Unterholz wohlzufühlen schienen. Kreisten dann weiter im Park, verließen ihn und gelangten wieder an den Fluss, der uns in Richtung Zentrum brachte. Das Tourist-Büro aufgesucht, wo mir eine schnell englisch sprechende, hochaufgeschossene, brünette, langhaarige und, besonders bemerkenswert: mit verschiedenfarbig lackierten, extrem langen Fingernägeln, Prospekt- und Kartenmaterial aushändigte. Ich konnte mich gar nicht richtig konzentrieren, starrte ständig auf die glitzernden Fingernägel ihrer Hand, die erklärend über die ausgeklappte Umgebungskarte wanderten.

Nach einem Spaziergang durch die Fußgängerzone entdeckten wir das Kulturzentrum, in dem es günstigen Mittagstisch gab. Es schien ein attraktives Angebot zu sein und so blieben wir dort zum Essen. Für 95 Kronen durften man aus verschiedenen „Töpfen“ etwas auf sein Tellerchen legen, ein Getränk zapfen, einen Salatteller bis zum Rand aufhäufend füllen und anschließend einen Pott Kaffee zum „Nachspülen“ vom Tresen holen. Dazu, als Krönung, zwei Industriekekse als süßen Abschluss.

Die im Kulturzentrum integrierte Kunsthalle war leider wegen einer Kuratierung geschlossen. Ich hatte, ausschließlich für Jola, im Internet nach einem Lidl in Ronneby gesucht und eine Adresse gefunden. Jola wünschte vorher einen Besuch in Kallinge, wo es einen Fabrikverkauf von Eisenwaren, vor allem Pfannen und Töpfe, gab.

Immer auf einem breiten Radweg an der Zubringerstraße zur Autobahn entlang, hügelig ging es mal hinauf, mal hinab. Der Shop bot verschiedenste Pfannen, oft extra ausgewiesen als Steakpfanne, sogar Teekannen, alles, was man auf einem Herd unter Hitze nehmen kann. Wankelmütig hielt ich eine kleinere Pfanne in der Hand, damit schon beinahe auf dem Weg zur Kasse, siegte schnell die Vernunft und: nichts gekauft.

Lidl fanden wir dann, als wir ein Fabrikgelände umrundet hatten und von oben steil auf ein Gewerbegebiet zufuhren. Jola war sogleich in ihrem Element. Die Ware schaffte Jola in ihrem Fahrradkorb sicher nach Hause. Ein bisschen Buh Buh gemacht, Jola schrieb derweil Postkarten voll, die ich mit meinem Signet ergänzen durfte.

Auf schnurgerader Straße zurück nach Ronneby. Am Rande der Promenade eine herrschaftliche Villa,

oder die alte Trinkkurhalle aus dem Jahre 1897. Ziemlich viel Publikumsverkehr am Kiosk und auf den Spazierwegen, es muss eine Schulabschlussfeier gewesen sein, festliche Kleidung hing an Körpern, die manchmal diese Kleidung nicht verdient hätten.

Feierabend war für uns dann gegen 18.15 Uhr.

12.06.2019 Mittwoch

Nachts Gewitter und Regentropfen, die sich anhörten wie Hagelkörner. Immerhin war morgens das Schlimmste vorbei, sogar der Regen hatte aufgehört. Ausnahmsweise gab es keine Brötchen zum Frühstück, Knäckebrot und schwarzes Pumpernickel taten es auch.

Der Plan war, eine Rundreise zu machen:

Über den Hafen nach , bis dahin ca. 10 Km reine grüne Natur. Das Naturreservat umfasste einen Großteil der Halbinsel. Der Ort schien neben den älteren Häusern einige neue Grundstücke zu generieren. Neue Nachbarn!

Brutplätze für Vögel, vermutlich meist Graugänse. Wie die Gänse mit dem dunklen Hals hießen, war mir gerade nicht geläufig gewesen. Einmal sahen wir ein Reh inmitten tiefen Grases mit abgestellten Ohren aufmerksam die Gegend observieren. Elche sah ich leider keine. Pferde und Kühe dagegen auf Weiden, manchmal schien es, als wenn sie sich vor den Bauern versteckten. Fohlen dösten liegend in der Sonne auf einer scheinbar frisch gemähten Wiese, Muttertiere wachten ganz in der Nähe. An vielen Stellen das Zeichen „ӕ“ für eine Grabstelle oder ein anderes urzeitliches Monument. Die Naturkräfte meinten es nicht besonders gut mit uns, zumindest die, die Wind erzeugten. Selbst mit erhöhter elektrischer Unterstützung kam ich abschüssige Straßen nur mühsam voran. Jola hingegen ließ im Turbo-Modus ihren „Porsche“ von der Leine und eilte oft hunderte Meter voraus.

Bis Listerby mussten wir durchhalten, denn Verpflegung für ein Picknick unterwegs hatten wir nicht dabei. In Listerby sollte es ein Restaurant geben!

Wir begegneten Abzweigungen, die wir mit dem WoMo bereits von der Rückfahrt des Campingplatzes gefahren waren. Endlich im Ort angekommen, musste dieser bis zur Kreuzung der „27“ durchfahren werden. Strategisch günstige Lage, wie ein Trucker-Treff, nur hier gab es auch die bekannten Vergünstigungen für Pensionäre, die Jola an der Kasse einforderte und erhielt. LKW-Fahrer, alleinstehende ältere Damen in Gesellschaft dergleichen, junge Pferdetransporteurinnen (in einem schicken Outfit) sahen wir als Gäste. Das Essen darf ich ruhigen Gewissens als keine Bereicherung bezeichnen. Satt wurde ich trotzdem.

Nun begann die Fahrt ins Paradies, so Jolas Prophezeiung. Sie hatte etwas über den nächsten Ort Juhannishus gehört. Umso enttäuschender war die Durchfahrt. Weder hübsche Häuser, noch sonst etwas, was man als Sicht ins Paradies oder des Daseins in demselben bezeichnen könnte. Zum Schloss waren es ca. zwei weitere Kilometer. Hübsch gelegen, total einsam, kein Mensch zu sehen. Zwar durfte man auf Sandwegen zwischen Gebäuden herumfahren, es fehlte aber aufklärende Information über Herkunft, Besitz etc. Eine Abkürzung nach Ronneby über Edestad bescherte uns eine Rundreise durch nicht beschildertes Waldgebiet, Befürchtung: nur nicht verirren! Einmal links abgebogen und wir standen wieder vor der Schlossanlage mit seinen beginnend verblühenden Rhododendronbüschen.

Ronneby erreichte ich danach windgegerbt mit Jola von Osten, vorbei am Bahnhof suchten wir im Ort einen Bäcker bzw. Jola einen Ort für ein dringendes Bedürfnis. Dabei verloren wir uns, u.a. weil ich an einem Bancomat Geld abhob. Allein kam ich am WoMo an. Genug von grüner Einsamkeit und orkanartigen Sturmböen, die jeweils genau aus der Richtung kamen, in die ich fuhr.

Pause, gegen 19 Uhr radelten wir in den Park, letzte Umschau ohne viel Publikumsverkehr. Dann auf der anderen Flussseite zurück, was bedeutete, dass wir erst bis zum Hafen fahren mussten.

Einzig positiv, es hatte heute nicht geregnet.

13.06.2019 Donnerstag

Der letzten Satz des vorhergehenden Tages wurde durch nächtliches Unwetter Lügen gestraft. Es begann ganz „sanft“ mit einem unregelmäßigen Klopfen einzelner Regentropfen aufs Dach des WoMo. Es dürften ziemlich große gewesen sein, so wie sich das bei deren Aufprall anhörte. Aus der Unregelmäßigkeit entspann sich ein symphonisches Prasseln, verschiedenste Lautstärken, woraus sich innerhalb einer Minute ein Gleichklang entwickelte, den ergänzte Donnergrollen als eine Art Paukenschläge, Blitze sah ich nicht. So dicht unter dem WoMo-Dach zu liegen und nicht zu wissen, wie sich die Lage draußen entwickelt, war ein bisschen beängstigend. Zumal einen Tag zuvor aus Deutschland Bilder von Einschlägen golfballgroßer Hagelkörner gezeigt wurden, die Fenster- und Autoscheiben durchschlagen hatten. Morgens war alles vorbei, sogar die Sonne schien kurzfristig stichig heiß.

Abfahrt um 09.30 Uhr, Ziel war Öland. Nur am Rande soll noch einmal erwähnt bleiben, dass ich bis dato keiner Baustelle begegnet war, es keine Staus gab und somit das Fahren in Schweden fast das reine Vergnügen bedeutete. In Karlskrona machten wir keinen Halt, fuhren bis Kalmar durch. Eigentlich wollte ich auch hier nicht stoppen, zumindest nicht auf der Hinreise. Doch Jola insistierte und wünschte eine kurze Stippvisite. Ich parkte etwas außerhalb bei einem Schulkomplex, wo man drei Stunden kostenlos stehen durfte. Mit den Rädern die knapp zwei Kilometer bis zum Touristenbüro in der Nähe des Schlosses und des neuen Universitätsviertels. Kurz die Prospekte aus dem Büro geholt. Ein „Magazin“ am Hafen bot Mittagstisch an, nettes Ambiente, aber zu früh für ein Diner. Das Schloss thronte wahrlich am Rande der Stadt. Wir suchten die Einkaufsstraßen innerhalb der Stadtmauern, ein in den 30er Jahren erneutes Tor bot Durchlass. Ließen die Räder gleich gegenüber einer Chocolaterie stehen. Auf dem holperigen Kopfsteinpflaster hätte es sich ohnehin schlecht fahren lassen. Die Geschäfte ähnelten denen in Einkaufsstraßen anderer Städte , nichts was es auf einem Bild abzulichten gäbe. Das Zentrum war wie eine Kasernenstadt angelegt, quadratisch kreuzten sich die Wege. Alte Gebäude, auf die ein Blick zu werfen sich lohnte, wechselten mit eher schäbig aufwartenden Häuserfronten ab. Bei einem Vietnamesen ließen wir uns im Außenbereich nieder, aßen aus Schüsseln zwei verschiedene Suppengerichte, waren zufrieden damit. Auf der Stadtmauer ein Stück gewandert, dann wieder Schulabschluss, weiße Kleidung bei den Mädchen und Anzüge bei den Jungen. Blumen, Geschenke in den Händen von – nicht immer – schick angezogenen Eltern, Schilder der „Entlassenen“, mit Fotos wie sie als kleine Kinder aussahen. Dann die LKW, die mit Partymusik durch die Stadt kreisten.

Ich bestand auf eine Rundfahrt durch das alte Kalmar, das sich hinter dem Schloss befand. Hübsch und ruhig, sollten wir uns später noch einmal in Ruhe ansehen. Auf der Rückfahrt kurz den Faden zum WoMo verloren, machte aber nicht viel aus.

Die Fahrt über die Öland-Brücke, die weniger spektakulär aussah wie die Öresundbrücke, endete mitten auf der Brücke in einem schleppenden Tempo, die erste Baustelle bremste mich aus. Dann die Überraschung, es waren auf der Insel mehr Kilometer zurückzulegen als gedacht. Für die über 60 Kilometer benötigten wir eine Stunde, bis wir in Löttorp ankamen. Sonjas Zeltplatz hatten wir fast ganz für uns allein, Wahlrecht auf alle Plätze.

Eine kleine Erkundungsrunde gegen 19 Uhr, erst zum Strand, wo wir auf Holzbohlen fast bis zum Uferrand vorfahren konnten. Dann nach Löttrop, erste Meter auf dem die Insel umspannenden Radweg „Ölandleden” als Umgehung der Fahrstraße. Sportplatz, Bibliothek, Grundschule, alles konzentriert. Im Ort nichts von Bedeutung entdeckt. Auf dem Rückweg einmal falsch abgebogen.

Die viel zitierte Nachtigall hörte ich an diesem Tage nicht mehr.

14.06.2019 Freitag

Um 06.15 Uhr hinters WoMo ausgetreten, die Sonne schien zwischen den hohen Bäumen durch, zeigte bereits jetzt, wie viel Kraft sie heute den Tag über entwickeln könnte. Momentan bremste dunstiger Frühnebel die Hitze noch leicht ab. Gegen 07.15 Uhr ging ich duschen, alles ordentlich und sauber, keine Extravaganzen. Grün leuchtete die Kontaktstelle in der Dusche, wechselte auf rot, als ich die Karte davor hielt. Kaltes Wasser gab es lange Zeit reichlich, dann sprudelte warmes durch den Schlauch, für mich Warmduscher Erlösung. Nach der Morgentoilette stellte ich Stühle und Tisch etwas weiter weg vom WoMo auf den Rasen, die Sonnenstrahlen würden bald über die Bäume hinweg reichen. Deckte draußen den Tisch. Jolas gekochtes Ei schaffte heute nicht den Härtetest. Vom einzigen Nachbarn auf diesem Areal streunten zwei Katzen herum, störten unüberhörbar Amseln und Elstern bei der Nestpflege. Das Gezeter wollte gar kein Ende nehmen. Außerdem schaute der Retriever vom Nachbarn bei uns vorbei.

Um 09.30 Uhr begaben wir uns auf die geplante Rundreise mit dem Etappenziel „Langer Erik“, Leuchtturm am nördlichsten Teil der Insel. Auf dem Ölandleden auf eigens hergerichteten Radwegen oder auf kaum von PKW befahrenen Nebenstraßen. Die Landschaft ähnelte sich meistens, wechselte von Weideflächen zu Grasland und manchmal verschwanden wir im Wald. Hier dominierten Farne das Unterholz oder niedrige Beerengewächse (Blau- oder Preiselbeere). Zwischen all der Natur siedelte der Mensch in größeren Abständen mit seinen Domizilen. Mal das typische Holzhaus in „Schwedenrot“, mal moderne Architektur.

Die scheinbar unbegrenzte Zahl an Steinen jeglicher Größe nutzen die Bewohner u.a. intensiv für den Mauerbau.

Die aus meiner Sicht mäßige Beschilderung der Strecke, insbesondere an Verzweigungen, lenkte uns auf eine Art Schotterpiste, die bei Byrum wieder auf Asphalt führte und uns die erste ungewollte Verlängerung der Tour einbrachte. Zwischenzeitlich befuhren wir den grün gekennzeichneten Sverigeleden. Bei Böda stoppten wir an einer Kreuzung bei einem „Gemischtwarenladen“, der Bonbons, Geschenke und Zubehör für Camper anbot. Während ich mich draußen ausruhte, stöberte Jola durch die Regalreihen, kaufte Windspiele in Sonnenblumenform und Plastikweingläser.

Böda Strand musste unbedingt aufgesucht werden, ein kleiner Umweg, den Jola einforderte. Das Areal entpuppte sich als riesige Freizeitanlage mit Camping- und Golfplatz, Einkaufsmöglichkeiten, Vergnügungsbad etc.

Strand stand in Hülle und Fülle zur Verfügung, meist in sehr feiner weißer Form (siehe Bild auf der vorhergehenden Seite).

Weiterfahrt, die Stichstraße ein Stück zurück, begann der nervigste Abschnitt, mindestens fünf Kilometer durch Wald auf grobem Splitt hoppelten wir gen Norden. Die Piste machte vor allem Jola ein wenig Sorgen, denn ihr letzte „Platten“ war von einem spitzen Stein verursacht worden. Hier in Waldes Einsamkeit eine Panne wäre gar nicht gut angekommen, obwohl ich das Reparatur-Kit in der Jackentasche hatte. Aber die Luft blieb im Schlauch!

Grankulla und Nabbelund lagen am Grankullaviken, der fast einem Binnensee glich. Hier auf dem rechten Bild ein Blick in Richtung „Langer Erik“.

Den Leuchtturm erreichten wir auf einer abschüssig verlaufenden Straße, von der aus man das Küstengelände prächtig würdigen konnte. Zwischen Steinfeldern kämpften sich scheinbar Pflanzen ins Leben, gelb und blau Blühendes dominierte.

Ein beliebtes Ausflugsziel lag vor uns, Picknickplätze waren meistens besetzt. Zum Leuchtturm durfte man nur „zu Fuß“, ein Damm überbrückte das Wasser zur Insel. Um den Turm führte ein Rundweg auf steinigem Untergrund entlang. Ein Schild forderte Besucher auf, Steinmännchen zu bauen. In der Ferne bildeten sich durch Verdunstung gewandartige Schleier. Sie bewegten sich auf uns zu und vereinnahmten uns sanft. Am Damm graste eine Rotte schwarzer Kühe.

Wir gelangten nach Rückkehr auf die 136 an die Westküste und einen etwas komfortableren Radweg. Gegen 15 Uhr erreichten wir Byxelkrok, ein Ensemble schwedenroter Hütten direkt am Sund gelegen, einer Fischräucherei und einiger Imbissbuden. Pause und Essen fassen. Der Imbissbesitzer bemühte sich im nicht so perfekten Englisch uns die Vorzüge und den Verlauf des Küstenradweges zu erläutern.

Schöne Natur, im Dunst ragte die Insel „Blå Jungfru“ wie der Teide auf Teneriffa aus dem Meer. Irgendwann verhaspelten wir uns wieder, radelten kilometerlang eine Straße durch Wald und landeten wieder in Byrum. Keine Experimente mehr, bekannter Weg führte uns zurück. Abstecher zum Hornssjön, wo es nach einem Hinweisschild einen Restaurationsbetrieb geben sollte. Der Flecken entpuppte sich als Treffpunkt verschrobener Frauen, „Häkelbeutel-Club“, dachte ich, als ich die meist übergewichtigen Frauen dort mit ihren Stricknadeln hantieren sah.

Wieder auf der Hauptstraße spendete mein Elektromotor keine Energie mehr, ich musste mit Muskelkraft die letzten Kilometer zurücklegen, Hilfe von Jola wurde mir zuteil.

Nach 75 Km in der Sonne war es dann auch genug. Zu erschöpft für Live-Musik ließen wir die „Party“ sausen und begnügten uns mit dem Schreiben von Reisenotizen.

Weiter mit Teil 2