Südtirol 2023 – Rückreise

14.10.2023 Samstag

09.10 Uhr verschwanden wir vom Campingplatz Arquin in Lana. Bezahlt hatte Jola schon am Vorabend und dazu Erfreuliches mitzuteilen gehabt. Wir brauchten lediglich für uns beide bezahlen, keine Kosten fürs WoMo. So kamen wir zu einem günstigen Aufenthalt „hinterm Haus“, wie der Platz von den Inhabern tituliert wurde.
Ich wählte bereits ab Bozen die Option mautpflichtige Brenner-Autobahn. Bis kurz vor Brixen guten Vorankommen, keine Baustellen. Dann die ersten Leuchttafeln „LKW-Stau vor Brixen“,
Von da ab zuckelten wir an aneinander gereihten LKW vorbei, manchmal für eins zwei Kilometer in schubartiger Geschwindigkeit, dann wieder im schneckenhaften Kolonnenmodus. Am Brenner dann noch mehr Fahrbahnverengungen, besonders langsam ging es bei einspuriger Verkehrsführung voran. Hier schon zwei Stunden mehr im Fahrerhaus gesessen als geplant (gehofft). Statt 12.16 Uhr (nach Navi) erreichten wir den Campingplatz am Staffelsee um 13.56 Uhr. An der Rezeption Mittagspause bis 15 Uhr. Uns egal, wir hatten angerufen und man brauchte nicht zu reservieren, es seien genügend freie Plätze vorhanden, dem war auch so. Zeit also für ein Mittagessen in der dazugehörigen Gaststätte Burgstüberl. Linsencurry, sehr zu empfehlen.
Platz mit Aussicht auf den Staffelsee, allerdings nicht in der ersten Reihe, die waren anderweitig reserviert / vergeben, so die Frau von der Rezeption.
Als Verdauungsbetätigung machten wir mit den Rädern einen Ausflug nach Uffing, ca. 5 Km entfernt. Ob es von dort weiterginge (um den Staffelsee) wollten wir nach Ankunft entscheiden. 21° zeigte das Thermometer an, zuerst einen unbeabsichtigten Abstecher zum Anleger in Seehausen gemacht, wo es mit Rädern nicht weiter ging. Im Ortskern ein „Milchladen“ und dieser 24-Stunden offen Shop…

Zurück auf der eigentlichen Route, entwickelte sich während der Fahrt die Wetterlage allerdings rasch in herbstliche Sturmattacken. Vom See selbst meist keine Spur zu sehen, dafür ein Truppenübungsplatz und ein Bahngleis im neuen Bett. Vor Uffing trennte uns kurz die läutende Glocke am Bahnübergang, ich schon auf der anderen Seite, Jola stoppte (vorsichtshalber). Begab mich an einer Garagenausfahrt in Warteposition, sah dabei diese Konstruktion eines Fiat 500…

Wieder vereint, sondierten wir die Lage, der Himmel bedeckt mit dunklen Wolken, die an oder über den schwarz wirkenden Bergen hingen, es sah nach Regen aus. Also besser umgekehrt.
An einer Stelle doch ein Ausblick auf den See….

Mit den ersten vom Himmel fallenden Tropfen gelangten wir zurück zum WoMo. Danach regnete es längere Zeit.

Abends erfuhren wir über das Fernsehprogramm vom NDR durch Zufall, dass in Cashagen in der Nacht gegen 2 Uhr eine Windhose für weniger als eine Minuten durch die Dorfallee gerast war und schwere Verwüstungen angerichtet hatte. Unsere dort lebenden Freunde berichteten, sie seien mit ein paar heruntergefallenen Dachziegeln eher glimpflich davon gekommen und waren am Morgen beim Aufräumen im Garten.

15.10.2023 Sonntag

Gestriges „schlechte“ Wetter setzte sich heute mit Schauern im Wechsel mit kurzen trockenen Abschnitten fort. Die meisten Wohnmobilisten reisten ab, auf dem See, vom Frühstückstisch aus sichtbar, zwei Boote mit Anglern, die unermüdlich ihre Routen im Minutentakt auswarfen, scheinbar jedoch nichts an den Haken bekamen.
Gegen 10.30 Uhr radelten wir während eines trockenen Abschnitts zum Schloss-Museum, die Stadt lag noch in bedächtiger sonntäglicher Ruhe da.
Im Schloss-Museum ganz anders, der Andrang war enorm, wir buchten nur die Sonderausstellung „Eine Hommage Der Blaue Reiter“, die aus Anlass des 30-jährigen Museumsbestehens stattfand. Für die Sonderausstellung gab es keine Ermäßigung (?).
Interessant fand ich, dass es zu den Künstlern und ihrem Schaffen neben einem ausführlicher Text in Deutsch und Englisch einen weiteren in „Einfacher Sprache für alle“ gab.
Zur Ausstellung informiere man sich selbst unter https://schlossmuseum-murnau.de/de/aktuell-overview/?; sie läuft noch bis 26.11.2023
Bemerkenswert die Bilder von Münter, wenn man, gerade heute, aus den Fenstern schaute und den tristen Grauschleier, der über Landschaft und Gebäuden lag, sich hier originär in ihren Sujets widerspiegelten.
Die Kunstwelt darf froh sein, dass Münters Werke während der NS-Zeit nicht zu der „Entarteten Kunst“ deklariert wurden, sodass sie zumindest weiter agieren und nicht flüchten musste. Die Werke von Kandinsky und anderen versteckte Münter im Keller ihres Hauses in Murnau. Unschätzbare Werte / Werke blieben somit der Nachwelt erhalten. Wen es anheimelt, hier kann man ein paar der ausgestellten Objekte sehen…

Ein Haus „mit Gesicht“ (mein Titel) von Gabriele Münter:

Ein Blick aus dem Toilettenfenster in die Realität…

Und im Museum etwas für verspielte Erwachsene in der Kinderecke…
(freie Hutwahl)

Und dann wieder draußen, da fand ich noch dieses originelle Verkehrsschild….

Nette Idee, die überall verfolgt und umgesetzt werden sollte.

16.10.2023 Montag

Im Nachgang konstatierte ich, wir hatten gerade die zwei Tage schlechtes Wetter in Bayern bzw. konkreter, in Murnau erwischt. Kurz vor 8 Uhr auf dem Weg zum Kiosk des Campingplatzes schob sich ein eckiges Boot nahe am Ufer entlang Richtung Anlegestelle am Campingplatz. Vor dem bizarren Hintergrund des Morgenwerdens mit wabernden Dunstwolken vom Wasser aufsteigend ein Sujet, dass ich mangels Handy nicht ablichten konnte. Ein paar Minuten später dafür See und Boot getrennt….

Heute letzter Tag beim Brötchenverkauf, der Kiosk schließt.
Wir waren mit die Letzten auf dem Campingplatz, den wir gegen 09.40 Uhr verließen, Richtung Regensburg, unser Ziel für heute. Autobahnfahrt war geprägt von Meldungen des Navi, Bauarbeiten, Verzögerungen oder Umleitungsempfehlungen, was etwas nervte. Wieder eine Stunde mehr angekündigt, der Empfehlung zur Umfahrung wollte ich folgen, „o.k.“ gedrückt, schon poppte die nächste Verzögerung auf der Umgehung auf. Vor Regensburg zeigte das Thermometer 5° an, es waberte Früh- und Hochnebel, der verhinderte den Durchbruch der Sonne.
Ich ignorierte jetzt alle Meldungen und blieb auf der ursprünglichen Route (A93). Den AZUR-Campingplatz in Regensburg um 12.20 Uhr erreicht. Freie Platzwahl, alles schnell eingerichtet, dann Stadtbesuch, Strecke war mehr oder weniger noch bekannt. Handschuhe anziehen war Pflicht, ansonsten drohten Frostschäden. Am beliebtesten Ort, dem Bismarckplatz, die Räder geparkt, um das Weltkulturerbe „Regensburger Altstadt“ zu erkunden. Ganz unbekannt waren uns etliche Stellen und Geschäfte nicht, so landeten wir in der Gesandtenstraße bei „Anna“ (https://www.anna-cafe.de/), ein Laden, der sich auf Gerichte ums Brot spezialisiert hatte (bspw. Slogan „Anna liebt Brot“). Ich geriet an eine junge Frau, die heute hier scheinbar ihren ersten Arbeitstag absolvierte und bei jeder Bestellung Hilfe bei der Erfassung benötigte, diesen Mangel jeweils mit charmantem Lächeln, bei dem eine unglaublich weiße gleichmäßige Zahnreihe gezeigt wurde, überspielte. Kürbissuppe, Spiegelei-Brot und Antipastiteller, alles sehr lecker, ebenfalls der anschließende Cappuccino.

Kann man’s noch erkennen?

In einer lokalen Zeitung zeigte man die „schönen Seiten von Regensburg“, darunter eine Brücke, die wir uns später ansehen wollten (aber nicht fanden). Dafür entdeckte Jola vor einem Geschäft ausgestellte Artikel, darunter einen Beistelltisch, der es ihr sofort angetan hatte (und später gekauft wurde). Die Brücke, wie schon angemerkt, fanden wir nicht, über eine andere namens Eiserner Steg, schritten wir über die Donau auf die Sonnenseite. Von hier aus Blick auf den Dom…

Wir gerieten auf die Wöhrd bzw. Jahninsel, eigentlich eine Insel, zwischen Europa-Kanal und Donau gelegen…

Über die Eiserne Brücke zurück in die Altstadt, links der Brücke ein neues Gebäude, beherbergt das „Haus der Bayrischen Geschichte“. Zielsicher führte ich (ungewollt) Jola wieder zu dem Geschäft mit dem Beistelltisch. Ich stand abseits und rieb mir mit den Handschuhen die kalten Finger, kalt war es immer dann, wenn in die Gassen der Altstadt keine Sonne fiel, Jola tauchte triumphierend mit in Einzelteilen zerlegtem Beistelltisch auf. Mit Gepäck (Brot – von „Anna“ -, Brezel und Beistelltisch) Radtour auf Promenade, später im Stadtteil Stadtamhof in der Spitalgasse in der Spitalbrauerei an einem sonnigen Platz uns ein dunkles Bier im noch offenen Biergarten gegönnt.

Die Sonne neigte sich, Schatten trieb uns aus dem Biergarten, auf die sonnenbeschienene Steinerne Brücke, wo zwei Musiker an verschiedenen Stellen um Zuhörer buhlten….. Uns gelang dieses Selfie.

Blick von der Steinernen Brücke auf die Donau….

Tagespensum absolviert, nun Rückfahrt bei niedrigen Temperaturen.

17.10.2023 Dienstag

Was nun? Bleiben für einen Tag oder weiterfahren?
Wir blieben, verlängerten einen Tag. Tourvorschläge hatte ich mir von der Seite https://www.regensburg-bayern.de/aktivitaeten/radfahren/radfahren-regensburg.html
besorgt. Walhalla in Donaustauf sollte unser erster Anlaufpunkt werden. Dazu brauchten wir nur dem Donau-Radweg Richtung Passau zu folgen, wobei wir links der Donau, die auf der Strecke oft nicht zu sehen war (Grund: Deiche), fuhren. Durchquerten Straßen in Stadtteilen, deren Häuserarchitektur an 60er oder 70er-Jahre Stil erinnerten, kleine Fenster, braune Rahmen, Putz. Im weiteren Verlauf dazwischen teilweise eckige Neubauten, Doppelhaushälften, Eigenheime, Neubaugebiete direkt hinter dem Deich, Risikoinvestitionen?
Nach rund 12 Kilometern tauchte am Hang die Walhalla zwischen Grün auf. Donaustauf durchfuhren wir im Ortskern, standen vor dem Rathaus (seit 1989), ehemals ein Gasthof Walhalla von Thurn & Taxis. Davor eine Telefonhäuschen, umgewidmet in eine „Bücherzelle“, in der wir stöberten, Jola einen Roman von Dora Heldt fand und mitnahm. Gegenüber der Chinesische Turm, ursprünglich als Sommerhaus erbaut um 1800 (Epoche der Exotik) und 1842 anlässlich der Einweihung von Walhalla zum Turm umgebaut …

Nun noch 2 Kilometer auf Straße hinauf zum Parkplatz. Ein bisschen Feeling like Südtirol entstand bei der Erklimmung des Hügels. Fußmarsch, Treppen gesperrt, Forstarbeiten, ein Baum wurde gefällt.
Was gab’s Neues? Einen behindertengerechten Aufgang über eine Metallbühne. Der Kiosk hatte eingedeckt, ein Tisch sogar mit Häkeldecke und Blumenstrauß verschönert.

Extragroße Hinweistafeln ermahnten, nicht die weißen Linien zu übertreten, es bestünde Lebensgefahr durch Absturz.

Ein paar Rund-, Aus- und Einblicke, letztere kosteten und als Ruheständler je 4 € Eintritt in die Ruhmeshalle.

Geplant war, in Wiesent den Nepal-Himalaya-Pavillon (https://www.nepal-himalaya-pavillon.de/) zu besichtigen. Rund 14 Kilometer bis dahin weiter den Donau-Radweg. Die Saison neigte sich dem Ende zu, da erschien es sicherer, vor Anfahrt nachzuschlagen, ob die Anlage überhaupt (noch) geöffnet hat. Dem war nicht so, auf der Internetseite begrüßte man die Leser mit „Namaste“ und freute sich auf den Besuch in 2024.
Wir befanden uns bereits auf der Weinroute, in Bach (Ortsname) sollte es das kleinste Weinanbaugebiet Bayerns und das Baierwein Museum geben. Die nicht ganz 8 Km auf ebenem Donau-Radweg waren schnell zurückgelegt. Im Ort lockte sowohl die Bäckerei Schifferl, als auch der Landgasthof Bacherer, letzterer mit Mittagstisch.
Zum Eingang des Gasthofes war Treppen steigen angesagt. An einem Weinfass stand auf Schiefertafel „Edelstoff im Ausschank“. Wir traten in typisch bayrische Wirtshausatmosphäre ein, alles Holz, rustikal, nicht mehr ganz neu. In der Mitte ein Mann meines Alters, mit Bart in etwa wie Horst Lichter von „Bares für Rares“. An zwei Tischen saßen Paare, eins beim Essen, das andere wohl gerade fertig. An den Wänden Emaille-Schilder, Werbung für Nivea, Persil etc, alles Reproduktionen. Über der Theke Bierkrüge in allerlei Varianten. Wir durften in einer Ecke Platz nehmen, der Mann wartete, bis wir saßen, brachte die Speisekarte, fragte auf bayrisch nach dem Getränkewunsch, wir baten um Geduld. Dann doch „ein Landwein bitte“ und mit Verzögerung „ein Glas Leitungswasser„. Die Augenbraue beim Wirt geriet leicht außer Kontrolle, er wendete sich ab und murmelte etwas vor sich hin. Ein Paar tuschelte….
Wir schauten uns an, insgeheim eine unausgesprochene Wette abhaltend, ob wir ein Glas Wasser bekommen würden. Wir bekamen es!
Nach unserer Essensbestellung trat der Wirt kurz durch eine Tür in den Garten, kam mit einem schwarzen Mörteleimer zurück und verschwand in der Küche. Wieder eine Wette, „hatte er Kräuter gepflückt?“.
Ja, denn auf den beiden Salattellern thronte Frisches, darunter allerdings ein See aus säuerlicher Essigsoße. Schade um den frischen Salat und die Kräuter. Sauer- und Schweinebraten schwammen ebenfalls in dunkler Soße, gerade noch so genießbar.
Uns gelang es, als letzte Gäste, dem Wirt ein Gespräch abzuringen, u.a. Herkunft, Reiseziel, Wetter und „schön sei es hier“. Den Notizzettel mit dem Rechnungsbetrag legte er dazu auf den Tisch, einfach eine Zahl ohne jegliche Details. Außerdem erhielt ich auf meine Frage nach der Öffnungszeit des Museums die Auskunft „hat zu„. Was mich zu der Frage veranlasste, ob er denn auch schlösse. „Ja, ab morgen, für immer„!
Ups. Von da ab wurde er gesprächiger, im bayrischen Dialekt erklärte er uns die Welt der Gastronomie und deren Ökonomie (man bekäme ja keine Leute mehr unter 20 € Stundenlohn, dann müsste das Essen einen Fünfziger kosten …) in einem Kurzreferat; die „Kanaken“ und „Mulatten“ mit ihren Ansprüchen (Kindergeld etc.), er hätte 7 Monaten jeden Tag 12 Stunden malocht, die enorm gestiegenen Energiekosten usw. Nach 46 Jahren sei Schluss, das alles müsse man sich nicht mehr antun. Nein, einen Käufer fand er nicht,…. doch, „die Mafia“ hätte angeklopft, ein Italiener zeigte Interesse. Ich fragte nicht nach, woraus er das mit „der Mafia“ geschlossen hätte. Es blieb unbeantwortet. Nein, Wohnmobil, das wäre nichts für ihn. Er sei genug herumgekommen; „er denke positiv„, war sein letzter Satz. Wir wünschten ihm einen guten Start in den neuen Lebensabschnitt, verzogen uns, über den grantelnden Bayern schmunzelnd, aus seinem Lokal.
Kauften bei der Bäckerei Schifferl noch Brötchen, tranken zwei Cappuccino. Während wir bestellten, saß ein junger pickliger Mann an einem der Gästetische und telefonierte so lauthals, dass ich ihn zu einer leiseren Tonart ermahnte. Er wartete auf den Bus, schien im Laden bekannt zu sein, faselte etwas von einem Team aufbauen, für das er Geld bezahlt hätte usw. Ein Nerd, ein Gamer, so meinte Jola herausgehört zu haben.
Wir ließen das Dorfpublikum, das in der Bäckerei einkaufte, auf uns einwirken. Besonders spannend wurde es, als eine hochaufgeschossene junge Frau mit sehr langen Beinen in Jeans eintrat, im angeschlossenen Lebensmittelbereich Sachen besorgte und die Bäckerei wieder verließ. Natürlich fiel auch mir eine solche Weiblichkeit auf, mehr noch jedoch dem pickligen Nerd, der sofort von seinem Handy aufblickte, aufstand, nachschaute, wohin dieses Wesen verschwand und er der Verkäuferin zurief, wessen Frau das noch mal sei?. Ich wollte erst Jola nicht glauben, als sie hinaus deutete und meinte, sie sei dort in einen schwarzen Porsche Targa eingestiegen. Tatsächlich zischte sie kurz darauf auf der Hauptstraße des Dorfes davon. Das warf selbstredend Fragen auf, war das „Muttis Auto“?, wenn nicht, wie kommt man als so „junges Ding“ an so ein Auto? (man könnte einen reichen Mann haben! oder eine gut verdienende Influencerin sein! oder, was weiß ich…). Der junge Mann war so aufgeregt, er verschwand gleich auf die Toilette (was er da gemacht hat, bleibt sein Geheimnis).
Ein anderer junger Mann im Hoodie kaufte frische Eier; eine Mutter mit Kleinkind, das auf dem Tresen saß, bekam ein Brezel von der Verkäuferin angeboten, nörgelte, wollte wohl etwas anderes. So ging es eine Weile weiter. Ein Spektrum des dörflichen Lebens, wir durften für kurze Zeit daran teilhaben. Interessantes Milieu, doch leben möchte man hier sicher nicht.
Heimfahrt, die versprochene Sonne, eine dunstige Scheibe am verhangenem Himmel, bot sich kaum als Wärmequelle an.
Jola vergaß nicht, die kleine Kapelle auf einem Acker zwischen zwei großen Bäumen, die sie noch aufsuchen wollte….

Ich verzichtete ob der noch vor mir liegenden Kilometer auf den Abzweiger, kletterte auf den Deich und hielt den Donaulauf im Bild fest…

Jola berichtete lachend von ihrem Besuch der Kapelle, es sei eher eine Unterkunft für Gartengeräte, über dem dort deponierten Rasenmäher sei eine Tischdecke gelegt).
Alles schien so einfach, doch die verschiedenen Flussläufe (Regen, Donau, Europa-Kanal) bei Regensburg verleiteten zur Leichtsinnigkeit, den falschen Radweg gewählt und dadurch 5 Kilometer mehr gefahren. So „schafften“ wir über 50 Km an diesem Tag.

18.10.2023 Mittwoch

Wider erwarten blieb das Wetter freundlich, wenn auch recht kühl. Schneller als sonst hatten wir die Sachen gepackt und reisten vor 10 Uhr ab. Die heutige Strecke einmal fast ohne Baustellen, keine Staus, so machte WoMo fahren richtig Spaß. Unterwegs fiel das Thermometer bis auf 1,5°, zum Glück waren die Straßen trocken, somit drohte kein Glatteis. Nach zwei Stunden eine kurze Pause auf einem Rastplatz, Beine vertreten und Müsliriegel essen. Unser, von mir ausgesuchtes, Ziel war ein Campingplatz in Leipzig am Kulkwitzer See, ungefähr 8 Radkilometer vom Zentrum entfernt. 13 Uhr gerade vorbei, die Rezeption bis 14 Uhr geschlossen, Zeit, um ein paar Weißwürste heiß zu machen, Brezel hatten wir vom Vortag noch im Gepäck.
Die Rezeption öffnete pünktlich, an der Tür ein Papierschild mit dem Hinweis, nur 2 Personen pro Mitarbeiter am Schalter. Ich trat ein, bat um einen Stellplatz, sofort empfing mein Ohr ein wenig vertrautes sächsisches Kauderwelsch, bestimmt forderte sie Ausweis und sonstige Daten, meinte, mit 7,5m wären die kleinen Stellplätze fast zu klein…., da trat der nächste Gast ein, sofort ein „Stopp„, „gehören sie zusammen“ wurde abgefragt. Von mir kam ein „Nein„, dann „nur eine Person im Schalterraum„, ertönte die sächsische Stimme streng, und erbarmend „hoffentlich ist es nicht zu kalt draußen„.
Ich erhielt einen Transponder, an dem ein Schlüssel befestigt war, „für die grünen Tore“, sächselte es. Ich fragte nach einem Aufkleber, der Finger hob sich und wies auf einen Kasten hin, „50 Cent“. Kein Erfolg brachte meine Charmeoffensive, der Chef würde kostenloses Abgeben nicht gutheißen. Letzter Hinweis von der „Mutti an der Rezeption“, die Dusche für Herren im Trakt nahe unseres Platzes sei defekt, ich müsste hier oder hier, sie zeigte auf den Lageplan, zum Duschen gehen. „Na, ich würde mit den Frauen duschen„, scherzte ich larmoyant. „Oh, besser nicht, eine Dame hätte sich schon bei ihr beschwert. Die mochte das gar nicht„, und wünschte mir einen schönen Aufenthalt.
Die Platznummern etwas unglücklich auf dem Boden in quadratische Platten eingelassen, kaum zu entziffern. Kreiste auf dem Areal, bis wir unser Ziel fanden.
Noch schien die Sonne, die Luft empfanden wir milder als in Regensburg. Zwei Optionen standen zur Wahl: a. Rund 8 Km trampeln bis nach Leipzig oder b. 8 Km trampeln um den See.
Trafen einen Mann mit Dreirad-E-Bike, von hier, wie er mir bestätigte, sich bedankte, als ich ihm das Tor zum Ausgang aufhielt. Er nahm den gleichen Weg, erzählte, wo es hier und da lang ging. Wir entschieden, erst einmal Richtung Leipzig zu fahren.
Uns erschloss sich auf den ersten drei Kilometern eine eigene Welt, irgendwie aus Filmen bekannt, die typische ehemalige DDR-Landschaft, hier und heute jetzt „live“, ein ganz anderes Gefühl. Erst auf dem Rückweg schaffte ich es, mir fotografisch ein paar Eindrücke dieser Plattenbausiedlungen zu machen….,

Grünau und Plagwitz hießen die beiden Stadtteile, manche der Betonreihen waren saniert, teils mit neuen Balkonen, Außenfahrstuhl, fast gelungen, dachte ich so bei mir. Viel Grünflächen zwischen den Plattenburgen, überall Spielplätze, Skateranlage, breite Radwege, nicht gewohnt bei uns.
Die Graffiti-Szene hier ausgeprägt, leider auch die der Schmierfinken, die kein Halt vor historischen Bauwerken machten. Fast wollte ich Jola auffordern umzudrehen, zu weit schien mir die Fahrt ins Zentrum. An der Bahnstation „Allee-Center“ das Einkaufszentrum, hier ein Hort der arabischen Welt. Aufmerksam zumindest ein Vater mit seinem Kinderwagen, der eine Rampe hinauf schieben wollte, mich mit meinem Rad schiebend übersah, abbremste, sich entschuldigte und vorließ.
Gerieten an den Karl-Heine-Kanal, die grüne Radwegbeschilderung tauchte wieder auf, die wir zwischenzeitlich „verloren“ hatten. Nun doch, wir folgten hier am Kanal dem Weg zum Zentrum. Eine der Brücken….

König-Albrecht-Brücke

Jetzt entwickelte Leipzig deutlich mehr städtebaulichen Charme, in, bzw. an der Einmündung zur Weißenfelser Straße dieses Gebäude…..

Elster-Park

Nach wenigen Biegungen gelangten wir zur Könner-Brücke, hinter der sich die Karl-Heine-Villa befand….

Am Wasser wohnen, überall gilt das als attraktiver Standort, wohl hier ebenso….

Unsere „Stadtbesichtigung“ endete bei der Bäckerei Steinecke, Kuchen, ein Brot und Kaffee gekauft.
Erstaunlich sicher fanden wir zurück, weil’s noch hell war und die Sonne schien, nutzten wir den Resttag für die Umrundung des Sees. Mal asphaltiert, mal Kies oder Sand, diverse Freizeitaktivitäten wären hier, wenn nicht das Saisonende eingeleitet worden wäre, möglich. Der See entstand Anfang der 70er Jahre aus einem „Loch“ Braunkohletageabbau (was die Natur so alles nach der Ausbeutung „aus sich“ machen kann!).
Fast umrundet, Jola lobte den Weg, jedoch könne er natürlich nicht mit dem an der Alster konkurrieren, da tauchten wie zum Trotz, Villen auf, eine imposanter als die nächste. Dann eine Wasserski-Sportanlage nebst Restauration, die Lage ideal, weil Sonne auf die freien Außenplätze schien. Rast bei Bier und Süßkartoffeln. Die Bedienung ein Kunstwerk für sich, spitze farbige Fingernägel (wie bei Cats) Tätowierungen bis zum Hals hinauf, Nasenringe an einer Nase in einem mondförmigen Gesicht, ein bläulicher Strick verdeckte eine opulente Körperfülle.
Entschädigt wurden wir durch die Aussicht und ein schmackhaftes Bier.

Bald war die Sonne weg, Aufbruch und Rückkehr durch die „Hintertür“ (Schlüssel für die grünen Türen) auf den Campingplatz.
Die Tour:

19.10.2023 Donnerstag

Schnell ist der heutige Tag erzählt. Morgens, wie schon in der Nacht, Regen. Draußen neben dem eigentlichen Kulkwitzer See, eine neue Seenlandschaft auf dem Campingplatz. Mit kurzer Hose und Regenschirm marschierte ich zum Sanitärgebäude, die sächselnde Stimme der Rezeptionistin noch im Ohr „die Duschen bei den Herren sind gesperrt“ (auf einem DIN A4-Blatt stand „ab 28.08.23“- wohl Handwerkermangel!). Wenigstens der Toilettenbereich war funktionstüchtig und nutzbar. Ich begab mich zum Damentrakt, klopfte höflich an, öffnete die Tür, eine Frau stand vor einem Spiegel. „Die Herren-Duschen sind nebenan„, erfolgte eine freundliche Belehrung. Mein Hinweis auf „defekt / gesperrt“ stimmte sie milde und ich durfte überraschend feminines Terrain betreten. Zu meinem Glück kein weiteres weibliches Wesen anwesend, das mich hätte verbannen können.
So fuhr ich frisch geduscht wenig später aus Leipzig mit Jola ab. War, abgesehen vom miesen Wetter, heute unser Glückstag auf der Autobahn? Keine Staus, freie Fahrt für …..; na, lassen wir das mit den Sprüchen.
Um 15.30 Uhr begrüßte uns die Wielandstraße.